Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Halbabzugsverbot bei Aufgabe- und Veräußerungsverlusten aus dem Anteilsverkauf von Kapitalgesellschaften unanwendbar
Leitsatz (redaktionell)
- Das Halbabzugsverbot für Anschaffungskosten (§ 3 c Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz EStG) ist bei verfassungskonformer Auslegung bei Verlusten aus der Veräußerung oder Aufgabe von Anteilen an Kapitalgesellschaften nicht anwendbar.
- Nur eine solche Auslegung berücksichtigt hinreichend das verfassungsrechtliche Gebot, die Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit auszurichten sowie das Gebot der Folgerichtigkeit.
- Ausnahmen von der folgerichtigen Umsetzung der Beschränkung des steuerlichen Zugriffs nach Maßgabe des objektiven Nettoprinzips als Ausgangstatbestand der Einkommensteuer bedürfen eines besonderen sachlich rechtfertigenden Grundes.
- Die dem Halbeinkünfteverfahren zugrunde liegende typisierende Unterstellung einer steuerlichen Vorbelastung von Gewinnen auf der Ebene der Kapitalgesellschaft rechtfertigt mangels einer entsprechenden Vorbegünstigung von Veräußerungsverlusten nicht, dass ein Teil des wirtschaftlich vom Steuerpflichtigen zu tragenden Verlustes steuerlich unberücksichtigt bleibt.
Normenkette
EStG § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2, § 17; GG Art. 3
Streitjahr(e)
2002
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Veräußerungsverlust i. S. d. § 17 Einkommensteuergesetz (EStG) wegen der Anwendung des so genannten Halbabzugsverbots gem. § 3 c Abs. 2 EStG bei der Steuerfestsetzung des Jahres 2002 nur zur Hälfte zu berücksichtigen ist.
Der Kläger kaufte im August 2000 insgesamt 87.500 Aktien der nicht börsennotierten AB-AG. Dieses Aktienpaket machte 12,5 % des Grundkapitals der AG i. H. v. 700.000 € aus. Auf die Aktien mit einem Nennwert von 1 € pro Aktie waren erst 0,25 € pro Aktie, d. h. für das 12,5 %-ige Aktienpaket 21.875 € eingezahlt. Diesen Betrag zahlte der Kläger als Kaufpreis. Das strategische Gesamtkonzept der AB-AG war ausgerichtet auf die Geschäftsfelder der Venture-Capital-Beteiligungen und des aktiven Eigenhandels mit Wertpapieren in den Marktsegmenten Neuer Markt in Deutschland und NASDAQ in den USA. Auf Grund der Börsenkrise entwickelte sich das Geschäft der AB-AG im Jahr 2001 immer schlechter. Die AB-AG wurde zum 01.01.2002 in C-AG umbenannt und durch Erweiterung des Geschäftsgegenstandes strategisch neu ausgerichtet. Da sich die geschäftlichen Erwartungen aber auch im weiteren Verlauf nicht erfüllten, verhandelte der Kläger im Herbst 2002 mit seinen Mitgesellschaftern über einen Ausstieg aus der AG. Die Mitgesellschafter erklärten sich bereit, sein Aktienpaket zu übernehmen. Da das eingezahlte Kapital aber längst aufgezehrt worden war und die Verbindlichkeiten nur durch die noch ausstehenden Einlagen der Gesellschafter abgedeckt wurden, bestanden die Mitgesellschafter auf einem finanziellen Ausgleich für die Übernahme der Haftung für die noch ausstehenden Einlagen. Mit Kaufverträgen vom 19. und 20.12.2002 übertrug der Kläger seine Aktien an die Mitgesellschafter und zahlte ihnen als Ausgleich für die Freistellung von der Haftung bezüglich der noch ausstehenden Einlagen weitere 21.875 €.
Den Verlust i. H. v. insgesamt 43.750 € erklärten die Kläger in ihrer Einkommensteuererklärung für 2002 als Veräußerungsverlust i. S. d. § 17 EStG.
Durch Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 30.03.2004 wurde die Einkommensteuer der Kläger unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ohne Berücksichtigung des erklärten Veräußerungsverlustes festgesetzt.
Die Kläger legten gegen den Einkommensteuerbescheid fristgerecht Einspruch ein. Daraufhin erließ der Beklagte am 12.05.2004 einen gem. § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid für 2002 und berücksichtigte negative Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb i. H. v. 21.875 €. Am 06.07.2004 änderte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid der Kläger erneut, an den Einkünften aus Gewerbebetrieb änderte sich jedoch nichts.
Mit Einspruchsentscheidung vom 04.05.2005 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung beruft sich der Beklagte darauf, dass gem. § 52 Abs. 4 a Nr. 2 EStG 2002 die Vorschrift des § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG anzuwenden sei, da für die Gesellschaft, deren Aktien verkauft worden seien, zu diesem Zeitpunkt bereits das neue Körperschaftsteuergesetz in der Fassung des Art. 3 des Gesetzes vom 23.10.2000 gegolten habe. Die bei der Ermittlung des Veräußerungsergebnisses zu berücksichtigenden Anschaffungs- und Veräußerungskosten dürften somit gem. § 3 c Abs. 2 EStG nur zur Hälfte abgezogen werden. Trotz eines vereinbarten Entgeltes von 0 € liege eine Veräußerung und damit der Tatbestand des § 17 EStG vor. § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG verstoße auch nicht gegen die Verfassung. Der Gesetzgeber habe bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weit reichenden Entscheidungsspielraum. ...