Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung eines Einspruchs

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Bei der Angabe „Bescheid über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer” im Betreff des Einspruchs handelt es sich nur um die Wiedergabe der (Sammel-)Bezeichnung für die verschiedenen auf einem Papier zusammengefassten Verwaltungsakte, der bei der Bestimmung der Reichweite des Einspruchs durch Auslegung nach ihrem objektiven Erklärungswert keine weitere Bedeutung zukommt.
  2. Für eine Auslegung dahingehend, dass sich der Einspruchsführer mit einem unter diesem Betreff eingelegten Einspruch, mit dem nach dem Inhalt der Einspruchsbegründung allein Einwendungen gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags geltend gemacht werden, auch gegen die erklärungsgemäße Einkommensteuerfestsetzung wenden wollte, ist daher kein Raum.
  3. Wird eine Rente der privaten Rentenversicherung, die in der Abrechnung der Pensionskasse ohne weitere Unterscheidung nur § 22 Nr. 1 EStG zugeordnet ist, von dem FA erklärungsgemäß als Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem steuerpflichtigen Anteil von 50 % erfasst, ist die die ernsthafte Möglichkeit eines Subsumtionsirrtums nicht ausgeschlossen, so dass eine Korrektur des Bescheides nach § 129 AO ausscheidet.
 

Normenkette

AO §§ 129, 173 Abs. 1 Nr. 2, § 357 Abs. 3 S. 1; EStG i.d.F. des AltEinkG § 22 Nr. 1 S. 3a (aa); EStG i.d.F. des AltEinkG § 22 Nr. 1 S. 3a (bb); BGB § 133

 

Streitjahr(e)

2005

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 25.03.2010; Aktenzeichen X B 165/09)

 

Tatbestand

Die Kläger sind verheiratet und werden im Streitjahr 2005 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Die Steuererklärung für das Jahr 2005 fertigten die Kläger unter Mitwirkung ihres Prozessbevollmächtigten (Fachanwalt für Steuerrecht) an. In der Anlage R erklärten sie in Zeile 3 zwei Renten des Klägers in Höhe von a EUR (1. Rente) und b EUR (2. Rente). Beginn der Rente war jeweils der 01.10.1996 (Kläger geb.00.00.1936). Unter Kennziffer 100 war eine „1” eingetragen (Bedeutung 1 = aus gesetzlichen Rentenversicherungen). Bei der Bearbeitung der Erklärung wurden sämtliche in der Anlage R eingetragenen Beträge vom Sachbearbeiter des Finanzamtes mit dem Vermerk „Belegt” abgehakt.

Mit Bescheid für 2005 über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag vom 16.10.2006 setzte der Beklagte unter anderem die Einkommensteuer auf c EUR und den Solidaritätszuschlag auf d EUR fest. In den Erläuterungen zum Bescheid heißt es: „Die Besteuerung der Leistungen aus den gesetzlichen Rentenversicherungen, den landwirtschaftlichen Alterskassen und den berufsständischen Versorgungseinrichtungen hat sich geändert. Der steuerpflichtige Teil dieser Leistungen beträgt im Jahr 2005 einheitlich 50%.”

Mit Schriftsatz vom 18.10.2006 legten die Kläger vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten gegen den „Bescheid für 2005 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 16.10.2006” Einspruch ein mit folgender Begründung: Es werde auf das laufende Verfahren vor dem FG Münster (Az. 12 K 6263/03) verwiesen und gebeten die Veranlagung für vorläufig zu erklären. Zudem sei es unzumutbar, einen Solidaritätszuschlag zur Beköstigung von Landsleuten abzuführen, die 15 Jahre nach der Wende mit einem Anteil von ¼ der Bevölkerung Kommunisten wählten. Damit kehre diese Bevölkerung absichtlich zu den Ursachen für die katastrophalen Folgen zurück, die mit dem Solidaritätszuschlag beseitigt werden sollten. Jeglicher Grund für den Solidaritätszuschlag sei damit weggefallen.

Der Beklagte trug den Rechtsbehelf als sonstigen Einspruch gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags in die Rechtsbehelfsliste ein (vgl. Blatt 35 der Gerichtsakte).

Am 25.07.2006 reichten die Kläger die Einkommensteuererklärung für das Folgejahr (2006) beim Finanzamt ein. Der Erklärung war eine Pensionsabrechnung der C GmbH beigefügt mit dem Inhalt „Rente § 22 Nr. 1 EStG – b EUR. Handschriftlich wurde auf dem Beleg „§ 22 Nr. 1a (bb) EStG- Ertragsanteil!” vermerkt. In der Anlage R war diese Rente in den Zeilen 15 und 16 (b EUR, Beginn 01.10.1996) eingetragen. In Kenziffer 130 wurde vom steuerlichen Berater eine „6” vermerkt (Bedeutung= private Rentenversicherung). Mit Einkommensteuerbescheid für 2006 (23.09.2008) wurde diese Rente mit einem Ertragsanteil von 22% besteuert.

Ebenfalls am 25.07.2008 ging beim Beklagten ein „Antrag auf Änderung der Einkommensteuerveranlagung 2005” ein (Schreiben vom 23.07.2008). Die Kläger baten um entsprechende Korrektur der Veranlagung 2005, da sich im Rahmen der Erstellung der Einkommensteuererklärung 2006 herausgestellt habe, dass die von BA erhaltenen Betriebsrenten der Pensionskasse mit dem Ertragsanteil gemäß § 22 Nr. 1 a (bb) zu besteuern seien.

Mit Allgemeinverfügung gemäß § 367 Abs. 2b, §172 Abs. 3 AO) wurde der Einspruch gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlages 2005 als unbegründet zurückgewiesen.

Mit Bescheid vom 12.09.2008 lehnte der Beklagte den Antrag der Kläger auf Änderung des Einkommensteuerbescheides 2005 ab, weil ...

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