Entscheidungsstichwort (Thema)
Außergewöhnliche Belastungen: Behindertengerechter Umbau einer Wohnung, Verteilung der Aufwendungen auf fünf Jahre aus Billigkeitsgründen, Fehlende Auswirkung im Abflussjahr
Leitsatz (redaktionell)
Einem Steuerpflichtigen kann im Wege einer abweichenden Festsetzung der Steuer aus Billigkeitsgründen ein Wahlrecht auf Verteilung der Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau der selbstgenutzten Wohnung als außergewöhnliche Belastungen eingeräumt werden, wenn ein zu geringer Gesamtbetrag der Einkünfte dem vollen Abzug der Aufwendungen im Abflussjahr entgegensteht (vgl. BFH-Urteil vom 22. Oktober 2009 VI R 7/09, BFHE 226, 536, BStBl II 2010, 280).
Normenkette
AO § 163; EStG § 7 Abs. 1 S. 1, § 11 Abs. 2 S. 1, § 33
Streitjahr(e)
2011
Tatbestand
Der Kläger erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er wird vom beklagten Finanzamt zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger erlitt im Jahre 1985 einen schweren Verkehrsunfall und ist seitdem querschnittgelähmt. Das führte zum Ausweis eines Grads seiner Behinderung von 100 mit den Merkzeichen G (gehbehindert), aG (außergewöhnlich gehbehindert), H (hilflos) und RF (Rundfunkgebührenbefreiung).
Der Kläger ließ im Jahr 2009 seine Eigentumswohnung in A behindertengerecht erweitern und umbauen. Im Rahmen seiner Veranlagung zur Einkommensteuer für das Jahr 2009 machte der Kläger Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau seiner Wohnung von 358.697,42 € abzüglich 80.000 € von der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen erhaltener Wohnungshilfe als außergewöhnliche Belastungen geltend. Er beantragte, die verbleibenden Aufwendungen von 278.700 € auf fünf Jahre verteilt als außergewöhnliche Belastungen abzuziehen.
Das beklagte Finanzamt setzte die Einkommensteuer gegen den Kläger für das Jahr 2009 mit Bescheid vom 8. Juni 2012 auf 0 € fest, indem es von dem Gesamtbetrag seiner Einkünfte von 39.385 € im Hinblick auf die Kosten für den behindertengerechten Umbau seiner Wohnung Aufwendungen wegen außergewöhnlicher Belastungen von 55.740 € abzüglich einer zumutbaren Belastung von 2.363 € abzog. Mit Einspruchsentscheidung vom 14. August 2012 lehnte das beklagte Finanzamt eine Verteilung der Kosten für den behindertengerechten Umbau der Wohnung des Klägers auf fünf Jahre ab, weil es hierfür keine Rechtsgrundlage gebe und die Einkommensteuer für das Jahr 2009 bereits auf 0 € festgesetzt worden sei.
Das beklagte Finanzamt lehnte mit einem bestandskräftig gewordenen Einkommensteuerbescheid vom 30. September 2011 eine Verteilung der Kosten für den behindertengerechten Umbau der Wohnung des Klägers auf fünf Jahre für das Jahr 2010 ab.
Das beklagte Finanzamt setzte mit Bescheid vom 24. Juli 2012 für das Jahr 2011 gegen den Kläger 5.970 € Einkommensteuer und 328,35 € Solidaritätszuschlag fest. Dabei ging es von einem Gesamtbetrag seiner Einkünfte von 40.803 € aus. Einen teilweisen Abzug der Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau der Wohnung des Klägers lehnte es ab.
Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein und begehrte, die Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau seiner Wohnung gemäß § 163 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) auf fünf Kalenderjahre gleichmäßig zu verteilen.
Das beklagte Finanzamt wies den Einspruch mit Entscheidung vom 6. Februar 2013 zurück und führte aus: Die Aufwendungen des Klägers für den behindertengerechten Umbau seiner Wohnung könnten als außergewöhnliche Belastungen nur im Jahr ihrer Entstehung, d.h. im Jahr 2009 berücksichtigt werden. Eine gleichmäßige Verteilung der Aufwendungen auf fünf Jahre nach § 163 Satz 1 AO sei nicht möglich. Der Gesetzgeber habe durch die Eröffnung des Abzugs der Aufwendungen wegen außergewöhnlicher Belastungen nur sicherstellen wollen, dass ein Steuerpflichtiger im Zeitpunkt der Zahlung nicht außergewöhnlich belastet werde. Der Gesetzgeber habe jedoch nicht zulassen wollen, dass ein Steuerpflichtiger Aufwendungen, die grundsätzlich in seinen Privatbereich gehörten, steuermindernd geltend machen könne.
Der Kläger trägt mit seiner Klage vor: Nach der Begründung der Einspruchsentscheidung sei es zweifelhaft, ob das beklagte Finanzamt überhaupt Ermessen ausgeübt habe. Da der Gesamtbetrag seiner Einkünfte zu gering gewesen sei, um einen vollständigen Abzug der Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau seiner Wohnung zuzulassen, müssten diese Aufwendungen gleichmäßig auf fünf Jahre verteilt abgezogen werden.
Der Kläger beantragt,
das beklagte Finanzamt unter Aufhebung seiner ablehnenden Entscheidung vom 24. Juli 2012 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Februar 2013 zu verpflichten, seinen Antrag auf abweichende Festsetzung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags gemäß § 163 Satz 1 AO für das Jahr 2011 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Das beklagte Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt es vor: Aus § 11 des Einkommensteuergesetzes (EStG) folge, dass ein Abzug der Aufwendungen nur im Jahr der Zahlung möglich sei. Im Üb...