Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermessensunterschreitung bei Auftragsprüfung – Mitteilung der Ermessenserwägungen durch das beauftragte Finanzamt
Leitsatz (redaktionell)
Die durch ein nach § 195 Satz 2 AO beauftragtes Finanzamt erlassene Prüfungsanordnung ist wegen Ermessensunterschreitung aufzuheben, wenn das beauftragende Finanzamt im Rahmen der Erteilung des innerdienstlichen Prüfungsauftrags keinerlei Ermessenserwägungen angestellt oder jedenfalls solche Erwägungen durch das beauftragte Finanzamt dem Steuerpflichtigen nicht mitgeteilt worden sind.
Normenkette
AO §§ 5, 126 Abs. 1 Nr. 2, § 195 S. 2; FGO § 102 S. 2
Streitjahr(e)
2002
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Anordnung einer steuerlichen Außenprüfung zur Lotteriesteuer für den Monat Dezember 2002.
Die am 18.02.2000 gegründete Klägerin firmierte zunächst unter der Bezeichnung „A” & Co. Fonds KG mit Sitz in „B” . In der Folgezeit fanden mehrere Namensänderungen statt. Am 05.01.2009 wurde im Handelsregister des Amtsgerichts „B” (HRA ) eine Sitzverlegung nach „C” eingetragen. Komplementärin war durchgehend die „A” B.V. mit Sitz in Ausland, deren Geschäftsführer „D” und „E” sind. Nach dem Gesellschaftsvertrag war Gegenstand des Unternehmens der Zusammenschluss von Spielern, die in verschiedene Spielgemeinschaften investieren, der Vertrieb von Anteilen dieser Gemeinschaften durch eine oder mehrere international tätige Vertriebsgesellschaften sowie die Durchführung sämtlicher damit zusammenhängender Geschäfte.
Für den Zeitraum März 2000 bis November 2002 führte das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung (Steufa) bei der Klägerin eine Prüfung unter anderem zur Lotteriesteuer durch. Die Prüfung fand ihren Abschluss im Prüfungsbericht vom 23.06.2003. Im anschließenden Rechtsbehelfsverfahren entschied der Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 02.04.2008 II R 4/06, dass die Klägerin als Veranstalterin Schuldnerin von Lotteriesteuer sei.
Mit Beschluss vom 24.08.2010 wies das Amtsgericht „B” einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin mangels Masse ab.
Mit Schreiben vom 18.02.2011 teilte der Beklagte dem Finanzamt „F” mit, bei der Betriebsprüfung einer anderen Firma des Konzerns sei vorgetragen worden, die Klägerin habe in den Monaten November und Dezember 2002 eine Tätigkeit als Spielevermittlerin ausgeübt. Die Klägerin habe keine Lotteriesteuer-Anmeldungen abgegeben. Im Rahmen der laufenden Betriebsprüfung sollten die Besteuerungsgrundlagen überprüft werden. Es werde um die Erteilung eines Prüfungsauftrages nach § 195 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) gebeten.
Mit Schreiben vom 28.02.2011 bat das Finanzamt „F” den Beklagten um eine Prüfung der Lotteriesteuer für den Zeitraum Dezember 2002. Weitere Ausführungen enthält das Schreiben nicht.
Der Beklagte erließ daraufhin unter dem 14.03.2011 nach § 193 Abs. 1 AO eine Anordnung zur steuerlichen Außenprüfung (Lotteriesteuer) für den Zeitraum Dezember 2002. Als Termin für den Prüfungsbeginn wurde der 04.04.2011 angegeben. In der Prüfungsanordnung teilte der Beklagte mit, er sei mit der Prüfung durch das Finanzamt „F” beauftragt worden (§ 195 Satz 2 AO).
Gegen die Prüfungsanordnung legte die Klägerin am 29.03.2011 Einspruch ein und wies zur Begründung darauf hin, dass der Antrag des Finanzamts „F” auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgewiesen worden sei. Aufgrund dessen sei die Prüfungsanordnung nicht sinnhaft.
Ferner fehle es an der örtlichen Zuständigkeit der Beklagten, da der Sitz der Gesellschaft von „B” nach „C” verlegt worden sei. Mangels Anknüpfung an einen anderen Ort sei der Sitz der Gesellschaft gemäß § 11 AO maßgeblich. Auf die Entfaltung geschäftlicher Aktivitäten am neuen Sitz der Gesellschaft komme es gemäß dem Urteil des Sächsischen Finanzgerichts (FG) vom 03.11.2009, 5 K 784/07, nicht an. Ebenso sei nicht entscheidend, ob erkennbar gewesen sei, dass der Ort der Geschäftsleitung von „B” nach „C” verlegt wurde.
Die Prüfungsanordnung sei schließlich deshalb rechtswidrig, weil hinsichtlich der Lotteriesteuer für den Monat Dezember 2002 Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Eine verlängerte Festsetzungsfrist nach §§ 169 Abs. 2 Satz 2, 370 Abs. 1 Nr. 2 AO komme nicht in Betracht, da die Finanzbehörde über steuerliche erhebliche Tatsachen nicht in Unkenntnis gelassen worden sei.
Die Beklagte wies den Einspruch in der Einspruchsentscheidung vom 07.10.2011 als unbegründet zurück und führte aus: Der Anordnung einer steuerlichen Außenprüfung stehe die Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des BFH bleibe eine Personengesellschaft trotz ihrer Auflösung so lange existent, bis u.a. die Rechtsbeziehungen aus dem Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Finanzamt abgewickelt seien. Dieses Rechtsverhältnis umfasse auch die Pflicht der Gesellschaft zur Duldung einer Außenprüfung. Da die Finanzbehörde seit 2006 bei der Klägerin eine Außenprüfung durchführe, sei das Rechtsverhältnis noch nicht ...