Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermäßigter Umsatzsteuersatz für orthopädische Bandagen
Leitsatz (redaktionell)
- Die umsatzsteuerliche Tarifierung orthopädischer Bandagen bestimmt sich allein nach dem Zolltarif (KN Pos. 9021 19 (alt) bzw. Pos. 9021 10 in der ab dem 1.1.2003 geltenden Fassung).
- Dies gilt auch bei verspäteter Anpassung der Anlage zu § 12 Abs. 2 UStG an eine Änderung des KN-Codes.
- Die Anerkennung als Hilfsmittel nach § 128 SGB V ist insoweit ohne Belang.
- Gelenk- und Achillessehnenbandagen aus elastischen Spinnstoffen ohne zusätzliche starre Zug-, Stütz- oder Stabilisierungselemente sind in die Position 6307 einzutarifieren. Eingearbeitete Pelotten oder biegsame Federstäbe reichen für die Einreihung unter die Pos. 9021 10 nicht aus.
- Bei Wirbelsäulenbandagen liegt eine orthopädische Vorrichtung i. S. d. KN-Code 9021 10 – in Abgrenzung zu Rückenstützgürteln der Pos. 6212 - nur vor, wenn sie zumindest einen großen Teil des Rückens bedecken, mehr als 27 cm hoch sind und über steife anatomische Stützen verfügen.
- Kreuzstützbandagen von unter 27 cm Höhe sind nur dann Orthesen i. S. d. KN-Code 9021 1010, wenn sie über anatomische Stützen mit großflächiger, an den Körper des Patienten anpassbarer Pelotte verfügen, und dadurch z.B. ein Ausweichen der Wirbelsäule nach hinten verhindern.
- Eine Brustwirbelsäulenbandage, die als Gürtel zur Verbesserung der Körperform und Stützung des Körpers dient, ist eine Bandage i. S. d. Pos. 6212.
- Fersenkissen aus Kunststoff, die nach dem Schwerpunkt der Anwendung der Druckentlastung des Fußes dienen, gehören zu Pos. 3926.
Normenkette
UStG 1999 § 12 Abs. 2 Nr. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1; UStG 1999 Anl. 2 Nr. 52 Buchst. b; KN i. d. F der VO v. 28. Oktober 2002 Pos. 3926; KN i. d. F der VO v. 28. Oktober 2002 Pos. 6307; KN i. d. F der VO v. 28. Oktober 2002 Pos. 6212; KN i. d. F der VO v. 28. Oktober 2002 Pos. 9021 10; KN i. d. F der VO v. 28. Oktober 2002 Pos. 9021 19; SGB V § 128
Streitjahr(e)
2003
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger begehrt als Rechtsnachfolger der Bandagen A. OHG die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für einen Teil der von der Bandagen A. oHG im Jahr 2003 vertriebenen orthopädische Binden und Bandagen.
Der Kläger ist seit 2007 der Rechtsnachfolger der Bandagen A. oHG oHG, die als Sanitätshaus unter anderem orthopädische Binden und Bandagen vertrieb. Im Jahr 2003 führte das beklagte Finanzamt A-Stadt FA zur Überprüfung der Inanspruchnahme des ermäßigten Steuersatzes eines Umsatzsteuersonderprüfung bei der oHG durch. Der Prüfer stellte fest, dass der Verkauf der Binden und Bandagen - welchen sie im Vorjahr 2002 noch überwiegend dem vollen Steuersatz unterworfen hatte - in den Monaten 1 - 9/03 lediglich mit dem ermäßigten Steuersatz erfolgt war. Hinsichtlich Art, Name und Hersteller der streitigen Binden und Bandagen wird auf die Anlage zur Anfrage des Gerichts vom 20.1.2009 (Bl 51 ff, 57,58) Bezug genommen. Für einen Teil dieser Binden und Bandagen lagen unverbindliche Zolltarifauskünfte für Umsatzsteuerzwecke uZTA der Zolltechnischen Prüfungsanstalten Koblenz bzw. Cottbus (beantragt vom Hersteller jeweils am 26.11.2002, erteilt jeweils am 19.3.2003) vor, sämtliche Produkte wurden zudem in der Verfügung des Finanzministeriums des Landes Sachsen-Anhalt, OFD Magdeburg vom 3.11.2001 unter Hinweis auf bereits vorliegende unverbindliche Zolltarifauskünfte für Umsatzsteuerzwecke der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt Cottbus als nicht steuerbegünstigt beurteilt. Die streitigen Binden und Bandagen waren nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht unter die Position 9021 10 der Kombinierten Nomenklatur des Zolltarifs KN-Code einzutarifieren, so dass die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 52 der Anlage hierzu für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nicht gegeben waren. Auch der Hersteller Bauernfeind AG hatte mit Rundschreiben vom 23.4.2002 sämtlichen Kunden mitgeteilt, dass er grundsätzlich alle Lieferungen von Bandagen dem vollen Steuersatz unterwerfe, weil vielfach nicht geklärt sei, welches Produkt welchem Steuersatz unterliege, und die Rechnungen ab dem 1.1.2002 - z.T. - rückwirkend auf 16 % korrigiert. Die oHG nahm entsprechend trotz des Weiterverkaufs zu 7 % gleichwohl für den Ankauf der Binden und Bandagen den höheren Vorsteuerabzug von 16 % in Anspruch.
Der Prüfer vertrat daraufhin die Auffassung, dass Umsatzerlöse iHv 49.492,14 EUR im Zeitraum 1 - 9/03 zu Unrecht dem Steuersatz von 7 % unterworfen worden waren. Entsprechend seien die in den Voranmeldungen erklärten Umsätze zu 16 % um 42.665 EUR netto zu erhöhen und die zu 7 % um 46.254 EUR netto zu vermindern.
Aus Vereinfachungsgründen änderte das FA allein den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für 9/03 mit Bescheid vom 18.6.2004 und setzte die Umsatzsteuer für September 2003 um 3.588,60 EUR erhöht fest.
Ihren hiergegen erhobenen Einspruch begründete die oHG dahingehend, dass die Versagung der Einordnung der streitigen Band...