rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung der Kindergeldfestsetzung wegen eines rückwirkenden Ereignisses
Leitsatz (redaktionell)
Die Kindergeldfestsetzung kann nicht wegen eines rückwirkenden Ereignisses oder einer Änderung der Verhältnisse für die Vergangenheit aufgehoben werden, wenn sich die vor Beginn des Bewilligungszeitraumes von der Familienkasse (entsprechend den Angaben des Stpfl.) prognostizierten Einkünfte des Kindes im Nachhinein lediglich bestätigen.
Normenkette
AO § 37 Abs. 2, § 175 Abs. 1 Nr. 2; EStG § 32 Abs. 4 S. 2, § 70 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger bezog Kindergeld für seine Tochter (geboren im Oktober 1976). Die Tochter begann im August 1996 eine dreijährige Ausbildung zur Hauswirtschafterin. Im September 1996 reichte der Kläger eine Ausbildungsbescheinigung des Arbeitgebers der Tochter ein, worin monatliche Ausbildungsvergütungen ab August 1996 von 1.057,53 DM und ab August 1997 ("nach derzeit geltendem Tarif") von 1.141,11 DM sowie als zusätzliche Leistungen Urlaubsgeld von 500 DM und eine Weihnachtszuwendung von 95 % des Monatsgehalts bescheinigt waren. Nach Prüfung des Sachverhalts, insbesondere des Nichtüberschreitens der Einkunftsgrenze für 1996 und 1997, gewährte die beklagte Familienkasse dem Kläger ab August 1996 weiterhin Kindergeld. Bei der späteren Überprüfung der Einkommensverhältnisse der Tochter ergab sich, daß der monatliche Bruttolohn der Tochter tatsächlich ab August 1996 1.057,53 DM und ab August 1997 1.141,11 DM betragen hatte, und daß die Tochter im Jahr 1997 außerdem ein Urlaubsgeld von 500 DM und ein Weihnachtsgeld von 1.084,05 DM erhalten hatte (Ausbildungsbescheinigung vom 30. April 1998). Daraufhin hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergelds wegen des Überschreitens der Einkunftsgrenze rückwirkend ab Januar 1997 auf und forderte das in 1997 gezahlte Kindergeld von 2.640 DM zurück.
Gegen die rückwirkende Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für 1997 erhob der Kläger Einspruch. Er trug vor, seine Tochter habe erhöhte Werbungskosten gehabt: Sie habe mit dem Pkw 130 Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (einfache Entfernung: 4 km) und 76 Fahrten zur Berufsschule (Hin- und Rückfahrt jeweils 30 km) unternommen, und außerdem für Berufskleidung 100 DM und für Schulbücher 200 DM aufgewendet.
Die beklagte Familienkasse wies den Einspruch als unbegründet zurück. Sie vertrat die Auffassung, dem Kläger habe für das Jahr 1997 kein Kindergeldanspruch zugestanden, weil die Tochter die maßgebliche Einkunftsgrenze von 12.000 DM überschritten habe. Sie habe in 1997 Einnahmen von 14.692,31 DM erzielt; nach Abzug des Werbungskosten-Pauschbetrags von 2.000 DM seien ihr Einkünfte von 12.692 DM verblieben. Als tatsächliche Werbungskosten der Tochter habe der Kläger 1.849,60 DM geltend gemacht (Fahrten Wohnung-Arbeitsstätte: 364 DM, Fahrten zur Berufsschule: 1.185,60 DM, sonstige Werbungskosten: 300 DM); diese Aufwendungen seien niedriger als der gewährte Pauschbetrag. Die Kindergeldfestsetzung sei gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung 1977 - AO - rückwirkend zu ändern gewesen; der zu Unrecht erhaltene Kindergeldbetrag sei vom Kläger gemäß § 37 Abs. 2 AO zurückzuzahlen.
Hiergegen richtet sich die beim Sozialgericht erhobene Klage, die das Sozialgericht an das Finanzgericht verwiesen hat. Der Kläger räumt ein, daß die Einkünfte seiner Tochter im Jahr 1997 über der Grenze von 12.000 DM gelegen haben; er hält jedoch die Voraussetzungen für eine rückwirkende Änderung nicht für gegeben. Die Vorschrift des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO greife nicht ein, weil es an einem rückwirkenden Ereignis fehle. Im Streitfall habe sich der Sachverhalt (Höhe der Einkünfte der Tochter) nämlich gegenüber der ursprünglichen (Prognose-) Entscheidung über die Kindergeldgewährung nicht verändert. Die Vorschrift, die dem Grundsatz des Wegfalls der Geschäftsgrundlage entspreche, ermögliche eine rückwirkende Korrektur nur infolge später eingetretener oder bekanntgewordener Fakten, diene dagegen nicht zur Korrektur eigener Fehler der Behörden bei einem von Anfang an zutreffend dargestellten und unverändert gebliebenen Sachverhalt. Im übrigen beruft sich der Kläger auf den Wegfall der Bereicherung, da das gesamte Kindergeld an die Tochter weitergegeben und von dieser verbraucht worden sei.
Der Kläger beantragt,
den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 21. Juli 1998 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. September 1998 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, einer in die Zukunft wirkenden Kindergeldfestsetzung hafte hinsichtlich der Beurteilung, daß die Einkunftsgrenze nicht überschritten sei, notwendigerweise der Charakter einer Prognose an. Gesicherte Erkenntnis hierüber könne man immer erst nach Ablauf des Beurteilungszeitraums haben. Unter diesen Umständen sei der Regelungsinhalt des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO weit auszulegen. Ereignis in diesem Sinne sei die abschließende Feststellbarkeit der Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG, die zwangsläufig erst nach Ablau...