rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Hausratswiederbeschaffungskosten bei Aussiedlern aus Kasachstan
Leitsatz (redaktionell)
- Aufwendungen für die Wiederbeschaffung von im Herkunftsland verbliebenem Hausrat eines Aussiedlers können nur als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden, wenn der Verlust auf einem unabwendbaren Ereignis beruht.
- Nach den Verhältnissen im Jahre 1995 bestand in Kasachstan für Volksdeutsche weder ein Zwang zum Verlassen des Landes aufgrund politischer Verfolgung noch zur entschädigungslosen Aufgabe des Hausrats.
Normenkette
EStG § 33
Tatbestand
Die Kläger, zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute, waren im Juli 1995 mit fünf Kindern aus Kasachstan in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt. In ihrer Einkommensteuererklärung für 1997 machten sie u.a. Aufwendungen für die Wiederbeschaffung von Hausrat in Höhe von 6.527 DM als außergewöhnliche Belastungen geltend. Ohne diese Aufwendungen zu berücksichtigen, setzte das beklagte Finanzamt die Einkommensteuer für 1997 auf 1.324 DM fest. Hiergegen erhoben die Kläger Einspruch. Sie vertraten die Auffassung, Wiederbeschaffungskosten von Hausrat und Kleidung seien als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen, weil sich die Übersiedlung nach Deutschland und der damit verbundene Verlust des Hausrates für sie als ein unabwendbares Ereignis dargestellt habe. In Kasachstan seien sie einer ständigen Diskriminierung bzw. politischem Druck ausgesetzt gewesen, mit dem Ziel, entweder ihre kulturelle Identität aufzugeben oder das Land zu verlassen. Dies werde durch die Spätaussiedlerbescheinigung belegt, wonach die Klägerin als Spätaussiedlerin nach § 4 des Bundesvertriebenengesetzes anerkannt sei. Darüber hinaus hätten die im Jahr 1991 übergesiedelten Eltern der Klägerin von der Bundesregierung eine Entschädigung (Eingliederungshilfe gemäß § 9a und § 9c des Häftlingshilfegesetzes) erhalten, weil sie als sowjetische Staatsbürger deutscher Volkszugehörigkeit aus ihren angestammten Siedlungsgebieten in die sibirischen und zentralasiatischen Teile der damaligen Sowjetunion verschleppt worden seien. Die Kläger verwiesen auf ein Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 13. Juli 1994 (5 K 2881/93, EFG 1994, 930), wonach deutsche Aussiedler aus Kasachstan Anspruch auf die Gewährung einer außergewöhnlichen Belastung wegen Wiederbeschaffung von Kleidung und Hausrat hätten.
Der Einspruch der Kläger blieb ohne Erfolg. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, die Wiederbeschaffungskosten von Hausrat seien hier nicht als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, weil sie nicht durch ein unabwendbares Ereignis und damit nicht zwangsläufig i. S. des § 33 Abs. 1 EStG entstanden seien. Bei Aussiedlungen vor 1990 habe die Finanzverwaltung die Zwangsläufigkeit der Übersiedlung und der damit verbundenen Wiederbeschaffungsaufwendungen anerkannt. Auch für eine Übersiedlung im Jahr 1990, auf die sich die Entscheidung des FG Rheinland-Pfalz und die in diesem Verfahren eingeholte Auskunft des Auswärtigen Amtes vom Mai 1994 beziehe, sei noch von einer Zwangsläufigkeit auszugehen gewesen. Nach den Feststellungen des Auswärtigen Amtes (Schreiben vom Juli 1997) hätten sich die Verhältnisse in Kasachstan jedoch ab 1992 grundlegend geändert. Hausrat könne nunmehr frei verkauft werden, Gelder könnten transferiert werden, theoretisch sei es sogar möglich, den gesamten Hausrat auszuführen, was allerdings wegen der hohen Transportkosten in der Regel nicht in Frage komme. Demgemäß sei die Wiederbeschaffung von Hausrat und Kleidung bei Übersiedlungen aus Kasachstan ab 1992 nicht mehr als zwangsläufig anzusehen.
Hiergegen richtet sich die Klage. Die Kläger sind weiterhin der Auffassung, die Wiederbeschaffungskosten stellten bei ihnen eine außergewöhnliche Belastung dar. Die Möglichkeit, den Hausrat in Kasachstan frei zu verkaufen, habe nur auf dem Papier bestanden. Praktisch sehe das anders aus. Wie auch aus den Medien bekannt sei, würden in Kasachstan Löhne, Gehälter und Renten - wenn überhaupt - bis zu sechs Monate verspätet ausbezahlt. Hinzu komme die hohe Inflation, was zur Folge habe, dass das Geld nach sechs Monaten nur noch die Hälfte wert sei. Insgesamt sei die Lage der Volksdeutschen in Kasachstan und in den anderen Republiken der ehemaligen Sowjetunion im Jahr 1995 sogar schlechter gewesen als 1990. Volksdeutsche dürften in Kasachstan weiterhin den deutschen Sitten und Bräuchen nicht nachgehen, sie dürften nicht deutsch sprechen, weil sie sonst als "Faschist" beschimpft würden. Hinzukomme, dass durch die Anerkennung Kasachstans als unabhängiger Staat im Jahr 1992 die "kasachische" Sprache, die nur von den Einheimischen gesprochen werde, offizielle Sprache geworden sei. Dadurch würden die Russlanddeutschen, die nur die russische Sprache gelernt hätten, diskriminiert. Die Eltern der Klägerin seien im Jahr 1948 nach Sibirien verschleppt worden und hätten unter Kommandaturbewachung gestanden. Die im Jahr 1954 geborene Klägerin sei ebenfalls der Kommandaturbewachung u...