Entscheidungsstichwort (Thema)
Energiesteuerentlastung für Erdgasverbrennung zur Erzeugung von inertem Prozessgas
Leitsatz (redaktionell)
- Für das zur Herstellung von Kohlestaub durch Mahlen und Trocknen von Rohkohle verbrannte Erdgas ist die Energiesteuerentlastung nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG zu gewähren, da dessen Verbrennung nicht nur der Trocknung des Kohlestaubs dient, sondern hierdurch zugleich das für den Betrieb der Anlage ohne Explosionsgefahr erforderliche inerte Prozessgas erzeugt wird (Urteil im II. Rechtszug; vorgehend: BFH-Urteil vom 01.06.2022 – VII R 37/20, BFH/NV 2023, 218).
- Für die Verwendung des Erdgases zu anderen Zwecken als Heiz- oder Kraftstoff (doppelter Verwendungszweck) kommt es nicht auf die Rangfolge der Verwendungszwecke oder deren zeitliche Reihenfolge im Rahmen eines einheitlichen industriellen Prozesses an.
Normenkette
EnergieStG § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d; RL 2003/96/EG Art. 2 Abs. 4 Buchst. b
Streitjahr(e)
2012
Tatbestand
Die Klägerin betrieb an ihrem Standort in X-Stadt …Kohlemahlanlagen zur Herstellung von Kohlestaub durch Mahlen und Trocknen von stückiger Rohkohle. Die Anlagen bestanden jeweils aus der Kohlemühle, in die die Steinkohle eingegeben, gemahlen und mittels eines Ventilators durch einen Filter abgesogen wurde. Durch den Filter wurde der Kohlestaub abgetrennt und gesondert gelagert.
Um die Brand- und Explosionsgefahr, die von der in den Mahlanlagen hergestellten Staubkohle ausging, sicher zu vermeiden, musste die in den Anlagen vorhandene Luft einen soweit herabgesetzten Sauerstoffgehalt haben, dass die explosionskritische Sauerstoffgrenzkonzentration (14 Vol-% O2) mit angemessenem Sicherheitsabstand unterschritten wurde. Dazu waren die Anlagen mit einer Sauerstoffkonzentration von≪ 8 Vol-% O2 zu betreiben.
Zur Herabsetzung des Sauerstoffgehalts in der normalen Luft von ca. 21 Vol-% auf ≪ 8 Vol-% O2 wurde in die Mahlanlage während des Mahlprozesses ein inertes Prozessgas durchgeleitet. Dieses bestand aus Stickstoff, Kohlendioxid, Wasserdampf und einem geringen Anteil Sauerstoff (≪ 2 Vol-% O2). Das Prozessgas wurde in der Anlage eigens zu diesem Zweck durch Verbrennung von Erdgas und Beimischung von zuvor durchgeleitetem Prozessgas erzeugt. Beim Anfahren der Anlagen wurde es neben der Verbrennung des Erdgases durch gleichzeitiges Eindüsen von Stickstoff und Wasser erzeugt. Das Prozessgas, auch Brüden genannt, gewährleistete zuverlässig den notwendigen Explosionsschutz beim Normalbetrieb der Kohlemahlanlagen.
Die Mahlanlagen sind technisch so konzipiert, dass der Brüden während der gesamten Normalbetriebsdauer die Mahlanlage durchströmt und dort für einen Sauerstoffgehalt von ≪ 8 Vol-% O2 sorgt. Dabei wird das Prozessgas in einem Kreislauf geführt, d. h. mehrfach wiederholt verwendet und nimmt beim Durchströmen der Kohlemühle auch die in der Rohkohle gebundene und in der Mühle freigesetzte Feuchtigkeit auf. Hierdurch beschränkt sich die Notwendigkeit zur externen Zugabe von Wasser zum Prozessgas allein auf die Anfahrphase.
Die Kohlemahlanlagen arbeiteten entsprechend ihrer Betriebsgenehmigung wie folgt: Zum fünf bis zehn Minuten dauernden Anfahren der Anlage wurde der mit Erdgas betriebene Prozessgaserzeuger gestartet und auf Temperatur gebracht, während die eigentliche Kohlemühle und die Filteranlage noch abgekoppelt waren. Die Rauchgase entwichen über den Anfahrkamin, da sie für den Einsatz in der Kohlemühle noch zu heiß waren. In die Mühle und Filteranlage wurden gleichzeitig Stickstoff und - nicht regelmäßig - auch Wasser eingedüst, so dass der Sauerstoffgehalt in den Anlagen unter 2 Vol-% lag.
In den folgenden zehn bis 30 Minuten wurden zunächst der Anfahrkamin geschlossen, die Klappen zur Mühle geöffnet und der Hauptventilator und die Filterreinigung eingeschaltet. Mit dem Rauchgas wurde die Anlage auf eine Temperatur von mehr als 80°C gebracht. Zugleich wurden weiter Stickstoff und - nicht regelmäßig - Wasser eingedüst, um den Anstieg des Sauerstoffgehalts, der in der Mühle und in den Filteranlagen bis zu 10 Vol-% erreichen konnte, zu minimieren. Dadurch bildete sich eine aus Rauchgas und Stickstoff bestehende inerte Mischung, bei zusätzlicher Zugabe von Wasser ein aus Rauchgas, eingedüstem Wasser und Stickstoff bestehender Brüden.
Hatte die Anlage eine Temperatur von mehr als 80°C erreicht, wurden die Mühle und kurz danach die Rohkohlezuteilung zugeschaltet. Dadurch gelangte die Rohkohle, die einen Wasseranteil von 8-12% (durchschnittlich 10%) hatte, in die Kohlemühle. Die heißen Rauchgase verdampften Wasser aus der bis zu Staub zerkleinerten Rohkohle. Dadurch bildete sich ein inerter Brüden aus Rauchgas und Wasserdampf. Dieser und der durch den Hauptventilator erzeugte Sog beförderten zugleich die Staubkohle zum Filter. Im Filter wurde das Prozessgas bestehend aus Rauchgas und Wasserdampf von der Kohle getrennt. Die dort abgeschiedene Staubkohle wurde über Förderschnecken und Zellradschleusen aus dem Filter ausgetragen und pneumatisch zu den ...