Entscheidungsstichwort (Thema)
Verrechnung vortragsfähiger Altverluste aus Wertpapiergeschäften bis zum 31.12.2008 mit Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs.2 EStG n.F.
Leitsatz (redaktionell)
- Die zum 31.12.2008 gesondert festgestellten vortragsfähigen Verluste aus Wertpapiergeschäften i.S. des § 23 EStG a.F. sind erst nach der Verrechnung der in den jeweiligen Kalenderjahren entstandenen Gewinne und Verluste gemäß §§ 20 Abs. 6 Satz 1, 43a Abs. 3 Satz 2 EStG n.F. nach Maßgabe des § 23 Abs. 3 Sätze 9 und 10 EStG n.F. mit den in den Jahren 2009 bis 2012 erzielten Gewinnen nach § 20 Abs. 2 EStG n.F. zu verrechnen.
- Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz ist insoweit auch vor dem Hintergrund der Befristung der Übergangsregelung des § 23 Abs. 3 Sätze 9 und 10 EStG n.F. bis zum Veranlagungszeitraum 2013 nicht ersichtlich.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 2, 6 Sätze 1, 5, § 23 Abs. 3 Sätze 9-10, § 43a Abs. 3 S. 2, § 52a Abs. 11 S. 11; GG Art. 3 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Kläger sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Ehegatten. Sie erzielten in den Streitjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, aus Vermietung und Verpachtung, aus privaten Veräußerungsgeschäften sowie aus Kapitalvermögen.
Mit Bescheid über die gesonderte Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2008 stellte der Beklagte verbleibende Verlustvorträge aus privaten Veräußerungsgeschäften für den Kläger in Höhe von 349.508 EUR und für die Klägerin von 284.358 EUR fest.
Auch in den Streitjahren tätigten die Kläger Wertpapiergeschäfte. Sie reichten Steuerbescheinigungen der ausführenden Bank ein, aus denen sich nach Verrechnung der in den jeweiligen laufenden Jahren erzielten Gewinne mit den in diesen Jahren erlittenen Verlusten positive Kapitalerträge ergaben. Mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre 2009 bis 2012, berücksichtigte der Beklagte entsprechend der eingereichten Steuerbescheinigungen die Einkünfte aus Kapitalvermögen. Hierbei wurden die in den Streitjahren bescheinigten Gewinne aus Wertpapiergeschäften mit den zum 31.12.2008 festgestellten verbleibenden Verlustvorträgen ausgeglichen. Entsprechend wurden die verbleibenden Verlustvorträge jeweils zum 31.12. der jeweiligen Jahre mit ebenfalls unter Nachprüfungsvorbehalt stehenden Feststellungsbescheiden neu festgestellt.
Die Kläger beantragten unter dem 9.4.2014, dass die Einkünfte aus Kapitalvermögen dergestalt berücksichtigt würden, dass die in den Jahren 2009 bis 2012 erzielten Gewinne nicht mit den in denselben Jahren erlittenen Verlusten, sondern vorrangig mit den gesondert festgestellten verbleibenden Verlustvorträgen zum 31.12.2008 verrechnet würden. Sie trugen vor, die Regelungen zur Verrechnungsbeschränkung für Aktien seien rechtlich umstritten. Um Ungerechtigkeiten durch den Wegfall von Altverlusten zu vermeiden, müsse der Steuerpflichtige ein Wahlrecht haben, in welcher Reihenfolge die festgestellten Verluste aus Jahren vor 2009 und die in den Jahren danach erzielten Verluste mit den Gewinnen der jeweiligen Jahre nach 2009 zu verrechnen seien.
Mit Bescheid vom 29.4.2014 lehnte der Beklagte diesen Änderungsantrag ab. Er trug vor, aus § 20 Abs.6 EStG und § 23 EStG ergäbe sich eine eindeutige gesetzliche Regelung zur Verlustverrechnung. Ein Wahlrecht sei nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung nicht gegeben. Den hiergegen erhobenen Einspruch vom 19.5.2014 wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 4.11.2014 als unbegründet zurück.
Die Kläger haben am 8.12.2014 Klage erhoben zu deren Begründung sie zunächst ihr bisheriges Vorbringen wiederholen und vertiefen. Ergänzend tragen sie vor, der Gesetzgeber habe mit der Änderung der Besteuerung der Veräußerung von Wertpapieren zum 1.1.2009 eine grundlegende Änderung der Einordnung der hieraus resultierenden Ergebnisse vorgenommen. Durch die Zuordnung der Veräußerungsgewinne zu den Einkünften aus Kapitalvermögen sei eine Verrechnung der „Altverluste” grundsätzlich nicht mehr möglich, da Verluste aus Spekulationsgeschäften i.S.d. § 23 EStG nur mit Spekulationsgewinnen und nicht mit Kapitaleinkünften verrechnet werden könnten. Nach § 23 Abs.3 Satz 9 und 10 EStG sei jedoch eine Verrechnung von „Altverlusten” aus privaten Veräußerungsgeschäften mit später erzielten Veräußerungsgewinnen und Kapiteleinkünften i.S.v. § 20 Abs.2 EStG n.F. ermöglicht worden. Nach Ansicht der Finanzverwaltung sei eine Verrechnung der später entstandenen Kapitaleinkünfte mit den gesondert festgestellten „Altverlusten” jedoch nur beschränkt möglich, da bereits bei dem Kreditinstitut eine Verrechnung der Gewinne mit den im selben Jahre erzielten Verlusten bereits stattgefunden habe, so das lediglich der danach verbleibende Saldo zur Verrechnung mit den „Altverlusten” zur Verfügung stehen würde. Der Gesetzgeber habe eine Verrechnung der „Altverluste” auf der Ebene der Kreditinstitute vermeiden...