Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Bewilligung von Kindergeld für ein in Polen lebendes Kind
Leitsatz (redaktionell)
- Ein für weniger als 12 Monate von seinem polnischen Arbeitgeber in das Inland entsandter polnischer Staatsbürger, der ausschließlich in Polen sozialversicherungspflichtig ist, unterliegt gemäß Art. 14 Nr. 1 Buchstabe a VO (EWG) 1408/71 den Rechtsvorschriften Polens über soziale Sicherheit und damit nach Art. 4 Abs. 1 Buchstabe h VO (EWG) 1408/71 auch den polnischen Vorschriften über das Kindergeld.
- Deutsches Kindergeldrecht ist mangels eines Anwendungsbefehls zugunsten des nationalen Rechts in §§ 62 ff. EStG auch nicht subsidiär anwendbar, wenn nach der VO (EWG) 1408/71 das Recht eines anderen Mitgliedstaats anwendbar ist.
- Dies gilt auch, wenn in Polen kein Anspruch auf Bewilligung von Kindergeld besteht.
Normenkette
EStG § 62; VO 1408/71/EWG Art. 4 Abs. 1 Buchst. h, Art. 13 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Buchst. a, Art. 14 Nr. 1 Buchst. a; Anhang I Teil I E
Streitjahr(e)
2006
Tatbestand
Streitig ist die Bewilligung von Kindergeld für ein in Polen lebendes Kind.
Der Kläger ist polnischer Staatsbürger. Er wohnt zusammen mit seiner Ehefrau und der am 25.4.1991 geborenen Tochter Polen. Nach eigenen Angaben unterliegt er in seinem Heimatland auch der dort bestehenden Sozialversicherungspflicht (Bl. 8 der Kindergeldakte).
Im Kalenderjahr 2006 war der Kläger allerdings beruflich in Deutschland tätig und hatte am Beschäftigungsort auch eine Wohnung erhalten. Als Arbeitgeberin hatte der Kläger zunächst eine Firma „X GmbH” angegeben. Nach dem Inhalt einer zu den Gerichtsakten (Bl. 26) gereichten Lohnsteuerbescheinigung für den Zeitraum vom 1.1. bis 1.12. 2006 hatte er von dem genannten Betrieb für die im Inland ausgeübte Tätigkeit einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 12.894,93 EUR bezogen. Davon waren lediglich die Lohnsteuer und der Solidaritätszuschlag einbehalten worden, nicht jedoch Arbeitnehmeranteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag und zur gesetzlichen Rentenversicherung. Die Steuern waren an das Finanzamt (FA) abgeführt worden und dort war auch für den Kläger und seine Ehefrau für das Jahr 2006 eine Veranlagung zur Einkommensteuer erfolgt (Bl. 9 der Kindergeldakte).
Nach der Beendigung seiner Tätigkeit im Inland beantragte der Kläger bei der Beklagten, für seine Tochter Kindergeld zu bewilligen. Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 18.12.2007; Bl. 12 der Kindergeldakte). Den dagegen eingelegten Einspruch, in dem der Kläger insbesondere auf die während seiner Tätigkeit in Deutschland eingetretene unbeschränkte Einkommensteuerpflicht hingewiesen hatte, wies sie durch Einspruchsentscheidung vom 14.1.2008 als unbegründet zurück. Dazu führte sie aus, dass der Kläger während seiner Tätigkeit nicht in Deutschland, sondern nur in Polen sozialversichert gewesen sei. Nach der Regelung des Art. 13 Abs. 2 Buchstabe a der unter dem 14. Juni 1971 erlassenen Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates zur Anwendung der Systeme der sozialen auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO ≪EWG≫ 1408/71), sei daher deutsches Kindergeldrecht nicht anwendbar.
Mit der Klage hat der Kläger zunächst geltend gemacht, dass ihm für das Kalenderjahr 2006 Kindergeld in Höhe von 1.694,70 EUR zustehe (Bl. 6 der Gerichtsakte). Dieser Betrag errechne sich aus dem nach den Regelungen der §§ 62 ff. des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu zahlenden Beträgen (1.848,-- EUR) abzüglich des für seine Tochter in Polen gewährten Kindergeldes (153,30 EUR).
Nach einer Bitte des Gerichts, den Sachverhalt weiter aufzuklären und insbesondere auch den für die Tätigkeit in Deutschland maßgeblichen Arbeitsvertrag vorzulegen, hat der Kläger seine Angaben korrigiert und trägt nunmehr abschließend Folgendes vor:
Der ursprüngliche Vortrag, dass in Polen Kindergeld ausgezahlt worden sei, beruhe auf einem Irrtum. Tatsächlich habe ihm ein solcher Anspruch nicht zugestanden. Folglich mache er das in der Bundesrepublik Deutschland zu zahlende Kindergeld nicht nur in einer verminderten, sondern in voller Höhe (1.848,-- EUR) geltend.
Ferner sei nach den Feststellungen des Gerichts in einem anderweitigen Verfahren (10 K 404/08 Kg), das der Beklagten und auch seinem Prozessvertreter bekannt sei, eine Firma „X GmbH” in Deutschland offenbar nicht existent. Es müsse daher davon ausgegangen werden, so der Prozessvertreter des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 17.2.2009, dass im Streitfall ein Sachverhalt vorliege, der nach den zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Polen abgeschlossenen Vereinbarungen zur Entsendung polnischer Arbeitnehmer ins Inland vielfach anzutreffen gewesen sei. Danach habe er (der Kläger) seine Tätigkeit im Auftrag eines zumindest formal in Polen angesiedelten Kooperationspartners des inländischen Auftraggebers ausgeführt. Mit der in verschiedenen Unterlagen auftauchenden Bezeichnung „X GmbH” habe man deshalb wohl lediglich z...