Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitpunkt der Realisierung eines Auflösungsverlustes aus GmbH-Beteiligung – Entstehung vor Abschluss der Liquidation – Anzeige der Masseunzulänglichkeit im Insolvenzverfahren – Möglichkeit der Auskehrung von Restvermögen – Einkünfteerzielungsabsicht bei Erwerb der Beteiligung
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Vorverlagerung der Entstehung des Auflösungsverlustes aus einer GmbH-Beteiligung auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt ungeachtet der Höhe der Überschuldung und der Anzeige der Masseunzulänglichkeit nicht in Betracht, wenn die GmbH noch über aktivierungsfähiges Vermögen verfügt und daher die Möglichkeit einer Auskehrung von Restvermögen an die Gesellschafter nicht ausgeschlossen werden kann.
2. Eine solche Möglichkeit kann insbesondere dann nicht ausgeschlossen werden, wenn ein Gesellschafter seine ausgefallene Darlehensforderung gegen die GmbH unter Berufung auf das Kleinanlegerprivileg als nicht nachrangiger Insolvenzgläubiger angemeldet hat.
3. Die steuerliche Berücksichtigung eines Auflösungsverlustes gemäß § 17 EStG setzt voraus, dass die Beteiligung in der Absicht erworben wurde, dadurch einen Gewinn zu erzielen.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 2 S. 1, § 17 Abs. 1-2, 4; HGB § 255 Abs. 1 S. 2; GmbHG § 60 Abs. 1 Nr. 4; InsO § 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 5
Streitjahr(e)
2014
Tatbestand
Streitig ist, ob im Jahr 2014 ein Auflösungsverlust i. S. des § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 320.001 Euro aus der Beteiligung der Klägerin an der Z GmbH (GmbH) zu berücksichtigen ist.
An der GmbH, die ein Stammkapital von 25.000 Euro hat, waren seit 2007 Herr Y zu 66,66 % (16.650 Euro) und Frau X zu 33,34 % (8.350 Euro) beteiligt. Geschäftsführer war seit 2008 Herr W . Mit notariellem Vertrag vom 18. März 2014 erwarb die Klägerin zum einen den Geschäftsanteil von Frau X in voller Höhe zu einem Kaufpreis von 1 Euro und zum anderen von Herrn Y weitere Geschäftsanteile im Nennwert von 8.325 Euro zu einem Kaufpreis von ebenfalls 1 Euro. Als weitere „Gegenleistung“ verpflichtete sich die Klägerin, der Gesellschaft bis spätestens zum 15. April 2014 ein Gesellschafterdarlehen in Höhe von 320.000 Euro zur Verfügung zu stellen. Die Abtretung der Geschäftsanteile war aufschiebend bedingt durch die vollständige Erbringung des vorgenannten Darlehens.
Am 19./20. März 2014 trafen die GmbH, die Klägerin, die V GmbH und die A Bank eine Vereinbarung, durch die eine Vereinbarung vom 29./30. Januar 2014 ersetzt wurde. In jener Vereinbarung wird festgehalten, dass die GmbH gegenüber der A Bank näher bezeichnete Verbindlichkeiten in Höhe von rd. 514.000 Euro habe. Für diese Verbindlichkeiten bestünden verschiedene Sicherheiten im Wert von 827.578,36 Euro (so die Angaben in der Fassung Bl. 45 der Gerichtsakte - GA -) bzw. 927.578,36 Euro (so die Angaben in der Fassung Bl. 110 GA). Unter den dort genannten Sicherheiten ist auch ein Schuldanerkenntnis der Klägerin in Höhe von 150.000 Euro genannt. In der Vereinbarung vom 19./20. März 2014 wird ausgeführt, dass die Fälligstellung der Forderungen und die Verwertung der Sicherheiten möglicherweise die Insolvenz sowohl der GmbH als auch zweier Sicherungsgeber zur Folge haben könne. Um dies zu vermeiden, wurde vereinbart, dass die A Bank einen Teil der von ihr gehaltenen Sicherheiten zunächst treuhänderisch und nach Erhalt von 320.000 Euro endgültig an die B-Bank in C-Stadt herausgeben sollte. Die Klägerin verpflichtete sich, eine Einmalzahlung in Höhe von 320.000 Euro an die A Bank auf die Forderungen derselben gegen die GmbH zu leisten, und zwar 14 Tage nach der treuhänderischen Übertragung der Sicherheiten, jedoch frühestens am 31. März 2014. Im Gegenzug verpflichtete sich die A Bank, die Klägerin bei vollständigem Eingang der Einmalzahlung aus deren Schuldanerkenntnis über 150.000 Euro zu entlassen.
Am 10. April 2014 schloss die Klägerin mit der GmbH einen „Darlehens- und Sicherheitenvertrag“. Das hiernach von ihr an die GmbH zu gewährende Darlehen in Höhe von 320.000 Euro sollte mit einem Zinssatz von 8,5 % pro Jahr verzinst werden. Als Laufzeitende wurde - vorbehaltlich einer ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung - der 30. Juni 2017 vereinbart. Eine ordentliche Kündigung war mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten jeweils zum Kalendermonatsende möglich, eine außerordentliche Kündigung mit sofortiger Wirkung u. a. dann, wenn gegenüber dem Darlehensnehmer ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahren gestellt und nicht innerhalb von vier Wochen zurückgenommen wurde. Zur Absicherung des Darlehens übereignete die GmbH der Klägerin vier PKW im Wert von 18.000 Euro (so die Fassung Bl. 117 GA) bzw. fünf PKW im Wert von 38.000 Euro (so die Fassung Bl. 53 GA) und das Ersatzteillager im Wert von 40.000 Euro zur Sicherheit.
Die Klägerin nahm mit Vertrag vom 17. April 2014 bei der B-Bank in C-Stadt einen Kontokorrentkredit über 220.000 Euro sowie ein Tilgungsdarlehen über 100.000 Euro auf und wies die B-Bank in C-Stadt an, die Gesam...