vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Abzug von Strafverteidigungskosten als Werbungskosten: Überlagerung des beruflichen Veranlassungszusammenhangs bei Untreue – Relevanz des Tatvorwurfs bei Einstellung des Ermittlungsverfahrens

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Versagung des Abzugs von Strafverteidigungskosten eines angestellten Geschäftsführers als nachträgliche Werbungskosten aufgrund eines überlagernden privaten Veranlassungszusammenhangs kann nicht allein auf den erhobenen Tatvorwurf der Untreue gestützt werden, wenn das deswegen geführte und sodann eingestellte Ermittlungsverfahren keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine vorsätzliche Schädigungs- oder Bereicherungsabsicht ergeben hat (entgegen FG Thüringen, Urteil vom 12.02.2014 - 3 K 926/13, EFG 2014, 1662).

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1

 

Streitjahr(e)

2019

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die steuerliche Berücksichtigung von Strafverteidigungskosten als (nachträgliche) Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers als ehemaligem Geschäftsführer bzw. Syndikusanwalt in Gesellschaften des X.-Konzerns.

Die Kläger sind Eheleute und werden für das Streitjahr 2019 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Rechtsanwalt und erzielte im Streitjahr Einkünfte aus selbständiger Arbeit.

Der Entstehung der im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Strafverteidigungskosten liegt eine Strafanzeige der X. AG vom 04.04.2012 gegen den Kläger und weitere leitende Personen des X.-Konzerns zugrunde (Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft W. Az. N01 Bd. 1 Bl. 4 ff.).

Die X. AG (heute X. SE) - eine globale Anbieterin von Lösungen…- übt ihr operatives Geschäft über eine Tochtergesellschaft, die X. E. GmbH (vormals X. M. GmbH), und deren zahlreiche Tochtergesellschaften aus. Der Kläger war in drei dieser Konzerngesellschaften in leitenden Funktionen angestellt. Von 2004 bis 2011 war er Chefsyndikus der X. Q. GmbH (im Folgenden: X. Q.) und als solcher verantwortlich für alle rechtlichen, wirtschaftlichen und finanziellen Fragen der Gesellschaft. In den Jahren 2006 bis 2010 war er zudem Geschäftsführer der X. C. GmbH (im Folgenden: X. C.) sowie zwischen 2006 und 2011 Geschäftsführer der N. GmbH (im Folgenden: N.). Weiterer und nach dem Vortrag des Klägers allein für das operative Geschäft verantwortlicher Geschäftsführer der X. C. und der N. war J. U., der bis zu einer außerordentlichen Kündigung im Jahr 2011 auch Mitgeschäftsführer der X. M. GmbH war. U. war zudem Anteilseigner und Geschäftsführer weiterer, nicht mit dem X.-Konzern verbundener Gesellschaften.

Ausgangspunkt der strafrechtlichen Vorwürfe gegen den Kläger (und weitere Personen) in der Strafanzeige der X. AG waren Vorwürfe gegen U., der u.a. beschuldigt wurde, seinen Gestaltungsspielraum im X.-Konzern kontinuierlich genutzt zu haben, um seine persönlichen und außerhalb des Konzerns liegenden Geschäftsinteressen unter Schädigung der X. AG und ihrer Konzerngesellschaften zu verfolgen. U. habe insbesondere - unter Bestechung hochrangiger Mitglieder auf Vorstands- und Geschäftsführerebene - namens der X.-Gruppe Transaktionen durchgeführt, die allein seinem persönlichen Vorteil gedient hätten. So sollen zum einen für Gesellschaften des X.-Konzerns nachteilige Mietverträge mit Gesellschaften des U. geschlossen worden sein. Zum anderen sollen Tätigkeiten, die zuvor durch die N. gegenüber einem Großkunden, der V. AG, erbracht worden waren (Reinigungsleistungen) bzw. durch die X. C. hätten erbracht werden sollen (Arbeitnehmerüberlassung, Montagedienstleistungen), auf Veranlassung des U. sowie anderer Personen auf vom X.-Konzern unabhängige Gesellschaften des U. verlagert worden sein.

Dem Kläger wurde in der Strafanzeige vorgeworfen, als Geschäftsführer der zum X.-Konzern gehörenden Gesellschaften am Abschluss mehrerer für die X.-Gruppe nachteiliger Gewerbemietverträge mit Gesellschaften des U. beteiligt gewesen zu sein, wodurch den Gesellschaften ein Schaden von insgesamt über…€ entstanden sei. U. habe hierfür die Weichen gestellt, indem er dem Kläger verschiedene Geschäftsführungs-, Vorstands- und Aufsichtsratspositionen in seinen Unternehmen verschafft habe.

Infolge der Anzeige ermittelte die Staatsanwaltschaft W. gegen den Kläger - nach diversen verfahrensrechtlichen Abtrennungen zuletzt unter den Aktenzeichen N01 und N02 - wegen des Vorwurfs der (Beihilfe zur) Untreue gemäß § 266 des Strafgesetzbuchs (StGB) und der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr gemäß § 299 StGB. Mit seiner anwaltlichen Vertretung in diesen Verfahren beauftragte der Kläger im April 2012 die Rechtsanwaltskanzlei O..

Im Laufe der Ermittlungen wurde neben dem ursprünglichen Vorwurf aus der Strafanzeige auch eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Klägers im Hinblick auf die Verlagerung von Geschäftsfeldern des X.-Konzerns auf Gesellschaften des U. geprüft. Der Staatsanwaltschaft zufolge bestand der Verdacht, dass der Kläger als zeitweili...

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