Entscheidungsstichwort (Thema)
Stromsteuerbefreiung für Kleinanlagen –Leistung an Letztverbraucher im räumlichen Zusammenhang – Einspeisung über vorgelagertes öffentliches Leitungsnetz
Leitsatz (redaktionell)
- Der Steuerbefreiung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StromStG für den in einem Blockheizkraftwerk mit einer Nennleistung von 0,38 MW erzeugten und im räumlichen Zusammenhang zu der Anlage an Letztverbraucher geleisteten Strom steht die Einspeisung in ein vorgelagertes öffentliches Leitungsnetz nicht entgegen.
- Ein Nämlichkeitsnachweis des in der Anlage erzeugten und des an Letztverbraucher geleisteten Stroms ist nicht Voraussetzung für die Gewährung der Steuerbefreiung.
- Gleiches gilt für die Einhaltung der Bestimmungen der Stromnetzzugangsverordnung (StromNZV).
Normenkette
StromStG § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. B; StromStV § 4 Abs. 2 Sätze 1, 2 Nr. 1, § 12b Abs. 2 S. 2, Abs. 4; StromNZV §§ 12, 18, 24; EEG § 56 Nr. 1; EGRL 2003/96 Art. 21 Abs. 5 Unterabs. 3 S. 2
Tatbestand
Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist unter anderem die öffentliche Versorgung mit Strom, Gas, Wärme und Wasser in der Stadt Z . Das beklagte Hauptzollamt erteilte ihr mit Bescheid vom 29. Juni 2010 die Erlaubnis, Strom als Versorgerin leisten zu dürfen.
Die Klägerin betreibt ein Blockheizkraftwerk (BHKW), mit dem sie aus Biogas Strom und Wärme für ein Hallenschwimmbad erzeugte. Das BHKW verfügt über eine elektrische Nennleistung von 0,38 MW. Das BHKW befindet sich im Ortsteil Y . Der in Kraft-Wärme-Kopplung erzeugte Strom wurde in das Mittelspannungsnetz der A GmbH eingespeist. Die Klägerin erhielt dafür eine Einspeisevergütung nach dem Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien (EEG) vom 21. Juli 2014 (BGBl. I, 1066), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 22. Dezember 2014 (BGBl. I, 2406).
Die Klägerin leistete den in dem BHKW erzeugten Strom auch an Abnehmer im Ortsteil Y . Das gesamte Gebiet des Ortsteils befindet sich in einem Umkreis von 4,5 km von dem BHKW.
In ihrer am 31. Mai 2016 abgegebenen Steueranmeldung für das Kalenderjahr 2015 gab die Klägerin eine Menge von 25.044,473 MWh Strom zum Regelsteuersatz von 20,50 €/MWh an. In einem Begleitschreiben vom 27. Mai 2016 sowie in Anlagen zu der Steueranmeldung teilte sie mit, dass sie 1.843,98 MWh Strom aus dem BHKW an Abnehmer im Ortsteil Y geleistet habe. Dieser Strom sei gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b des Stromsteuergesetzes (StromStG) vom 24. März 1999 (BGBl. I, 378), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 1. März 2011 (BGBl. I, 282), steuerfrei.
Das beklagte Hauptzollamt folgte dem nicht und setzte mit Bescheid vom 3. Juni 2016 abweichend von der Steueranmeldung 551.213,29 € Stromsteuer für 26.888,453 MWh fest. Zur Begründung führte es aus, die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StromStG seien nicht erfüllt. Die A GmbH sei gemäß § 56 Nr. 1 EEG verpflichtet gewesen, den Strom unverzüglich an den vorgelagerten Übertragungsnetzbetreiber weiterzugeben. Deshalb sei ein Rückerwerb des eingespeisten und nach dem EEG vergüteten Stroms ausgeschlossen gewesen. Bei dem an die Verbraucher geleisteten Strom habe es sich daher nicht um den mit dem BHKW erzeugten Strom gehandelt.
Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein. Zur Begründung führte sie aus: Die rein bilanzielle Veräußerung des Stroms im Rahmen des EEG sei für die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StromStG und § 12b Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des Stromsteuergesetzes (StromStV) vom 31. Mai 2000 (BGBl. I, 794), zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 24. Juli 2013 (BGBl. I, 2763), unschädlich. Ein Rückerwerb des Stroms von dem Netzbetreiber sei nicht möglich und könne deshalb auch keine Voraussetzung für die Anerkennung der Steuerbefreiung sein.
Die Klägerin übersandte mit ihrem Einspruch eine monatliche Aufteilung der zeitgleichen Liefermengen des mit dem BHKW erzeugten Stroms an Letztverbraucher für das Kalenderjahr 2015 (Bl. 5 der Einspruchsakte). Sie gab am 24. Mai 2017 eine korrigierte Steueranmeldung für das Kalenderjahr 2015 ab, in der sie eine Menge von 25.036,433 MWh Strom zum Regelsteuersatz angab. Das beklagte Hauptzollamt setzte daraufhin die Stromsteuer mit Bescheid vom 31. Mai 2017 für 26.880,413 MWh auf 551.048,47 € neu fest.
Mit Bescheid vom 12. September 2017 erstattete das beklagte Hauptzollamt der Klägerin aus Vertrauensschutzgründen 9.199,99 € Stromsteuer für eine Menge von 448,780 MWh Strom, der in dem Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. März 2015 mit dem BHKW erzeugt und im räumlichen Zusammenhang zu der Anlage entnommen worden war.
Den Einspruch der Klägerin wies das beklagte Hauptzollamt mit Entscheidung vom 28. September 2017 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus: Ein kaufmännisch-bilanzieller Rückerwerb des Stroms von der A GmbH habe nicht stattgefunden. Dies sei jedoch Voraussetzung für die Steuerbefreiung gewesen. Der Gesetzgeber habe eine Doppelförderung vermeiden wollen. Strom könne nicht gleichzeitig an einen Netzb...