Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkünfte eines Rechtsanwalts aus der Tätigkeit als Insolvenzverwalter – Freiberufliche Tätigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die berufsmäßige Tätigkeit von Rechtsanwälten im Bereich der Insolvenzverwaltung ist eine vermögensverwaltende Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG, die sich unter Berücksichtigung der Vervielfältigungstheorie als gewerbliche Tätigkeit darstellen kann (hier: überregional an 3 Standorten tätiger RA, der 2-3 weitere RA, 1 Betriebswirt, 5-7 Rechtsanwalts- und Steuergehilfinnen sowie weitere Hilfskräfte beschäftigt).
  2. Dem BFH-Urteil vom 12.12.2001 XI R 56/00, BStBl II 2002, 202, ist insoweit keine rückwirkende Verschärfung der Rechtsprechung zu entnehmen.
  3. Für die Einordnung als freiberufliche Tätigkeit ist erforderlich, dass der Berufsträger im gesamten Aufgabenbereich des Insolvenzverwalters höchstpersönlich tätig wird. Die höchstpersönliche Tätigkeit im sog. Kernbereich der Insolvenzverwaltung reicht hierfür nicht aus (entgegen Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 21.06.2007 – 4 K 2063/05, EFG 2007, 1523).
  4. Die Insolvenzverwaltertätigkeit kann nicht in einen freiberuflichen, anwaltlichen Teil und einen vermögensverwaltenden, insolvenzspezifische Angelegenheiten betreffenden Teil aufgeteilt werden. Sie stellt vielmehr nach der Verkehrsauffassung eine einheitliche, steuerlich nicht trennbare Tätigkeit dar.
  5. Gewerbesteuermessbetrags- und Zerlegungsbescheide können aufgrund ihres beschränkten Regelungsgehalts nicht zu einer verfassungswidrigen Überbesteuerung führen.
  6. Einem seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelnden Stpfl. kann der Abzug der Gewerbesteuer im Entstehungsjahr im Wege der abweichenden Festsetzung aus Billigkeitsgründen ermessensfehlerfrei im Hinblick auf das Zu- und Abflussprinzip sowie das Prinzip der Abschnittsbesteuerung verwehrt werden.
  7. Der unberechtigte Verzicht auf die Festsetzung der Gewerbesteuermessbeträge gegenüber anderen Insolvenzverwaltern begründet keine Selbstbindung der Verwaltung.
 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 3, §§ 11, 15 Abs. 2 S. 1, § 18 Abs. 1 Nrn. 1, 3; GewStG § 2 Abs. 1; AO § 14 S. 3, §§ 163, 184 Abs. 2; FGO § 102; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 15.12.2010; Aktenzeichen VIII R 13/10)

BFH (Urteil vom 15.12.2010; Aktenzeichen VIII R 13/10)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Einkünfte des Klägers aus seiner Tätigkeit als Konkurs/Insolvenzverwalter gewerbliche Einkünfte darstellen und gewerbesteuerpflichtig sind.

Der Kläger ist Rechtsanwalt. Nachdem er zunächst als Sozius in verschiedenen Kanzleien überwiegend auf dem Gebiet der Insolvenzverwaltung tätig war, übte er ab „...” 1995 seine Tätigkeit als Insolvenzverwalter und Rechtsanwalt in einer Einzelkanzlei aus. In den Jahren 1995 bis 2000 unterhielt der Kläger Zweigstellen in „E-Stadt”, „D-Stadt” und „F-Stadt”. Er wurde – mit Ausnahme der ersten Jahre, in denen die Zahl geringer war – jährlich von verschiedenen Amtsgerichten mit der Verwaltung von etwa „...” bis „...” neuen Insolvenzfällen beauftragt. Die Bestellungen zum Insolvenzverwalter lauten alle auf seinen Namen. Die Abwicklung der Verfahren erstreckte sich oft über mehrere Jahre.

Der Kläger beschäftigte in den Jahren 1995 bis 1998 durchgehend zwei, in den Jahren 1999 bis 2000 drei Rechtsanwälte sowie fortlaufend einen „I-Ökonom” (Fachhochschulausbildung „...”), 5 bis 7 Fachkräfte (eine Industriekauffrau sowie Rechtsanwalts- und Steuergehilfinnen) und einige Hilfskräfte (z.B. Anwaltssekretärinnen und Studenten). Für 1995 bis 2000 fielen folgende Personalkosten an (in DM):

1995

1996

1997

1998

1999

2000

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Zur Bewertung und Verwertung von Massengegenständen wurden ausschließlich Subunternehmer (Gutachter und Verwerter) von dem Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter herangezogen.

Seine Einkünfte ermittelte der Kläger durch Einnahmen-Überschussermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG und erklärte sie in seinen Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 1995 bis 2000 unter der Berufsangabe „Rechtsanwalt/Konkursverwalter” als Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit in folgender Höhe:

1995

1996

1997

1998

1999

2000

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Die Erlöse im Zusammenhang mit der Insolvenzverwaltung zeichnete der Kläger getrennt von seinen Einnahmen aus der Beratung von Einzelmandaten auf. Aus den Gewinnermittlungen ergeben sich folgende Umsätze (in TDM):

Umsätze

1995

1996

1997

1998

1999

2000

Insolvenzverfahren

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sonstige Verfahren

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davon: Vergütungen § 5 InsVV

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und aus Einzelmandaten

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Gesamt

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Anteil Einzelmandate am Gesamtumsatz in %

1,43

2,41

1,72

1,18

1,03

2,60

Der Beklagte veranlagte den Kläger erklärungsgemäß zur Einkommensteuer und forderte keine Gewerbesteuererklärungen für die Jahre 1995 bis 2000 an.

Am 02.12.2002 ordnete der Beklagte beim Kläger eine Bet...

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