vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Auflösungsverlust aus GmbH-Beteiligung – Krisenbestimmte Bürgschaft für Kontokorrentkredite in der Gründungsphase
Leitsatz (redaktionell)
- Auch Bürgschaftsversprechen für Kontokorrentkredite in der Gründungsphase einer Gesellschaft können eigenkapitalersetzenden Charakter haben.
- Verfügt die GmbH nicht über ausreichende Sicherheiten, um die erforderlichen Kredite zu besichern, und müssen aus diesem Grund die Gesellschafter aus ihrem Vermögen Sicherheiten bestellen, weist dies auf die Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft hin.
- Ein nominal über dem Betrag des beantragten Kredits liegender Beleihungswert eines Grundstücks der GmbH belegt nicht das Bestehen ausreichender Sicherheiten, wenn das zu finanzierende Bauträgervorhaben mit nicht unerheblichen Unwägbarkeiten verbunden ist, die zu einer Minderung der Sicherheiten führen können und daher ein erhöhtes Absicherungsbedürfnis gerechtfertigt erscheinen lassen.
- Für die Beurteilung, ob aus der Sicht eines potentiellen Kreditgebers eine Sicherheit im Sinne des Eigenkapitalersatzrechts als ausreichend zu qualifizieren ist, ist eine objektive Betrachtungsweise anhand der marktüblichen Gepflogenheiten geboten.
- Dabei muss der Umstand außer Betracht bleiben, dass es angesichts des starken Wettbewerbs im Kreditsektor auch Banken gibt, die weniger strenge Anforderungen an den Beleihungswert stellen.
Normenkette
EStG § 17 Abs. 2, 4; GmbHG a.F. § 32a Abs. 1
Streitjahr(e)
2008
Nachgehend
Tatbestand
Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Kläger war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der am „...”.1998 gegründeten „S-GmbH” (künftig: „S-GmbH”). Das Stammkapital betrug 50.000 DM (25.564,60 €). Gegenstand des Unternehmens war der An- und Verkauf von bebautem und unbebautem Grundbesitz sowie die Errichtung von Wohn- und Geschäftshäusern als Bauträger. Im Jahr 1999 erwarb die „S-GmbH” das mit einem Dreifamilienhaus bebaute Grundstück „C-Straße 4” und das unbebaute Grundstück „C-Straße 2”, beide belegen in „R-Stadt”. Bis Mai 2000 sollte auf dem Grundstück „C-Straße 2” ein Haus mit sechs Wohnungen errichtet werden. Zur Ablösung der über die „I-Bank” erfolgten Vorfinanzierung, die die „I-Bank” nicht hatte fortführen wollen, beantragte die „S-GmbH” im Jahr 1999 einen Kredit über 1,5 Mio. DM bei der „T-Bank” „E-Stadt”. Diese gewährte den Kredit unter der Bedingung, dass der Kläger eine unbeschränkte selbstschuldnerische Bürgschaft zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten der „S-GmbH” gegenüber der „T-Bank” „E-Stadt” übernahm. Am 26.5.1999 wurde ein entsprechender Bürgschaftsvertrag, auf den wegen der vertraglichen Einzelheiten Bezug genommen wird, geschlossen. Darüber hinaus standen der „T-Bank” „E-Stadt” als Kreditsicherheiten eine Grundschuld von 1 Mio. DM auf den Grundstücken „C-Straße 2” und „4” und eine Bürgschaft der „I-Bank” über 500.000 DM zur Verfügung.
Das Eigenkapital der „S-GmbH” entwickelte sich in den Jahren 1999 und 2000 gemäß der Bilanz auf den 31.12.2000 wie folgt:
|
31.12.1999 |
31.12.2000 |
Gezeichnetes Kapital |
50.000,00 DM |
50.000,00 DM |
Verlustvortrag |
3.026,57 DM |
119.871,63 DM |
Jahresfehlbetrag |
116.845,06 DM |
596.560,02 DM |
(Nicht gedeckter Fehlbetrag) |
69.871,63 DM |
666.431,65 DM |
Im Jahr 2003 geriet die „S-GmbH” in erhebliche Zahlungsschwierigkeiten. Im Januar 2004 wurde der Kläger erstmals aus der Bürgschaft in Anspruch genommen. Am 30.1.2008 wurde die „S-GmbH” schließlich wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht.
Im Rahmen des Veranlagungsverfahrens für das Streitjahr 2008 beantragte der Kläger die Berücksichtigung eines Verlustes gem. § 17 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 366.499 €. Der geltend gemachte Verlust setzte sich wie folgt zusammen:
Stammkapital |
25.564,60 € |
Inanspruchnahme aus Bürgschaft |
701.247,36 € |
Anwaltskosten |
6.186,00 € |
Verlust |
732.997,96 € |
Halbeinkünfteverfahren |
366.498,98 € |
Für die Zusammensetzung des Betrags von 701.247,36 € wird auf die der Einkommensteuererklärung beigefügte Anlage „Ermittlung des Aufgabeverlustes gem. § 17 EStG” Bezug genommen.
Der Beklagte (das Finanzamt --FA--) veranlagte die Kläger mit Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 8.2.2010. Den beantragten Verlust gem. § 17 Abs. 4 EStG berücksichtigte das FA dabei lediglich in Höhe der Hälfte des Stammkapitals (12.782 €). Aufwendungen im Zusammenhang mit der Bürgschaft berücksichtigte es dagegen nicht, da es die Auffassung vertrat, dass es sich um eine vor der Krise eingegangene und sodann stehen gelassene Bürgschaft handle, die zwar eigenkapitalersetzenden Charakter habe, aber mit einem Wert von 0 € zu bewerten sei.
Dagegen legten die Kläger fristgemäß Einspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, dass die Bürgschaft – wie sich aus den für 1999 und 2000 erzielten Verlusten der „S-GmbH” erg...