Entscheidungsstichwort (Thema)
Mindestbesteuerung bei Insolvenz: Berücksichtigung der Verlustverrechnungsbeschränkung des § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG im Liquidationszeitraum
Leitsatz (redaktionell)
- Die im Zuge eines mehrjährigen Insolvenzverfahrens vorgenommenen vorläufigen Zwischenveranlagungen zur Körperschaftsteuer sind am Ende des Abwicklungszeitraums gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO durch eine einheitliche Veranlagung für den gesamten Abwicklungszeitraum zu ersetzen (entgegen R 11 Abs. 4 KStR 2015).
- Im Rahmen dieser endgültigen Abwicklungsbesteuerung ist die Verlustabzugsbeschränkung des § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG (Mindestbesteuerung) nicht anzuwenden, da mit dem Abschluss der Liquidation der insolventen Kapitalgesellschaft der endgültige Wegfall der Verlustnutzungsmöglichkeit feststeht.
- § 10 d Abs. 2 Satz 1 EStG kann im Wege der verfassungskonformen Auslegung um das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal ergänzt werden, dass die Mindestbesteuerung nur eingreift, soweit sie keine definitive Besteuerung auslöst (entgegen Vorlagebeschluss des BFH vom 26.2.2014 I R 59/12, BStB II 2014, 1016; Az. des BVerfG: 2 BvL 19/14).
Normenkette
EStG § 10d Abs. 2 S. 1; KStG § 8 Abs. 1 S. 1, § 11 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 2-3, 7; AO § 124 Abs. 2, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Streitjahr(e)
2011
Tatbestand
Streitig ist, ob nach Abschluss eines Insolvenzverfahrens sog. Zwischenveranlagungen aufzuheben sind und eine Verrechnung von Gewinnen und Verlusten des gesamten Liquidationszeitraumes ohne Berücksichtigung der Verlustverrechnungsbeschränkung des. § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG i.V.m § 8 Abs. 1 S. 1 KStG möglich ist.
Der Kläger wurde durch das Amtsgericht () zum Insolvenzverwalter der A GmbH (im Weiteren GmbH) bestellt. Das Insolvenzverfahren wurde zum XXX.2003 eröffnet. Am 2015 hat der Kläger die Schlussbilanz der GmbH erstellt und seinen Tätigkeitsbericht verfasst sowie die Schlussrechnung erstellt. Das Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss vom 2017 aufgehoben. Die GmbH ist laut Handelsregisterauszug vom XXX 2018 aufgelöst aber noch nicht gelöscht.
Der Beklagte hat für den Veranlagungszeitraum 2003 bis 2005 durch Körperschaftsteuerbescheid vom 06.08.2008 die Körperschaftsteuer auf 335.905 € festgesetzt. In dem bezüglich dieses Bescheides geführten Klageverfahren gab der Senat der Klage teilweise statt, weil er der Auffassung war, dass der Grundabzugsbetrag des § 10d Abs. 1 EStG i.H.v. 1.000.000 € dreimal zu berücksichtigen sei (FG Düsseldorf, Urteil vom 12.3.2012 6 K 2199/09 K, EFG 2012, 1387). Der BFH teilte die Auffassung des Senates nicht, hob das Urteil des Senates auf und wies die Klage ab (BFH-Urteil vom 23.01.2013 I R 35/12, BStBl II 2013, 508).
Für 2006 setzte der Beklagte durch Bescheid vom 27.05.2008 die Körperschaftsteuer auf 0 €, für 2007 durch Bescheid vom 18.03.2009 auf 3.017 €, für 2008, 2009 und 2010 durch Bescheide vom 16.12.2009, 01.04.2011 und 07.05.2012 auf 0 € fest.
In der Körperschaftsteuererklärung für 2011 erklärte der Kläger als gesetzlicher Vertreter der GmbH einen Jahresüberschuss i.H.v. 1.338.530 €. Durch Körperschaftsteuerbescheid für 2011 vom 27.03.2013 setzte der Beklagte unter dem Vorbehalt der Nachprüfung die Körperschaftsteuer auf 23.257 € fest. Dabei berücksichtigte er einen Jahresüberschuss i.H.v. 1.338.530 € und einen Gesamtbetrag der nichtabziehbaren Aufwendungen i.H.v. 48.920 € sowie einen Verlustabzug i.H.v. 1.232.470 €, wobei die festgestellten vortragsfähigen Verluste zum 31.12.2010 insgesamt 13.067.350 € betrugen. Mit Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2011 setzte der Beklagte den verbleibenden Verlust auf 11.834.880 € fest. Durch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid für 2011 über den Gewerbesteuermessbetrag vom 26.3.2013 setzte der Beklagte den Gewerbesteuermessbetrag für 2011 auf 5.421 € fest.
Durch Bescheide vom 19.8.2013 hob der Beklagte den Vorbehalt der Nachprüfung im Körperschaftsteuerbescheid 2011 und im Gewerbesteuermessbescheid 2011 auf.
Der Kläger legte am 13.9.2013 gegen diese Bescheide Einsprüche ein, die sich gegen die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung richteten. Begründet wurden diese Einsprüche damit, dass für den gesamten Zeitraum der Insolvenz/Abwicklung am Ende dieses Zeitraums ein Gesamtstatus der steuerlichen Situation zu erstellen sei. Dieser beinhalte im Rahmen der zu erstellenden Abwicklungsgewinnermittlung nach § 11 KStG einen steuerlichen Gesamtüberblick über den Insolvenz-/Abwicklungszeitraum zwecks Aufdeckung der gegebenenfalls vorhandenen stillen Reserven. Sämtliche vorhandenen Verlustvorträge seien dann in voller Höhe gegenzurechnen. Aufgrund der per 31.12.2012 aufgestellten - wenngleich zu diesem Zeitpunkt noch hypothetischen - Abwicklungsgewinnermittlung ergebe sich, dass der Abwicklungsgewinn im Insolvenzzeitraum in voller Höhe durch die vorhandenen Verlustvorträge gedeckt sei. Das steuerliche Abwicklungsvermögen betrage minus 17.502.618 €. Der Kläger beantragte zunä...