Entscheidungsstichwort (Thema)
Verhältnis von Steuerfestsetzung und Verlustfeststellung – Neuregelung durch § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG i.d.F. des JStG 2010 – Zuweisung der Einkünfteermittlung zum Verfahren der Einkommensteuerfestsetzung
Leitsatz (redaktionell)
- Die Neuregelung des Verhältnisses von Einkommensteuerfestsetzung und Verlustfeststellung durch § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG i.d.F. des JStG 2010 hat zur Folge, dass im Verfahren zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags keine eigenständige Einkünfteermittlung mehr stattfindet (Anschluss an BFH-Urteil vom 13. Januar 2015 IX R 22/14, BFHE 248, 530, BStBl II 2015, 829).
- Rechtsschutz gegen eine unzutreffende Ermittlung der bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte kann der Steuerpflichtige nur noch durch Anfechtung des Einkommensteuerbescheides und nicht durch Anfechtung des Verlustfeststellungsbescheides erlangen.
- Eine Beschwer durch eine Einkommensteuerfestsetzung auf null Euro ist daher auch gegeben, wenn der Steuerpflichtige den Ansatz des Gesamtbetrags der nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte im Rahmen der Besteuerungsgrundlagen rügt und diese nach seinem Vortrag zu einem höheren verbleibenden Verlustvortrag führen.
- § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG soll nur verhindern, dass Einwände gegen die einer materiell bestandskräftigen Steuerfestsetzung zugrunde liegenden Besteuerungsgrundlagen originär im Verfahren betreffend den Verlustfeststellungsbescheid vorgebracht werden.
- Werden solche materiell-rechtlich berechtigten Einwände dagegen aufgrund eines Rechtsbehelfs oder eines verfahrensrechtlich eröffneten Änderungsbegehrens gegenüber der Einkommensteuerfestsetzung geltend gemacht, ist eine Aussetzung des Verfahrens um die Rechtmäßigkeit des Verlustfeststellungsbescheides geboten.
Normenkette
EStG i.d.F. des JStG 2010 § 10d Abs. 4 S. 2; EStG i.d.F. des JStG 2010 § 10d Abs. 4 S. 4 Hs. 2; EStG i.d.F. des JStG 2010 § 10d Abs. 4 S. 5; AO § 157 Abs. 2, § 171 Abs. 10 S. 1, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 182 Abs. 1 S. 1, §§ 350, 351 Abs. 2; FGO § 40 Abs. 2, § 74
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Verlust aus der Vermietung von Einrichtungsgegenständen in Höhe von 6.854 Euro, ein Überschuss der Aufwendungen über die Einnahmen aus der Vermietung des Grundstücks ...straße 12-14 in A in Höhe von 45.237 Euro und ein Verlust des Klägers aus der Beteiligung als stiller Gesellschafter an der B GmbH (...straße 12-14, A) in Höhe von 120.000 Euro bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte für den Veranlagungszeitraum 2011 (Streitjahr) zu berücksichtigen sind.
Die Kläger, zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehegatten, vermieten seit 2001 das Grundstück ...straße 12-14 in A an die B GmbH (GmbH). Geschäftsführer der GmbH ist der Sohn der Kläger (). Der Kläger vermietet der GmbH überdies betriebsnotwendige Einrichtungsgegenstände. Er beteiligte sich zudem am 1. Juli 2008 als stiller Gesellschafter an der GmbH. Nach einer als „Vertrag Einlage 3” bezeichneten Vereinbarung vom 1. April 2010 beabsichtigte der Kläger, seine Einlage als stiller Gesellschafter „zur Stärkung des Unternehmenskapitals ergänzend zu den bereits…vereinbarten Einlagen 1 und 2 durch Leistung einer weiteren Einlage von EUR 120.000,00 zu erhöhen”. Die Einlage war nach § 1 Abs. 2 der Vereinbarung innerhalb von zwei Wochen nach schriftlicher Aufforderung der GmbH fällig. Eine Anforderung in Teilbeträgen wurde für zulässig erklärt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Vereinbarung Bezug genommen. Bereits am 17. und am 23. März 2010 waren vom Girokonto () der Kläger bei der C-Bank Beträge in Höhe von 80.000 Euro und 40.000 Euro an die GmbH überwiesen worden. Die GmbH rechnete am 9. Dezember 2011 unter Zuweisung eines auf den Kläger entfallenden Verlustanteils für das Jahr 2010 in der Weise über die in diesem Jahr erbrachte Einlage ab, dass diese mit dem Verlustanteil verrechnet wurde und die Einlage des Klägers sich dadurch am 31. Dezember 2010 auf null Euro belief. Die Zinsgutschrift für die Einlage belief sich im Jahr 2010 auf 7.493,33 Euro. Der Jahresabschluss der GmbH für das Geschäftsjahr 2010 wurde am 14. Dezember 2011 festgestellt.
Der Beklagte, der bis einschließlich 2010 die Verluste aus der Vermietung des Grundstücks ...straße 12-14 und der Einrichtungsgegenstände - wenngleich für 2010 mangels abschließender Beurteilbarkeit der Einkünfteerzielungsabsicht vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) - anerkannt hatte, lehnte ihre weitere Berücksichtigung für das Streitjahr im Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 1. März 2013 ab, weil er die dafür erforderliche Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger bzw. des Klägers für nicht nachgewiesen hielt. Wegen der Einzelheiten seiner Begründung wird auf die Erläuterungen des Bescheides verwiesen. Die Berücksichtigung des Verlustes der stillen Einlage über 120.000 Euro lehnte er unter Hinweis darauf ab, dass ihm der zugrunde liegende Vertrag nicht vorliege. Der Gesamtbetrag der E...