vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld: Mehraktige einheitliche Erstausbildung zur Volljuristin mit Schwerpunkt Steuerrecht
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei der Weiterbildung einer Dipl.-Finanzwirtin zur Volljuristin mit Schwerpunkt Steuerrecht im Rahmen eines zum nächstmöglichen Zeitpunkt parallel zu der Teilzeiterwerbstätigkeit (70 %) im erlernten Beruf begonnenen berufsbegleitenden Studiums handelt es sich nicht um einen Teil einer einheitlichen mehraktigen Erstausbildung, weil die Ausbildung zur Dipl.-Finanzwirtin keine typische Zwischenstufe zur Erreichung eines weiterführenden Abschlusses, sondern eine eigenständige Basis für eine qualifizierte Berufsausübung darstellt.
2. Der Kindergeldanspruch wird daher durch die nach dem ersten berufsqualifizierenden Abschluss ausgeübte Erwerbstätigkeit mit mehr als 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit ausgeschlossen.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a, c, Sätze 2-3
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin bezog Kindergeld u. a. für ihre im Mai 1999 geborene Tochter…(im folgenden: T). Diese hatte im Anschluss an ihre Schulausbildung (Abitur) im September 2017 eine dreijährige Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin (duales Studium) bei der Finanzverwaltung NRW begonnen und im August 2020 erfolgreich abgeschlossen. Die Beklagte (im folgenden: Familienkasse) hob die Kindergeldfestsetzung zunächst ab August 2020 auf, weil T ihre Berufsausbildung voraussichtlich bis Juli 2020 beendet haben dürfte (Bescheid vom 1.07.2020).
Hiergegen wandte sich die Klägerin und wies nach, dass die Ausbildung erst im August 2020 abgeschlossen war und dass sich T zum Wintersemester 2020/21 an einer Hochschule beworben hatte; deshalb werde ihre aktuelle Berufsausbildung fortgeführt und voraussichtlich erst nach dem Mai 2024 (Vollendung des 25. Lebensjahres) beendet. Die Tochter habe nur die erste Etappe zum endgültigen Berufsziel „Finanzrichterin“ abgeschlossen; bereits nach dem Abitur habe sie sich Gedanken über den besten Weg zu einer qualifizierten Steuerrechtsausbildung gemacht. Das ab Oktober 2020 aufgenommene Studium der Rechtswissenschaft (mit dem Ziel: 1. Staatsexamen) an der ...-Universität X-Stadt (Immatrikulationsbescheinigung wurde vorgelegt) stelle die Fortsetzung einer einheitlichen Erstausbildung dar. Der Monat September 2020 sei als Übergangszeit zu berücksichtigen.
Die Familienkasse gewährte der Klägerin daraufhin für den Monat August 2020 umgehend das Kindergeld (Bescheid vom 24.08.2020), lehnte aber eine weitergehende Kindergeldgewährung ab September 2020 ab (weiterer Bescheid vom 24.08.2020). Zur Begründung führte sie aus, T habe eine erste Berufsausbildung abgeschlossen und neben einer weiteren Ausbildung eine nach § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) schädliche Erwerbstätigkeit ausgeübt.
Hiergegen erhob die Klägerin Einspruch. Sie erklärte, die Tochter habe ihr angestrebtes Berufsziel erkennbar noch nicht erreicht. Damit könne auch die weiterführende Ausbildung (Jurastudium) als Teil der Erstausbildung zu qualifizieren sein. Entscheidend sei, dass neben dem zeitlichen Zusammenhang ein enger sachlicher Zusammenhang bestehe. Dieser liege vor, wenn die nachfolgende Ausbildung z. B. dieselbe Berufssparte oder denselben fachlichen Bereich betreffe. Die Tochter habe beim Finanzamt ein duales Studium mit Schwerpunkt Steuerrecht absolviert. Im Rahmen des theoretischen Teils seien weiterführend die Thematiken des privaten Rechts, sowie des öffentlichen Rechts umfassend besprochen worden. Die hohe Qualität dieses Fachhochschulstudiums ermögliche eine Anrechnung der dort geschriebenen Klausuren (Teilqualifikationen) im Rahmen des jetzigen Jura-Studiums. Auch das grundsätzlich im Rahmen des Jura-Studiums erforderliche Verwaltungspraktikum entfalle, weil T durch die Arbeit im Finanzamt bereits verwaltungsrechtliche Strukturen kenne. Die Tochter habe die ...Universität X-Stadt insbesondere deswegen ausgewählt, weil hier die Wahl des Schwerpunktfachs „Steuerrecht“ bestehe.
Der angestrebte Beruf der Tochter sei Finanzrichterin und nicht Sachbearbeiterin im Finanzamt. Hierfür spreche auch, dass diese bereits eine Teilzeit-Stelle auf 70 % beantragt und genehmigt erhalten habe. Eine Minderung der Arbeitszeit im Rahmen der Finanzverwaltung sei aber erst zum 01.12.2020 und zunächst auch lediglich auf 70% möglich, solange sich die Tochter noch in der Probezeit befinde. Andernfalls wäre unmittelbar eine Teilzeit auf 50°% (Arbeitszeit unter 20 Stunden/Woche) beantragt worden, weil der Fokus und der Berufsmittelpunkt der Tochter im Jura-Studium liege. Ein Ausscheiden aus der Finanzverwaltung komme nur deshalb nicht in Betracht, weil in diesem Fall eine „Ablösezahlung in Höhe von 25.000 €“ zu leisten wäre.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 19.01.2021). Zur Begründung führte die Familienkasse aus, die Tochter T habe ber...