Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf eine höhere Festsetzung des Kindergeldes

 

Leitsatz (redaktionell)

Der nach nationalem Recht (§ 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) bei Ausschluss des Anspruchs auf Familienbeihilfe in Polen gegebene Kindergeldanspruch polnischer Wanderarbeitnehmer für ihre in Polen wohnhaften Kinder ist auch nicht aufgrund der Regelungen in Art. 12 Abs. 2, 76 VO 1408/71/EWG oder Art. 7 Abs. 1, 10 VO 574/72/EWG zu kürzen.

 

Normenkette

EStG § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; VO 1408/71/EWG Art. 12 Abs. 2, Art. 76; VO 574/72/EWG Art. 7 Abs. 1, Art. 10; DAüzV 206

 

Streitjahr(e)

2005, 2006

 

Tatbestand

I.

Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten, Kindergeld für seine 1994 und 1996 geborenen Kinder „A” und „B” in Höhe von monatlich 154 Euro statt lediglich 77 Euro festzusetzen.

Der in Polen gebürtige Kläger ist seit 1983 deutscher Staatsangehöriger (Kindergeldakte KG-Akte Bl. 1, 45, 96, 106, 112). Seine Ehefrau ist polnische Staatsangehörige (z. B. KG-Akte Bl. 18). „A” wurde am 15. Februar 2002 aus dem Haushalt des Klägers abgemeldet. Als Auszugsdatum wurde der 25. September 2001 angegeben (KG-Akte Bl. 36). Der Kläger begründete dies damit, dass „A” aus gesundheitlichen Gründen keine Schule in Deutschland habe besuchen können. Er wohne während der Unterrichtszeit bei seiner Großmutter mütterlicherseits, einer pensionierten Lehrerin, und seinem seinerzeit 24 Jahre alten Bruder in Polen (KG-Akte Bl. 35, 45, 47, 61). Seit dem 27. Juni 2003 ist „A”, der weiterhin die Schule in Polen besucht, wieder im Haushalt des Klägers gemeldet (KG-Akte Bl. 55). „B” besucht ebenfalls in Polen die Schule.

Der Kläger beantragte am 28. September 2005 (Eingang bei der Familienkasse) unter Vorlage in Polen ausgestellter, nicht übersetzter Bescheinigungen Kindergeld für seine Kinder (KG-Akte Bl. 72 ff.). Die Familienkasse bat ihn, noch eine Familienstandsbescheinigung (Vordruck E 401) und einen Nachweis über Familienleistungen in Polen (Vordruck E 411) vorzulegen. Mangels Eingang dieser Unterlagen lehnte sie den Antrag durch Bescheid vom 13. März 2006 ab. Der Kläger legte dagegen per E-Mail Einspruch ein, dessen Eingang die Familienkasse ihm mit Schreiben vom 5. April 2006 bestätigte (KG-Akte Bl. 81, 92). Die Regionalny Osrodek Polityki Spolecznej w „C” übersandte der Familienkasse am 5. April 2006 die ausgefüllten Vordrucke E 401 und E 411 (KG-Akte Bl. 94-98). In beiden Vordrucken ist als Anschrift der Ehefrau des Klägers eine von dessen inländischer Anschrift abweichende Anschrift in Polen angegeben. Im Vordruck E 411 bescheinigte die polnische Behörde, dass die Ehefrau des Klägers seit dem 1. Mai 2004 in Polen weder einer Beschäftigung nachgegangen sei („did not pursue an occupation”) noch Familienleistungen beansprucht habe („has not submitted a claim”). Die Familienkasse hob daraufhin den Bescheid vom 13. März 2006 auf (KG-Akte Bl. 105) und setzte durch Bescheid vom 11. Juli 2006 Kindergeld für beide Kinder in Höhe von 77 Euro seit dem Monat der Antragstellung fest. Sie begründete dies damit, dass für die Kinder des Klägers aufgrund der Staatsangehörigkeit seiner Ehefrau ein Anspruch auf Kindergeld nicht nur in Deutschland, sondern auch in Polen bestehe. Aus der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (Verordnung Nr. 1408/71), lasse sich kein vorrangiger Anspruch in Deutschland ableiten. Der Anspruch in Polen schließe daher den Anspruch in Deutschland gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) aus. Auch eine Aufstockung ausländischer, dem deutschen Kindergeld vergleichbarer Leistungen sei nicht vorgesehen. Der vollständige Verlust des Anspruchs auf Kindergeld nach den §§ 62 ff. EStG sei jedoch mit dem Sinn und Zweck der gemeinschaftsrechtlichen Konkurrenzvorschriften nicht vereinbar. Vielmehr vermindere sich nach Art. 12 Abs. 2 Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 i. V. m. Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie ihre Familienangehörigen, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (Verordnung Nr. 574/72), der inländische Anspruch auf die Hälfte, d. h. auf 77 Euro je Kind (KG-Akte Bl. 110 f.).

Der Kläger legte dagegen Einspruch ein, mit dem er Kindergeld rückwirkend ab Mai 2004 in ungekürzter Höhe begehrte. Er verwies darauf, dass er seit 1983 in Deutschland lebe. Auch seine Ehefrau lebe in Deutschland. Seine Kinder lebten bei den Großeltern in Polen, die keinen Anspruch auf Familienleistungen in Polen hätten (KG-Akte Bl. 112). Der Kläger reichte eine Meldebescheinigung der Stadt „D” vom 21. Juli 2006 nach, nach der seine Ehefrau seit dem 21. März 1994 mit Hauptwohnung in „D” gemeldet ist (KG-Akte Bl. 116). Die Familienkasse half dem Einspruch durch Bescheid vom 15. November 2006 (...

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