Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Ablauf der Jahresfrist

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Ausnahmesituation wie die Verhinderung aufgrund höherer Gewalt, die zur Zulässigkeit eines nach Jahresfrist gestellten Wiedereinsetzungsantrags führt, setzt voraus, dass vor dem Ablauf dieser Frist die maßgeblichen, für eine Wiedereinsetzung sprechenden Tatsachen aus den dem Gericht vorliegenden Akten hätten erkannt werden können.

2. Der Umstand, dass der Kläger erst nach Ablauf der Jahresfrist von dem Gericht über das Fehlen eines fristwahrenden Antrags informiert worden ist, genügt diesen Voraussetzungen nicht.

 

Normenkette

FGO § 56 Abs. 3

 

Streitjahr(e)

1993

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 17.12.2003; Aktenzeichen XI R 28/03)

BFH (Urteil vom 17.12.2003; Aktenzeichen XI R 28/03)

 

Tatbestand

Die Klägerin war im Streitjahr (1993) und auch 1995 an einer, aus zwei natürlichen Personen bestehenden Personengesellschaft (angegebener Geschäftsleitungs- bzw. Verwaltungssitz E-Stadt), beteiligt, die mit Abgabe der Steuererklärung Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärt hatte. Der Eigentumsanteil der Klägerin an drei in D-Stadt gelegenen, in den Jahren 1993 - 1998 erworbenen und mit Mehrfamilienhäusern bebauten und sodann veräußerten Grundstücken betrug 80 %.

Im Anschluss an eine, bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung, beurteilte der Beklagte diese von der Klägerin betriebenen Grundstücksgeschäfte als gewerblichen Grundstückshandel und änderte die unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheide 1993 und 1995 unter Berücksichtigung der sich aus dem Grundstückshandel ergebenden Gewinne. Über die Umqualifizierung im Bereich der Einkunftsart übersandte der Beklagte dem zuständigen Feststellungsfinanzamt E-Stadt eine entsprechende Mitteilung.

Gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide legte die Klägerin Einsprüche ein mit der Begründung, dass sie an ihrer Wohnadresse in Z-Stadt keine Betriebsstätte unterhalte. Da sich die Geschäftsleitung in E-Stadt befunden habe, sei die örtliche Zuständigkeit des Wohnsitzfinanzamtes nicht gegeben. Soweit eine Umqualifizierung der Erträge auf der Ebene des Gesellschafters durch das Wohnsitzfinanzamt zu erfolgen habe, könne dies nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11.12.1997 (DSTR 1998, 525) nur dann der Fall sein, wenn sich die abweichende Einkünftezuordnung bei den einzelnen Gesellschaftern auf Grund außerhalb der Gesellschaft liegender Umstände ergäben. Einschlägige Aktivitäten habe die Klägerin nicht durchgeführt. Die Einkünfteermittlung sei auf der Ebene der vermögensverwaltenden Gesellschaft vorzunehmen (BFH-Urteil vom 20.11.1990, Bundessteuerblatt- BStBl - II 1991, 345). Dem Wohnsitzfinanzamt sei bezüglich des Grundstücks „...” mitgeteilt worden, dass weiterhin von der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung ausgegangen werde. Unter Berücksichtigung dieser Mitteilung und der Tatsache, dass ein (anteiliger) Verkauf außerhalb der Fünfjahresfrist liege, verbleibe nur ein Zählobjekt, so dass die Voraussetzungen für die Annahme eines gewerblichen Grundstückhandels nicht vorlägen.

Der Beklagte wies die Einsprüche als unbegründet zurück.

Die Klägerin hat jeweils Klage erhoben gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide 1993 und 1995 und die dazu ergangenen Einspruchsentscheidungen.

Während des Klageverfahrens hat der Beklagte mit Bescheiden vom 24.08.2000 Änderungsbescheide gemäß § 165 Abs. 2 Satz 1 Abgabenordnung (AO) für die Jahre 1993 und 1995 erlassen. In einer „zusätzlichen und ergänzenden Rechtsbehelfsbelehrung” führte der Beklagte in der Anlage zum Bescheid aus, dass innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dieses Bescheides beim Finanzgericht beantragt werden könne, (§ 68 Finanzgerichtsordnung - FGO -) den Änderungsbescheid zum Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens zu machen. Im Übrigen wurde in der Rechtsbehelfsbelehrung auf die Möglichkeit des Einspruchs hingewiesen.

Nachdem der Prozessbevollmächtigte der Klägerin durch den Berichterstatter mit Schreiben vom 07.03.2003 darauf hingewiesen worden war, dass in dem Klageverfahren wegen Einkommensteuer 1993 am 24.08.2000 ein Änderungsbescheid ergangen sei, gegen den - laut Auskunft des Finanzamts - kein Einspruch eingelegt und zudem auch innerhalb der vorgeschriebenen Frist kein Antrag nach § 68 FGO gestellt worden sei, erklärte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 17.03.2003:

Der Antrag gemäß § 68 FGO sei bezüglich des Streitjahres und des Änderungsbescheides vom 24.08.2000 rechtzeitig gestellt worden. Dies werde belegt durch das mitübersandte Duplikat der entsprechenden Antragstellung.

Das Duplikat weist als Ausstellungsdatum den 31.08.2000 aus. Mit Bezugnahme auf die Einkommensteuer 1993 sowie das Aktenzeichen 11 K 6623/99 E findet sich in diesem Schreiben der Antrag, den Änderungsbescheid vom 24.08.2000 gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.

Nach einem Telefongespräch mit dem Prozessbevollmächtigten bat der Bericht-...

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