Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlass eines weiteren Haftungsbescheids nach bestandskräftigem Haftungsbescheid für das erste Quartal desselben Kalenderjahres
Leitsatz (redaktionell)
Ist wegen verdeckter Gewinnausschüttungen im ersten Quartal eines Kalenderjahres bereits ein bestandskräftiger Haftungsbescheid für Kapitalertragsteuer gegenüber dem Entrichtungsschuldner erlassen worden, so kann in offener Festsetzungs- und Verjährungsfrist ein weiterer Haftungsbescheid für die restlichen Monate desselben Kalenderjahres ergehen, dem allein diesem Zeitraum zuzuordnende Lebenssachverhalte und damit andere Haftungsansprüche zugrunde liegen.
Normenkette
AO § 191 Abs. 3 S. 4, Abs. 5 Nr. 1; EStG § 44 Abs. 5 S. 1, § 44a Abs. 1 S. 4, § 45a Abs. 1 S. 1; KStG § 50 Abs. 1 Nr. 2
Streitjahr(e)
1991
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides betreffend im Jahr 1991 entstandener Kapitalertragsteuer.
Unternehmensgegenstand der Klägerin ist der Verkauf und die Vermietung von elektronischen Produkten. Alleingesellschafterin der Klägerin ist eine Firma „J” Co. Ltd., „U-Stadt (Japan)”; die Klägerin hat ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr vom 01.04. bis zum 31.03. Gegenstand von Prüfungen des Finanzamts für Groß-Betriebsprüfung „N-Stadt” waren auch Verrechnungspreise im Verhältnis der Klägerin zu ihrer Muttergesellschaft. Hier sollten - was nicht streitig ist - verdeckte Gewinnausschüttungen angesetzt werden.
Nach der Prüfungsanordnung vom 13.08.1993 bezog sich eine erste Prüfung des Finanzamts für Groß-Betriebsprüfung „N-Stadt” auf die Veranlagungssteuern 1988 bis 1991 und auf die „Kapitalertragsteuer 1988-1991”. Im Rahmen dieser Prüfung erging ein Schreiben des Beklagten vom 28.12.1994 an die Klägerin (als Zustellungsbevollmächtigte ihrer Muttergesellschaft), mit dem ein „Hinweis gemäß § 171 Abs. 6 der deutschen Abgabenordnung (AO) über Ermittlungshandlungen im Sinne des § 92 AO” erteilt wurde. Gleichzeitig wurde „die Steuerfestsetzung bezüglich der Kapitalertragsteuer für die Jahre 1990 und 1991” nach „§§ 165 Abs. 1 Satz 4 und 171 Abs. 8 AO” ausgesetzt (für Einzelheiten wird auf das Schreiben verwiesen). In Textziffer 44 des Außenprüfungsberichts vom 15.10.1996 wird die verdeckte Gewinnausschüttung für den Zeitraum 01.04.1990 bis 31.03.1991 mit 500.000 DM beziffert und die Kapitalertragsteuer mit 166.666 DM ermittelt (für Einzelheiten wird auf den Außenprüfungsbericht verwiesen). Unter dem 16.01.1997 erließ der Beklagte einen Haftungsbescheid („Kapitalertragsteuer 1990 bzw. 1991”), in dem unter Hinweis auf den „Betriebsprüfungsbericht vom 15.10.96, Tz. 44” als „Kapitalertragsteuer 1991” ein Betrag von 166.666 DM ausgewiesen ist. Der Bescheid trägt den Zusatz, dass die Festsetzung der Kapitalertragsteuer 1991 vorläufig im Sinne § 165 Abs. 1 AO sei (für Einzelheiten wird auf den Haftungsbescheid Bezug genommen).
Im Zuge einer Prüfung der folgenden Wirtschaftsjahre – die Prüfungsanordnung vom 10.07.1996 verweist auch auf „Kapitalertragsteuer 1992-1994” - wurde eine „tatsächliche Verständigung” über die Höhe von anzusetzenden verdeckten Gewinnausschüttungen getroffen. Nach Tz. 35 des Außenprüfungsberichts vom 22.12.1997 und dem Protokoll über die tatsächliche Verständigung vom 10.09.1998 sollte auf das Wirtschaftsjahr 1991/1992 ein Betrag von 1.500.000 DM entfallen, wobei dabei eine zeitanteilige Aufteilung für die Kapitalertragsteuer vereinbart wurde (für 1991 damit 9/12 des Betrages, damit 1.125.000 DM). Auf dieser Grundlage erließ der Beklagte unter dem 08.12.1998 einen Haftungsbescheid zur Kapitalertragsteuer, in dem er einen Betrag „Kapitalertragsteuer 1991 (01.04. bis 31.12.)” in Höhe von 281.250 DM berücksichtigte. In diesem Bescheid wurde die Kapitalertragsteuer 1994 „nach § 165 Abs. 1 AO vorläufig gesetzt, weil der Sachverhalt lediglich bezüglich des Zeitraumes 01.01.1994 bis 31.03.1994 geprüft werden konnte”. Im Übrigen wurde der Haftungsbescheid vom 16.01.1997, soweit er bisher „vorläufig” war (Kapitalertragsteuer 1991), gemäß § 165 Abs. 2 AO für endgültig erklärt (für Einzelheiten wird auf den Haftungsbescheid Bezug genommen).
Das Einspruchsverfahren der Klägerin gegen den Haftungsbescheid vom 08.12.1998 blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 16.05.2002).
Mit der dagegen erhobenen Klage macht die Klägerin insbesondere geltend, dass der Haftungsbescheid vom 08.12.1998 wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung für die Kapitalertragsteuer 1991 nicht mehr habe ergehen dürfen. Der Haftungsbescheid vom 08.12.1998 sei auch rechtswidrig, da der Haftungsbescheid vom 16.01.1997 bestandskräftig geworden und eine Berichtigung dieses Bescheides nicht mehr möglich sei.
In der mündlichen Verhandlung wurde die Frage der inhaltlichen Bestimmtheit eines Haftungsbescheids auf der Grundlage des Urteils des Bundesfinanzhofs - BFH - VII R 194/83 vom 12.03.1985, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - B...