vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlass eines Einkommensteuersteuerbescheids nach Insolvenzeröffnung – Erstattungsanspruch nach Abrechnung – Durchbrechung der Bestandskraft der Steuerfestsetzung bei nachträglicher Anmeldung einer Insolvenzforderung
Leitsatz (redaktionell)
- Der Erlass eines Einkommensteuersteuerbescheids nach Insolvenzeröffnung bleibt zulässig, wenn sich unter Berücksichtigung von Vorauszahlungen oder Anrechnungsbeträgen insgesamt keine Zahllast ergibt (vgl. BFH-Rspr. und Tz. 4.3.1. AEAO zu § 251AO).
- Soweit sich aufgrund einer Änderung der Anrechnungsverfügung oder einer Insolvenzanfechtung ergibt, dass die Steuerfestsetzung nicht zu einem Erstattungsanspruch, sondern einer anzumeldenden Insolvenzforderung führt, wird die Bestandskraft der Steuerfestsetzung entweder nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO oder § 124 Abs. 2 AO durchbrochen.
Normenkette
AO § 124 Abs. 2, § 125 Abs. 1, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 251 Abs. 2 S. 1; InsO § 87
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob der Beklagte nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens berechtigt war, einen Einkommensteuerbescheid für 2014 zu erlassen bzw. ob aufgrund eines Verlustes gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes - EStG - die Einkommensteuer auf 0 € herabzusetzen ist.
Der spätere Insolvenzschuldner B war als Alleingesellschafter über die B Beteiligungen GmbH zu 100% an der operativ tätigen C & D GmbH beteiligt. Er war in beiden Gesellschaften Alleingeschäftsführer.
Den Erwerb der C & D GmbH durch die B Beteiligungen GmbH hatte der Insolvenzschuldner über persönlich aufgenommene, zweckgebundene Darlehen bei der E Bank finanziert (Bl. 50 ff. der Gerichtsakte - GA -). Schriftliche Darlehensverträge zwischen ihm und der B Beteiligungen GmbH zur Weiterreichung der Darlehensvaluta liegen nicht vor. Der Erwerb der C & D GmbH wurde ferner durch eine stille Beteiligung der F Beteiligungsgesellschaft mbH an der B Beteiligungen GmbH finanziert; für die Rückzahlung der Einlage hatte sich der Insolvenzschuldner gemeinsam mit der C & D GmbH zu einer Garantie verpflichtet (Bl. 65, 75 ff. der GA).
Die C & D GmbH war in der Entwicklung, Herstellung, dem Vertrieb und dem Handel mit verschiedenen Maschinen zur Oberflächenbearbeitung tätig. Sie musste am 9.12.2014 insbesondere aufgrund des Verlustes eines Großkunden Insolvenz anmelden. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft wurde am 30.1.2015 eröffnet.
Die B Beteiligungen GmbH war selbst nur an der C & D GmbH beteiligt. Aus den Beteiligungserträgen an der C & D GmbH sollten die Verbindlichkeiten gegenüber der E Bank getilgt werden sowie die Forderungen des atypisch still Beteiligten, der F Beteiligungsgesellschaft mbH, bedient werden. Aufgrund dessen beantragte der Insolvenzschuldner durch Schreiben vom 19.12.2014 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens für die B Beteiligungen GmbH, den das Amtsgericht durch Beschluss vom 6.2.2015 mangels Masse ablehnte.
Die E Bank nahm den Kläger durch Schreiben vom 29.12.2014 für ausgefallene Darlehen i.H.v. 1.148.485 € in Anspruch. Über das Vermögen des Insolvenzschuldners wurde daher aufgrund eines Eigenantrags vom 30.1.2015 am 1.4.2015 ebenfalls das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger als Insolvenzverwalter bestellt. Durch Schreiben vom 5.5.2015 folgte die Inanspruchnahme des Insolvenzschuldners durch die F Beteiligungsgesellschaft mbH i.H.v. 274.239,58 € aufgrund der abgegebenen Garantieerklärung.
Die am 6.7.2015 elektronisch an den Beklagten übermittelte Einkommensteuererklärung für den Insolvenzschuldner und dessen Ehefrau wurde am 7.8.2015 ausgedruckt und mit den Unterschriften der Eheleute und des Klägers beim Beklagten eingereicht.
Die Beklagte führte die Veranlagung durch Bescheid für 2014 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 23.12.2015 erklärungsgemäß durch. Er setzte eine Einkommenssteuer i.H.v. 28.942 € und Solidaritätszuschlag i.H.v. 1.591,81 € fest und rechnete hierauf einbehaltene Lohnsteuer des Steuerpflichtigen und Kapitalertragsteuer i.H.v. 31.393 € sowie hierauf entfallenden Solidaritätszuschlag an, so dass sich insgesamt eine Einkommensteuererstattung i.H.v. 2.454 € und eine Erstattung von Solidaritätszuschlag i.H.v. 132,57 € ergab.
Mit Schreiben vom 18.1.2016 wandte sich der Bevollmächtigte des Klägers an den Beklagten und wies darauf hin, dass nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich keine Bescheide mehr erlassen werden dürften, in denen Besteuerungsgrundlagen festgestellt oder festgesetzt würden, die die Höhe der zur Insolvenztabelle anzumeldenden Steuerforderungen beeinflussen könnten. Dies gelte auch für Erstattungsansprüche. Steuerbescheide, die nach Insolvenzeröffnung für den Zeitraum vor Insolvenzeröffnung ergingen, seien nichtig. Man verzichte vorerst aus Vereinfachungsgründen auf die Aufhebung des Bescheids, wobei mit diesem Sc...