vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Stromsteuerentlastung, Unzulässigkeit staatlicher Beihilfen für Unternehmen in Schwierigkeiten – Power Purchase Agreements als Sicherungsmittel bei bilanzieller Überschuldung. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: VII R 14/21)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine bilanziell überschuldete KG, die ausschließlich ihre Kommanditisten mit dem von ihr erzeugten Strom beliefert, kann als Unternehmen in Schwierigkeiten i.S.d. § 2a Abs. 2 Satz 1 StromStG die Stromsteuerentlastung nach § 9b StromStG auch dann nicht in Anspruch nehmen, wenn ihre wesentlichen Risiken auf der Grundlage von langfristigen Power Purchase Agreements durch die Umlage der Kosten auf die Gesellschafter verlagert werden.

2. Der klare Wortlaut der die Zulässigkeit staatlicher Beihilfen begrenzenden Regelungen des StromStG und der AGVO lässt keinen Spielraum für eine einschränkende Auslegung des Begriffs eines ”Unternehmens in Schwierigkeiten“.

3. Die darin liegende Ungleichbehandlung mit anderen sich tatsächlich nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindenden Konkurrenzunternehmen ist gerechtfertigt, weil die Gewährung der Steuerentlastung anderenfalls gegen das unmittelbar anwendbare Durchführungsverbot nach Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV verstoßen würde (Anschluss an Urteil des Finanzgerichts München vom 06.06.2019 14 K 3001/18 , CuR 2019, 145).

 

Normenkette

StromStG § 2a Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 3, § 9b; AGVO Art. 1 Abs. 4 Buchst. c, Art. 2 Nr. 18 Buchst. B; AEUV Art. 107 Abs. 1, Art. 108 Abs. 3 S. 3; GG Art. 3 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung der Steuerentlastung nach § 9b des Stromsteuergesetzes (StromStG) .

Die Klägerin schloss mit ihren Kommanditisten, den Strom-Abnehmern, auf eine Laufzeit von mindestens 20 Jahre angelegte Stromlieferverträge (Power Purchase Agreements - PPA's). Den Abnehmern steht ein der Kommanditeinlage entsprechender Teil der Kraftwerkskapazität, der Kraftwerksanteil, zur Verfügung. Die Vollkosten des jeweiligen Kraftwerksanteils werden auf die Abnehmer umgelegt. Die Bepreisung des Strombezugs erfolgt über einen Leistungspreis, der die fixen Kosten der Errichtung und des Betriebs des Kraftwerks abdeckt, und einen Arbeitspreis, Benutzungspreis und Startpreis, der jeweils die variablen Kosten der Stromerzeugung (insb. die Brennstoffkosten) abbildet.

Der Leistungspreis setzt sich dabei aus verschiedenen Komponenten zusammen. Die Komponente ”LP1“ umfasst die Kapitalkosten auf der Basis der Finanzierungsverträge, die der Kreditfinanzierung zugrunde liegen. Zu den Kapitalkosten gehört ein Aufschlag zur Sicherstellung des von den Banken geforderten Schuldendienstdeckungsgrades.

Die Klägerin wies in ihren Bilanzen auf den 31.12.2016 und 31.12.2017 nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbeträge sowie Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten aus. Die Kommanditeinlagen waren vollständig durch Verluste aufgebraucht.

Sie beantragte am 18.05.2018 eine Steuerentlastung gem. § 9b StromStG für das Kalenderjahr 2017. Eine Selbsterklärung betreffend Unternehmen in Schwierigkeiten gab sie in dem amtlichen Formular nicht ab. Sie erläuterte, trotz der bilanziellen Überschuldung kein Unternehmen in Schwierigkeiten (UiS) zu sein. Die Finanzierungskosten würden wie alle sonstigen zahlungswirksamen Kosten zuzüglich eines pauschalen Aufschlags an die Kommanditisten weiterbelastet. Das Geschäftsmodell sei so angelegt, dass die Gesellschaft in den Anfangsjahren aufgrund der hohen Zinslast und der Abschreibungen Verluste erziele, obwohl keine Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne vorliege. Sobald der Zinsaufwand und die Abschreibungen sich reduzierten, werde die Gesellschaft Gewinne erzielen und die bilanzielle Überschuldung ausgleichen. Sie werde daher unabhängig von der Entwicklung der Kohle- und Strompreise in der Lage sein, ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen. Allerdings liege keine Patronatserklärung vor und es sei auch kein Ergebnisabführungsvertrag (mit den Abnehmern) abgeschlossen worden.

Das beklagte Hauptzollamt (HZA) lehnte den Antrag ab. Mit ihrem Einspruch führte die Klägerin ergänzend aus, sie befinde sich nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, weil sie sich durch die PPA's bis zum 30.06.2035 wirtschaftlich abgesichert habe. Dies zeige sich auch darin, dass sie am 31.12.2017 über Bankguthaben verfügt habe. Die Kriterien der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung ( Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17.06.2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AGVO), seien zu starr, zu weitreichend und teilweise nicht sachgemäß, um festzustellen, wann ein Unternehmen sich in Schwierigkeiten befinde.

Die Wirkung der PPA's sei der eines Ergebnisabführungsvertrages vergleichbar, weil alle Zahlungsverpflichtungen der Projektgesellschaft einschließlich des Schuldendienstes an die ...

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