rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften – Ausgleichsfähigkeit nach Wohnsitzwechsel von Frankreich nach Deutschland
Leitsatz (redaktionell)
Der Ausschluss der Verrechnung der während der Zeit der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht in Frankreich erzielten Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften mit in späteren Jahren zur Zeit der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht in Deutschland erzielten Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften verstößt nicht gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht.
Normenkette
EStG 1999 § 1 Abs. 1, 4, § 2 Abs. 1, § 10d Abs. 4, § 23 Abs. 1, 3 S. 9, § 49 Abs. 1 Nr. 8; DBA-Frankreich Art. 7 Abs. 1; EG Art. 18, 39, 43, 56
Streitjahr(e)
2002, 2003
Tatbestand
Streitig ist, ob für die Kläger ein Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften i.H. von 97.669 Euro zum 31. Dezember 2004 gesondert festzustellen ist.
Die Kläger sind deutsche Staatsangehöre und haben seit Dezember 2004 wieder einen Wohnsitz in Deutschland. Zuvor wohnten sie bereits bis zum 10. September 2001 in Deutschland, gaben ihren dortigen Wohnsitz aus beruflichen Gründen des Klägers jedoch auf und lebten von September 2001 bis Dezember 2004 in Frankreich. Dort war der Kläger als Arbeitnehmer für ein großes deutsches Unternehmen tätig; die Klägerin war nicht berufstätig. In den Jahren 2002 und 2003 veräußerten die Kläger Wertpapiere. Aus den Wertpapiergeschäften erzielten sie Verluste i.H. von 79.497 Euro (2002) und 18.172 Euro (2003). Diese Verluste konnten sie in Frankreich gem. Art. 150-0 D Abs. 11 des Code general des impots (CGI) nicht mit anderen Einkünften, insbesondere nicht mit den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, verrechnen. Die Verluste durften lediglich auf die nächsten fünf (hinsichtlich der Verluste aus 2002) und die nächsten zehn Jahre (hinsichtlich der Verluste aus 2003) vorgetragen und mit Gewinnen aus Wertpapiergeschäften verrechnet werden. Die französische Finanzverwaltung bescheinigte die Verluste und erläuterte, dass sie auf den genannten Zeitraum vortragbar seien.
Im November 2004 vollendete der Kläger sein 60. Lebensjahr und es begann für ihn die Freistellungsphase des sog. Vorruhestandes. Im Dezember 2004 zogen die Kläger wieder nach Deutschland. Dort erzielten sie im Jahr 2005 einen Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften i.H. von 2.034 Euro und im Jahr 2006 einen ebensolchen i.H. von 790 Euro. Eine Minderung dieser Einkünfte aufgrund der in den Jahren 2002 und 2003 erzielten Verluste i.H. von insgesamt 97.669 Euro lehnte der Beklagte (das Finanzamt – FA –) in den jeweiligen Einkommensteuerbescheiden 2005 und 2006 ab. Die dagegen erhobene Klage der Kläger ist beim Finanzgericht Düsseldorf unter dem Az. 13 K 1026/08 E anhängig. In der mündlichen Verhandlung zu diesem Verfahren vom 02. Februar 2010 haben die Kläger gegenüber dem FA beantragt, die Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften, die sie während ihrer Zeit der unbeschränkten Steuerpflicht in Frankreich erlitten hatten, zum 31. Dezember 2004 gesondert festzustellen. Der Senat hat daraufhin das Klageverfahren wegen Einkommensteuer 2005 und 2006 mit Beschluss vom 02. Februar 2010 nach § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgesetzt.
Das FA lehnte den Antrag der Kläger auf gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags aus privaten Veräußerungsgeschäften zum 31. Dezember 2004 mit Bescheid vom 12. März 2010 ab. Den dagegen eingelegten Einspruch wies es mit Entscheidung vom 22. April 2010 als unbegründet zurück.
Mit ihrer Klage tragen die Kläger vor, in den Jahren 2002 und 2003 seien sie in Deutschland lediglich mit den dort erzielten Einkünften aus Vermietung und Verpachtung steuerpflichtig gewesen. Seit ihrer Rückkehr nach Deutschland im Jahr 2004 seien sie wieder unbeschränkt steuerpflichtig. Die Weigerung des FA, die Verluste zum 31. Dezember 2004 gesondert festzustellen, verstoße gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht. Hätten sie – die Kläger – die Veräußerungsverluste während der Zeit der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland erlitten, wäre ein Verlustvortrag unstrittig gewesen. Sie würden nur aufgrund der Tatsache, dass sie für einen bestimmten Zeitraum lediglich beschränkt steuerpflichtig gewesen seien, steuerlich schlechter gestellt. Diese Ungleichbehandlung könne nicht i.S. des Gesetzgebers sein. In der Europäischen Union (EU) sei die Niederlassungsfreiheit garantiert. Somit könne der Wohnsitz frei gewählt werden. Zudem gebe es eine Kapitalverkehrsfreiheit. Würden sie durch Nichtberücksichtigung der in Frankreich festgestellten Verluste steuerlich benachteiligt, wäre dies eine Verletzung der in den Europäischen Verträgen festgeschriebenen Rechte. Die Tatsache, dass die vorübergehende Verlegung des Wohnsitzes nach Frankreich nun in Deutschland steuerliche Nachteile habe, führe zu einem Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit.
Der Gerichtshof der Europäischen Union (ehemals Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften – EuGH –) habe bislang noch keine Entscheidung ...