Entscheidungsstichwort (Thema)
Abzug von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung: Zwangsläufigkeit der Rechtverfolgung bei Erbstreitigkeiten – Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung – Existentiell wichtige Bedeutung des die Zahlungspflicht auslösenden Ereignisses – Drohende Teilungsversteigerung des Familienheims
Leitsatz (redaktionell)
- Zivilprozesskosten wegen Erbstreitigkeiten können aus rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen und daher als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sein, wenn die Steuerpflichtigen sich nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen haben und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aus Sicht eines verständigen Dritten hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten hätte (Anschluss an BFH-Urteil vom 12.05.2011 VI R 42/10, BStBl II 2011, 1015).
- Unabhängig davon ist auch das die Zahlungspflicht adäquat auslösende Ereignis für den Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn bei einem Unterliegen in dem Rechtsstreit um eine den Erbteil des Miterben beeinträchtigende Schenkung eine Teilungsversteigerung des Familienheims gedroht und damit ein existentiell wichtiger Bereich berührt gewesen wäre.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1, 2 S. 1
Streitjahr(e)
2011
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Berücksichtigung von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung.
Die klagenden Eheleute erzielten im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Ihr zu versteuerndes Einkommen betrug 53.010 €. Mit ihren beiden in den Jahren 2000 und 2002 geborenen Kindern bewohnten sie das Haus … in A-Stadt. In der Steuererklärung für das Streitjahr machten sie Zivilprozesskosten in Höhe von 7.485 € als außergewöhnliche Belastung geltend. Die Kläger sind nicht rechtschutzversichert.
Die Aufwendungen entstanden durch eine Erbstreitigkeit. Die Klägerin und ihre Eltern erwarben im Jahr 1995 zum Kaufpreis von 600.000 DM je zur Hälfte das Zweifamilienhaus … in A-Stadt. Den auf sie entfallenden Kaufpreisanteil finanzierte die Klägerin in Höhe von 200.000 DM. 100.000 DM wurden ihr von den Eltern im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zur Verfügung gestellt. Durch Testament setzten sich die Eltern der Klägerin wechselseitig als Erben ein. Der Längstlebende sollte von der Klägerin und ihrem Bruder (B) als Schlusserben beerbt werden, mit der Maßgabe, dass die Klägerin den bereits erhaltenen Betrag von 100.000 DM auszugleichen habe. Der Vater der Klägerin verstarb kurz danach. Die Mutter übertrug der Klägerin im Jahr 2000 ihren ½ Miteigentumsanteil. Als Gegenleistung erhielt die Mutter ein lebenslanges Wohnrecht an den Räumen im Erdgeschoss. Außerdem verpflichtete sich die Klägerin, die Mutter bis an ihr Lebensende zu betreuen und zu pflegen. Kurz danach verstarb der Bruder der Klägerin. Dessen Ehefrau schlug ihr Erbe aus, so dass er von seinem Adoptivsohn C (C) beerbt wurde. Als im Jahr 2004 die Mutter der Klägerin verstarb, wurde sie je zur Hälfte von der Klägerin und C beerbt. Dieser war der Auffassung, die Übertragung des ½ Miteigentumsanteils im Jahr 2000 stelle eine seinen Erbteil beeinträchtigende Schenkung dar und sei rückabzuwickeln. Als die Klägerin sich weigerte, verklagte er sie und beantragte, der Übertragung des im Jahr 2000 erworbenen hälftigen Miteigentumsanteils an dem Haus … auf die Erbengemeinschaft zuzustimmen und insoweit die Eintragung der Erbengemeinschaft im Grundbuch zu bewilligen. Außerdem beantragte er, festzustellen, dass die Klägerin gemäß § 2050 BGB die im Jahr 1995 erhaltene Geldzuwendung von 100.000 DM auszugleichen habe. Wegen der Hilfsanträge wird auf Blatt 35 der Finanzgerichtsakte verwiesen. Das Landgericht D verurteilte die Klägerin mit Urteil vom ….2011 (Aktenzeichen: …), an C 25.998 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszins ab dem 07.07.2007 zu zahlen. Das Gericht stellte außerdem fest, dass sich die Klägerin bei der Teilung des Nachlasses ihrer Mutter 51.129 € auf ihren Erbteil anrechnen lassen muss. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin wies das Oberlandesgericht D die Klage mit Urteil vom ….2012 insgesamt ab und verurteilte C zur Tragung aller Kosten (Aktenzeichen: …). Wegen weiterer Einzelheiten wird auf Blatt 30-55 der Finanzgerichtsakte verwiesen.
Für die erste Instanz entstanden der Klägerin Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 5.261 €. Durch die Einlegung der Berufung fielen Gerichtskosten in Höhe von 2.224 € an, die in Höhe von 100 € aber erst im Jahr 2012 entrichtet wurden.
In dem Einkommensteuerbescheid vom 30.11.2012 lehnte das beklagte Finanzamt (FA) die Berücksichtigung einer außergewöhnlichen Belastung ab.
Die Kläger legten am 12.12.2012 Einspruch ein und trugen vor, es sei ihnen bekannt, dass der Fiskus das Urteil des BFH zu Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung vom 12.06.2011 VI R 42/10 (Fundstelle: BStBl II, 2011, 1015) über den Einzelfall hinaus nicht anwende. Aber die Aufwen...