Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzung weiterer Kapitaleinkünfte aufgrund Beschlagnahme eines Order-Barschecks
Leitsatz (redaktionell)
- Die Annahme einer Steuerhinterziehung und der damit verbundenen Verlängerung der Festsetzungsfrist kann nicht allein auf ein reduziertes Beweismaß infolge der Verletzung der Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen gestützt werden („in dubio pro reo”).
- Das Auffinden eines auf den Steuerpflichtigen ausgestellten Order-Barschecks einer luxemburgischen Bank kann demnach nur bei einer Schätzung in offener Festsetzungsfrist die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass die Kapitalanlage der banküblichen Mindestanlage entsprach und dem Steuerpflichtigen hieraus Zinserträge zugeflossen sind.
Normenkette
AO § 90 Abs. 2, § 169 Abs. 2 S. 2, § 170 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4, § 171 Abs. 5 S. 2, § 173 Abs. 1 Nr. 1, § 370 Abs. 1 Nr. 1, § 378 Abs. 1, § 393 Abs. 1
Streitjahr(e)
1988, 1989, 1990, 1992
Tatbestand
Die Klägerin betrieb in den Streitjahren einen Sofortdruckservice. Außerdem erzielte sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus dem im Jahre 1990 erworbenen bebauten Grundstück „X-Straße 1” in „N-Stadt”.
Die Klägerin hatte bis 1998 fortlaufend Einkommensteuererklärungen, jedoch keine Vermögensteuererklärungen eingereicht.
Am 15. März 1999 leitete das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung „E-Stadt” (Steufa) gegen die Klägerin ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Einkommensteuerhinterziehung für die Jahre 1992 bis 1996 sowie der Vermögensteuerhinterziehung auf den 1. Januar 1993 bis 1. Januar 1996 ein. Anlass für das Ermittlungsverfahren waren in einem weiteren Verfahren wegen des Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung gegen Verantwortliche und Mitarbeiter der „E-Bank” AG „G-Stadt” bzw. der Niederlassung „E-Stadt” beschlagnahmte Schecks der „E-Bank Luxembourg”. Der im vorliegenden Verfahren relevante Scheck datiert auf den 24. April 1992. Nach dem Inhalt des Schecks sind gegen dessen Vorlage an die Klägerin 20.000 DM zu zahlen. Der Scheck ist auf der Rückseite von der Klägerin unterzeichnet.
Im Hinblick darauf ermittelte die Steufa ausweislich des Prüfberichts vom 10. August 2000 die Einkünfte der Klägerin aus Kapitalvermögen für die Jahre 1988 bis 1998 unter Vorlage von Bankbelegen sowie Schätzungen.
Laut Tz 8 des Berichts sind die inländischen Kapitaleinnahmen unter Zugrundelegung der Bankbelege wie folgt errechnet worden:
Inländische Kapitaleinnahmen bei der „T-Bank” „N-Stadt" der „E-Bank” „N-Stadt”
1988 |
68,83 DM |
-- |
1989 |
32,09 DM |
-- |
1990 |
49,10 DM |
11,25 DM |
1991 |
49,76 DM |
46,50 DM |
1992 |
10,00 DM |
71,28 DM |
1993 |
179,31 DM |
-- |
1994 |
-- |
36,14 DM |
1995 |
-- |
36,66 DM |
Im Anschluss daran schätzte die Steufa die ausländischen Kapitaleinnahmen - ausgehend von der Annahme einer Mindestanlagensumme i.H.v. 200.000,- DM für individuelle Anlagekonten bei der „E-Bank Luxembourg” - folgendermaßen:
1988 |
9.000,00 DM |
1989 |
13.585,00 DM |
1990 |
17.806,80 DM |
1991 |
19.581,92 DM |
1992 |
21.102,70 DM |
1993 |
18.275,35 DM |
1994 |
12.570,83 DM |
1995 |
11.676,90 DM |
1996 |
10.625,98 DM |
1997 |
10.997,89 DM |
1998 |
11.382,82 DM |
In Tz 9 des Berichts ist festgehalten, dass ab dem 1. Januar 1989 Vermögensteuerveranlagungen durchzuführen seien. Der Einheitswert für das Grundstück „X-Straße 1” in „00001 N-Stadt” betrage zum 1. Januar 1964 25.700,- DM. Seitens der Bewertungsstelle sei noch eine Änderung hinsichtlich der Eingruppierung vorzunehmen, da es sich um ein Objekt mit einer gewerblichen Nutzung in Höhe von 37,52 Prozent handele.
Das sonstige Vermögen setze sich zusammen aus den Kapitalständen der in- und ausländischen Bankguthaben, wobei die Kapitalstände des ausländischen Bankguthabens geschätzt worden seien.
Die Kapitalstände bei der „T-Bank” „N-Stadt” und bei der „E-Bank” betrugen nach den Feststellungen der Steufa:
|
"T-Bank” „N-Stadt" |
"E-Bank” „N-Stadt" |
1.1.1989 |
2.273,16 DM |
-- |
1.1.1990 |
1.045,65 DM |
-- |
1.1.1991 |
1.574,75 DM |
1.811,25 DM |
1.1.1992 |
1.604,51 DM |
1.860,80 DM |
1.1.1993 |
-- |
2.376,53 DM |
1.1.1994 |
-- |
-- |
1.1.1995 |
-- |
1.832,04 DM |
Die ausländischen Kapitalstände der ausländischen Bankguthaben wurden sodann wie folgt geschätzt:
1.1.1989 |
209.000,00 DM |
1.1.1990 |
222.585,00 DM |
1.1.1991 |
240.391,80 DM |
1.1.1992 |
259.973,72 DM |
1.1.1993 |
261.076,42 DM |
1.1.1994 |
279.351,77 DM |
1.1.1995 |
291.922,60 DM |
1.1.1996 |
303.599,50 DM |
Gemäß Tz 11 des Berichts war ab dem 1. Januar 1991 bei den Kapitalschulden der private Finanzierungsanteil des Hauses „X-Straße 1” in Ansatz zu bringen. Dabei ging die Steufa von einer jährlichen Tilgungsrate i.H.v. 1 Prozent aus und errechnete folgende Werte:
1.1.1991 |
135.685,- DM |
1.1.1992 |
134.329,- DM |
1.1.1993 |
132.985,- DM |
1.1.1994 |
131.656,- DM |
1.1.1995 |
130.340,- DM |
1.1.1996 |
129.036,- DM. |
Zu dem Bericht nahm die Klägerin mit Schreiben vom 30. Oktober 2000 Stellung. Sie führte u.a. aus, ausweislich der Ermittlungsakten gebe es ausschließlich eine Unterlage, nämlich einen Orderbarscheck zu ihren Gunsten in Höhe von 20.000,- DM. Ansonsten gebe es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sie Einnahmen aus Kapitalvermögen habe, welche...