Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch eines polnischen Staatsangehörigen auf Zahlung von Kindergeld
Leitsatz (redaktionell)
- Ein für weniger als 12 Monate von seinem polnischen Arbeitgeber in das Inland entsandter polnischer Staatsbürger, der ausschließlich in Polen sozialversicherungspflichtig ist, unterliegt gemäß Art. 14 Nr. 1 Buchstabe a VO (EWG) 1408/71 den Rechtsvorschriften Polens über soziale Sicherheit und damit nach Art. 4 Abs. 1 Buchstabe h VO (EWG) 1408/71 auch den polnischen Vorschriften über das Kindergeld.
- Deutsches Kindergeldrecht ist mangels eines Anwendungsbefehls zugunsten des nationalen Rechts in §§ 62 ff. EStG auch nicht subsidiär anwendbar, wenn nach der VO (EWG) 1408/71 das Recht eines anderen Mitgliedstaats anwendbar ist.
Normenkette
EStG § 62; VO 1408/71/EWG Art. 4 Abs. 1 Buchst. h, Art. 13 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Buchst. a, Art. 14 Nr. 1 Buchst. a; Anhang I Teil I E
Streitjahr(e)
2004, 2005, 2006
Nachgehend
Tatbestand
Strittig ist, ob der Kläger für seine Kinder (geboren: 12.03.2000 und 20.10.2004) Anspruch auf Kindergeld hat.
Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger. Er wohnt zusammen mit seiner Ehefrau und den beiden Kindern in Polen.
Vom 22.03.2004 bis 08.10.2004, vom 07.03.2005 bis 11.11.2005 und vom 13.02.2006 bis 22.05.2006 war er für eine in Polen ansässige Firma, die in Deutschland, ein „technisches Büro” unterhielt, in Deutschland als Arbeitnehmer tätig.
Nach der von der Firma unter dem 18.10.2007 ausgestellten Bescheinigung bestand für den Kläger kein Versicherungsverhältnis zur „Bundesanstalt für Arbeit..., weil es sich um eine Entsendung aus Polen handelte”.
Laut den Lohnsteuerbescheinigungen der Firma bezog der Kläger folgende Bruttoarbeitslöhne:
Davon wurden lediglich Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag einbehalten, nicht jedoch Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung.
Die Lohnsteuer und der Solidaritätsbeitrag wurden an das zuständige Finanzamt abgeführt. Dort wurde der Kläger (für 2005 zusammen mit seiner Ehefrau) zur Einkommensteuer veranlagt.
Unter dem 28.07.2007 (Eingang bei der Familienkasse am 05.11.2007) beantragte der Kläger Kindergeld. Er gab an, dass seine Ehefrau für die beiden Söhne in Polen Kindergeld in Höhe von jeweils 43 PLN monatlich für die Zeit vom 01.05.2004 bis 31.08.2006 bzw. vom 01.11.2004 bis 31.08.2006 von der Gemeindeverwaltung seines Wohnortes in Polen erhalten habe; in Deutschland habe für seine Erwerbstätigkeit keine Sozialversicherungspflicht bestanden. Als Inhaber des Kontos, auf das das Kindergeld überwiesen werden sollte, benannte er einen Dritten, der unter der Firma X geschäftsmäßig Anträge auf Kindergeld für polnische Arbeitnehmer stellte.
Mit Bescheid vom 09.11.2007 lehnte die Familienkasse den Antrag des Klägers ab, da er nicht die Voraussetzung des § 62 EStG erfülle.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 28.11.2007 (Eingang 11.12.2007) Einspruch ein und wies darauf hin, dass er in den Jahren 2004 bis 2006 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen sei und daher die Anspruchsvoraussetzungen des § 62 EStG erfülle.
Nach Aufforderung durch die Beklagte, die inzwischen das Einspruchsverfahren übernommen hatte, legte der Kläger eine Bescheinigung aus Polen vom 18.03.2008 vor, wonach der Kläger als Arbeitnehmer der polnischen Firma u. a. auch für die Zeiten seiner Tätigkeit in Deutschland in Polen sozialversichert gewesen sei.
In der Einspruchsentscheidung vom 22.04.2008 wies die Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück, weil er entsandter Arbeitnehmer eines polnischen Arbeitsgebers gewesen sei und ausschließlich der polnischen Sozialversicherung unterlegen habe.
Am 22.05.2008 hat der Kläger Klage erhoben und Folgendes vorgetragen: Ob ihm ein Anspruch auf Kindergeld zustehe, richte sich allein nach den in den §§ 62 ff. EStG getroffenen Regelungen und nicht nach der VO (EWG) 1408/71 oder der VO (EWG) 574/72 des Rates über die Durchführung der Verordnung (EWG) 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie ihrer Familienangehörigen, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern vom 21. März 1972.
Die Annahme der Beklagten, er habe in Deutschland nicht der Sozialversicherung unterlegen, sei zutreffend. Er sei entsandter Arbeitnehmer gewesen. Allerdings bestünden an der arbeitsrechtlichen Bindung zu seinem polnischen Arbeitgeber Zweifel, weil Teile seines Lohnes indirekt vom deutschen „Arbeitgeber” gezahlt worden seien. Er sei in Deutschland in Unterkünften untergebracht gewesen, die von seinem deutschen „Arbeitgeber” gestellt bzw. angemietet worden seien. Die Aufwendungen des deutschen „Arbeitgebers” hierfür seien durch eine Kürzung des vom polnischen Arbeitgeber ausgezahlten Lohnes berücksichtigt worden. Sämtliche Anweisungen für seine Tätigkeit seien allein durch Führungskräfte des deutschen „Arbeitgebers” erfolgt. Sein (formaler) polnisch...