Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerpflichtiges Verbringen von Zigaretten nur bei Kenntnis des gewerblichen Zwecks
Leitsatz (redaktionell)
- Der die Steuerpflicht begründende gewerbliche Zweck des Verbringens von Zigaretten erfordert, dass dem steuerpflichtigen Verbringer der gewerbliche Zweck und damit der Umstand, dass überhaupt verbrauchsteuerpflichtige Waren verbracht werden, bekannt ist.
- Ergibt sich der gewerbliche Zweck allein aus der Menge der in das Steuergebiet beförderten Zigaretten, so muss der Verbringer Vorstellungen über die von ihm beförderte Warenmenge haben, aufgrund derer auf das gewerbliche Verbringen geschlossen werden kann.
- Die Annahme von Besitz im Sinne des Art. 7 Abs. 3 RL 92/12/EWG scheidet aus, wenn der tatsächliche Wille fehlt, die Sachherrschaft über die verbrauchsteuerpflichtige Ware auszuüben.
- Die rein objektive Auslegung des Verbringens in Art. 202 Abs. 1 Buchst. a ZK kann nicht auf den Verkehr mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren im Binnenmarkt übertragen werden.
- An der im Senatsbeschluss vom 01.08. 2005, 4 V 2072/05 A (VTa,Z,EU) geäußerten gegenteiligen Rechtsansicht wird nicht mehr festgehalten.
Normenkette
TabStG §§ 19-20; RL 92/12/EWG Art. 3, 7; ZK Art. 202
Streitjahr(e)
2005
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen seine Inanspruchnahme für Tabaksteuer durch den Beklagten.
Der Kläger war Lastwagenfahrer und erhielt nach seinen Darstellungen am 17.05.2005 von seinem Arbeitgeber, einer Spedition, den Auftrag, für die Firma A in X /Polen Möbel zu laden und diese nach Schottland zu bringen. Bei der Firma angekommen wurde der LKW des Klägers durch Dritte mit verpackten Möbeln (Sessel, Sofas) beladen. Der Kläger belud ihn nicht selbst. Zugleich erhielt der Kläger die Frachtpapiere und die Mitteilung, Empfänger der Ware sei zunächst eine Firma in Y/Deutschland. In Y werde er eine Person treffen, mit der er telefonisch Kontakt aufnehmen solle und die ihm Papiere für den Weitertransport nach Schottland geben werde. Der Kläger fuhr daraufhin zunächst wieder zu seiner Spedition und erhielt von dieser die Reservierung für eine Fähre und eine neue Streckenkarte. Auch bestätigte ihm die Spedition, dass er in Y eine Person treffen werde, von der er neue Frachtpapiere erhalten werde.
Westlich von Z auf der Bundesautobahn A 2 am Morgen des 18.05.2005 nahm nach den Angaben des Klägers die Person mit ihm Kontakt auf und übergab ihm auf einer Autobahnraststätte verabredungsgemäß einen neuen Frachtbrief unter Austausch gegen den dem Kläger zuvor übergebenen Frachtbrief. Auf dem ihm übergebenen Frachtbrief trug der Kläger noch die Kennzeichen seines Lastzuges ein, während die Person den Frachtbrief noch mit Firmenstempeln einer Firma „B GmbH & Co KG, Y” versah.
Der dem Kläger in X übergebene Frachtbrief bezeichnete als Absender die Firma A, als Empfänger die B GmbH & Co KG in S (Deutschland) und als Auslieferungsort Y. Demgegenüber bezeichnete der dem Kläger übergebene neue Frachtbrief als Absender die B GmbH & Co KG, S und als Empfänger die C in M (Schottland). Als Frachtführer und Ausfertiger des Frachtbriefs war eine „ B GmbH & Co KG, Y” angegeben.
Am 18.05.2005 wurde der Lastzug des Klägers von Beamten der Mobilen Kontrollgruppe des Beklagten auf der Bundesautobahn A 40 in Fahrtrichtung Niederlande kontrolliert. Dabei fanden die Beamten in den geladenen Möbeln versteckt 7.979 Stangen unversteuerter Zigaretten der Marke ....... aus dem freien Verkehr Polens.
Der Kläger wurde sodann inhaftiert und blieb bis zu seiner strafgerichtlichen Hauptverhandlung in Untersuchungshaft.
Weitere Ermittlungen ergaben, dass die B GmbH & Co KG, S weder eine Niederlassung in Y hatte, noch dass sie in Polen Möbel zur Lieferung nach Schottland bestellt hatte.
Mit Bescheid vom 15.06.2005 nahm der Beklagte den Kläger für die von ihm nach Deutschland verbrachten Zigaretten für Abgaben in Höhe von zusammen 235.155,94 EUR (195.897,22 EUR Tabaksteuer und 39.258,72 EUR Einfuhrumsatzsteuer) in Anspruch, da für die Zigaretten die Tabaksteuerschuld mit ihrem vorschriftswidrigen Verbringen entstanden sei. Steuerschuldner sei der Verbringer.
Dagegen legte der Kläger durch den Rechtsanwalt, der auch seine Strafverteidigung übernommen hatte, fristgerecht Einspruch ein.
Mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 15.09.2005 „ Az” verurteilte das Amtsgericht ........ den Kläger wegen Steuerhehlerei zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung. Hierbei ging es von einer geständigen Einlassung des Klägers aus.
In der strafgerichtlichen Hauptverhandlung gab der Kläger nach dem vom Sitzungsvertreter des Beklagten gefertigten Protokoll an, ihm seien die Gesamtumstände, insbesondere das Auswechseln der Papiere merkwürdig vorgekommen. Er habe es daher für möglich gehalten, dass er mit Schmuggelgut fahre.
Den nicht weiter begründeten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 14.11.2005 als unbegründet zurück.
Die Einspruchsentscheidung wurde am 15.11.200...