Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsteuerabzug aus Strohmanngeschäften

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Der Vorsteuerabzug aus Strohmanngeschäften ist nur zu versagen, wenn der Leistungsempfänger weiß oder davon ausgehen muss, dass der Strohmann keine eigene --ggf. auch durch Subunternehmer auszuführende-- Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen will und die Rechtswirkungen des Geschäfts deshalb allein zwischen dem Leistungsempfänger und dem „Hintermann” eintreten sollen (vgl. BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 15/09, BFH/NV 2011, 867; BFH-Beschluss vom 31.1.2002 V B 108/01, BStBl II 2004, 622).
  2. Bei der Vermittlung von Schrottlieferungen durch einen mündlich bevollmächtigten Vertreter, der sowohl die hierüber erteilten Gutschriften als auch die gegen hinterlegte Blanko-Quittungen des Vollmachtgebers erfolgenden Barzahlungen in Empfang nimmt und die Anlieferungen mit eigenen LKW ausführt, kann die Kenntnis des Leistungsempfängers von einem tatsächlich dem Vertreter als Hintermann zuzurechnenden Strohmanngeschäft aufgrund der Gesamtumstände des Einzelfalls zu verneinen sein.
 

Normenkette

UStG § 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 3, Abs. 4 Nr. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1; AO § 41 Abs. 2; BGB § 164 Abs. 1, §§ 167, 179

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 07.12.2016; Aktenzeichen XI R 31/14)

BFH (Beschluss vom 07.12.2016; Aktenzeichen XI R 31/14)

 

Tatbestand

Streitig ist der Vorsteuerabzug aus Gutschriften der Klägerin über Schrottlieferungen, die die A Ltd., eine Fa. B, einen Stahlhandel C und die D GmbH als Lieferanten ausweisen.

Die Klägerin war seit 1992 schwerpunktmäßig im Handel von aufbereiteten Schrotten tätig …. Sie stellte ihre aktive Handelstätigkeit im November 2007 ein, besteht aber bis heute noch fort.

Einziger Komplementär ist die E GmbH, die in den Streitjahren durch die Geschäftsführer F und G vertreten wurde.

In der am 14.4.2008 Umsatzsteuerjahreserklärung 2006 erklärte die Klägerin u.a. steuerpflichtige Umsätze iHv xx €, steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen iHv xx €, und xx € Vorsteuer.

Die mit ihr verbundene, noch heute tätige H GmbH & Co. KG (im Folgenden: H), ist ein zertifizierter Entsorgungsfachbetrieb, der vorwiegend damit beschäftigt ist, Altschrotte von kleineren Schrotthandelsunternehmen bzw. aus Abbrüchen sowie Neuschrotte aus Produktionsabfällen anzukaufen und aufzubereiten. Sie hat ihren Sitz ebenfalls im … Hafengebiet, …. In den Streitjahren war die H GmbH der einzige persönliche haftende Gesellschafter, die durch die Geschäftsführer F und I vertreten wurde.

H hatte ein Gelände, () , zunächst an J, vom 1.2.2005-31.12.2008 dann an die K G mbH, deren Geschäftsführer J und L waren, für 3.000 € monatlich untervermietet.

Mit J unterhielt die Klägerin schon seit Jahren geschäftliche Beziehungen. J entstammt einer Familie, die seit Jahrzehnten im Schrotthandel tätig war.

Im Jahr 2002 kam über M, einem ehemaligen Mitarbeiter von J, der einige Jahre zuvor zu der Klägerin gewechselt und dort im Einkauf tätig war, die Geschäftsbeziehung mit J zustande. M kaufte sowohl für die Klägerin als auch für H ein. Da die Klägerin schwerpunktmäßig mit fertigem Schrott handelte, die H hingegen unverarbeiteten Schrott erwarb und weiterverarbeitete, konnte M je nach Angebot den richtigen Abnehmer vermitteln.

Da J überwiegend Vorstufen-Schrott anbot, kamen meist Verträge mit H zustande. In geringem Umfang lieferte er jedoch auch der Klägerin Fertig-Schrott.

Anfangs fand die Geschäftsabwicklung nur über M statt. Später nahm J dann direkt Kontakt mit dem Zeugen N, der bei H angestellt, aber auch für die Klägerin tätig war, und u.a. für den Einkauf verantwortlich war, auf.

J trat seit 2002 stets mit unterschiedlichen Firmen gegenüber der Klägerin und H auf, bei denen er Gesellschafter/und oder Geschäftsführer war.

Im Einzelnen waren dies (angegeben sind jeweils die erste u letzte Abrechnung):

()

Den ständigen Wechsel der Gesellschaften erklärte J nach Angaben der Klägerin damit, dass er die Gesellschaften mit unterschiedlichen Gesellschaftern betrieb, mit denen sich Meinungsverschiedenheiten ergeben hätten.

J kam nach jedem Firmenwechsel zu der Klägerin und H und legte bei der ersten Anlieferung durch die neue Firma jeweils einen Handelsregisterauszug oder eine Gewerbeanmeldung, einen Personalausweis sowie eine Unbedenklichkeitsbescheinigung vor. Dies entsprach den Anforderungen, die die Klägerin und H an jeden neuen Lieferanten stellten.

Im Jahr 2006 teilte J nach Angaben der Klägerin mit, er wolle seine eigene Firma O GmbH & Co.KG (im Folgenden: O) wegen einer geplanten Privatinsolvenz ruhen lassen, und trete nur noch als Vermittler für andere Firmen auf.

Ab Mai 2006 gab er an, für die Firma A Ltd . als Vermittler tätig zu sein. An diese erteilte die Klägerin 19 Gutschriften im Zeitraum Juli bis Dezember 2006 und H 59 Gutschriften im Zeitraum Mai 2006 bis Januar 2007.

Der Generalbevollmächtigte der Fa A Ltd. (im Folgenden: A Ltd.) P war zur Begründung der Geschäftsbeziehung zusammen mit J persönlich bei dem Zeugen N vorstelli...

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