rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerhinterziehung mit bedingtem Vorsatz

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Für den bedingten Vorsatz der Steuerhinterziehung genügt es, wenn der Täter zwar nicht in rechtstechnischer Beurteilung, aber doch in einer seiner Gedankenwelt entsprechenden allgemeinen Bewertung das Unrechtmäßige seiner Tat erkennen musste oder hätte erkennen können. Auf einen vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum kann er sich dann nicht berufen.
  2. Für die Erfüllung dieser Voraussetzungen bei der Nichterklärung von Zinseinnahmen aus Geldanlagen bei einer türkischen Bank sprechen folgende Umstände:

- langjährig Ansässigkeit der Stpfl. in Deutschland

- regelmäßige Abgabe von Einkommensteuererklärungen

- Verneinung von Kapitaleinnahmen über dem Freibetrag

- Quellensteuerpflicht der Einnahmen

- Höhe der Geldanlagen

- Bareinzahlung trotz bestehender Bankverbindung

- Inanspruchnahme bestehender Steuervergünstigungen.

 

Normenkette

AO § 169 Abs. 2 S. 2, § 370 Abs. 1; StGB § 16 Abs. 1 S. 1; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7; DBA-Türkei Art. 11; DBA-Türkei Art. 23

 

Streitjahr(e)

1993, 1994, 1995

 

Tatbestand

Die Kläger sind türkische Staatsangehörige und im Inland nichtselbständig tätig.

In den Streitjahren 1993 und 1995 erklärten sie Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von

Kläger

Klägerin

1.

71.172 DM

16.895 DM

2.

74.210 DM

5.502 DM

Das Vorliegen von Einnahmen aus Kapitalvermögen von mehr als 6.100 DM (12.200 DM bei Zusammenveranlagung) wurde im Mantelbogen der Einkommensteuererklärungen verneint.

Die Einkommensteuererklärung 1993 ging am 20.4.1994, die Erklärung für 1995 am 27.12.1996 bei dem Beklagten ein. Die Veranlagungen wurden erklärungsgemäß durchgeführt.

Nachdem der Beklagte Kenntnis davon erlangt hatte, dass die Kläger Zinseinkünfte aus Geldanlagen bei der Türkischen Zentralbank bezogen hatten, änderte er die Einkommensteuerbescheide 1993 und 1995 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO am 1.12.2003 und berücksichtigte Einnahmen aus § 20 EStG in Höhe von

Kläger

Klägerin

1.

19.530 DM

12.264 DM

2.

19.528 DM

18.158 DM

Gegen die Bescheide legten die Kläger Einspruch ein mit der Begründung, es sei Festsetzungsverjährung eingetreten.

Der Beklagte wies den Einspruch zurück mit der Begründung, die Festsetzungsfrist betrage zehn Jahre, da die Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung vorlägen. Die Kläger hätten in den Steuererklärungen für die Streitjahre ausdrücklich das Vorliegen von Kapitaleinkünften verneint. Erläuterungen zur Versteuerung ausländischer Kapitalerträge seien den Anlagen KSO regelmäßig beigefügt. Die Kläger lebten seit 30 Jahren im Inland und müssten der deutschen Sprache mächtig sein.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage tragen die Kläger vor:

Die Kläger seien auf Grund der Werbung in den türkischen Medien auf die Anlage bei der Türkischen Zentralbank aufmerksam geworden. Die Türkische Zentralbank habe den im Ausland lebenden türkischen Gastarbeitern angeboten, ihre Ersparnisse bei ihr anzulegen. Sie habe eine groß angelegte Werbemaßnahme gestartet und durch Infoveranstaltungen in den Räumen von Moscheen und Kulturvereinen für die Anlagemöglichkeit geworben. Auf Hinweis des Repräsentantenbüros der Zentralbank in Frankfurt hätten die Kläger die A-Bank aufgesucht, um bei der Türkischen Zentralbank Geld anzulegen. In der Filiale der A-Bank in E-Stadt seien stapelweise vorhandene Überweisungsbelege vorhanden gewesen, mittels deren die Kläger Geld an die Zentralbank überwiesen hätten. Der Kläger könne sich nicht erinnern, dass die Bankmitarbeiter, die ihn betreut hätten, auf die steuerlichen Pflichten in Deutschland aufmerksam gemacht hätten. Auch von der Türkischen Zentralbank hätten die Kläger bezüglich der Steuerpflicht der Zinseinkünfte in Deutschland keine Hinweise erhalten. Die Zentralbank habe den Klägern Bankbescheinigungen übersandt, aus denen zu entnehmen gewesen sei, dass Steuern von 15 % einbehalten und an das türkische Finanzamt abgeführt worden seien. Ein Hinweis auf eine Zinsbesteuerung in Deutschland sei nicht erfolgt. Die Zentralbank habe zudem damit geworben, dass die Zinseinkünfte in den Wohnsitzländern steuerfrei seien. Die Kläger hätten daher die Steuerpflicht in Deutschland nicht gekannt.

Die Kläger, die nur Einkünfte aus ihrer nichtselbständigen Tätigkeit bezogen hätten, hätten keinen steuerlichen Berater. Nachdem die Kläger zunächst schriftsätzlich ausgeführt hatten, die Einkommensteuererklärungen seien von verschiedenen Mitarbeitern von Lohnsteuerhilfevereinen ausgefüllt worden, keiner dieser Mitarbeiter habe die Kläger nach Zinseinkünften gefragt, haben sie in der mündlichen Verhandlung dargelegt, die Erklärungsvordrucke hätten sie in einem türkischen Café ausfüllen lassen und nur noch unterschrieben, hierfür hätten sie jeweils 20 DM zahlen müssen.

Die Kläger beantragen,

die geänderten Einkommensteuerbescheide 1993 und 1995 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 24.11.2004 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt Klageabweisung.

Er trägt vor:

Es sei nicht glaubhaft, dass die Kläger ...

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