Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen als sonstige Einkünfte: Auszahlung von Sterbegeld aus der betrieblichen Altersversorgung an die Erben – Sterbegeld als Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Besteuerung als sonstige Einkünfte unterliegende Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen i.S.d. § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG liegen auch dann vor, wenn das Sterbegeld aus der betrieblichen Altersversorgung an die Erben, die nicht zugleich Hinterbliebene i. S. der Altersvorsorgeversicherung sind, ausgezahlt wird (Urteil im 2. Rechtsgang; vorgehend BFH-Urteil vom 05.11.2019 X R 38/18, BFH/NV 2020, 673).
2. Das Sterbegeld stellt als untergeordnete Zusatzleistung zu den laufenden Rentenbezügen keine der Tarifermäßigung nach § 34 EStG unterliegende Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit dar.
Normenkette
EStG § 3 Nr. 63, § 22 Nr. 5 S. 1, § 24 Nr. 2, § 34 Abs. 1, 2 Nr. 4, § 35b
Tatbestand
Die Kläger streiten über die nachträgliche Besteuerung einer als Gesamtrechtsnachfolger ihres am 00 .09.2012 verstorbenen Sohnes erhaltenen Einmalzahlung nach § 22 des Einkommensteuergesetzes -EStG-.
Für den gemeinsamen Sohn (S) der Kläger hatte dessen damaliger Arbeitgeber im Jahr 2004 eine betriebliche Altersversorgung über eine Pensionskasse eingerichtet (Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht). Die Beiträge wurden gemäß § 3 Nr. 63 EStG als steuerfrei behandelt. Versicherte Person sowie Bezugsberechtigter im Erlebensfall war S. Bezugsberechtigte im Todesfall waren die Hinterbliebenen i. S. des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG). Der Begriff der „Hinterbliebenen” wurde in einer Anlage zum Versicherungsschein dahingehend erläutert, dass darunter der überlebende Ehepartner bzw. eingetragene Lebenspartner, ersatzweise die Kinder und der überlebende Lebensgefährte zu verstehen seien.
Im Streitjahr 2012 verstarb S. Hinterbliebene i.S. des BetrAVG waren nicht vorhanden. Erben wurden beide Kläger zu gleichen Teilen. Die Pensionskasse teilte dem Kläger am 12.10.2012 mit, durch den Tod des S sei eine „versicherte Leistung” von 8.000 EUR fällig geworden. Die Zahlung werde gemäß § 33 des Erbschaft- und Schenkungssteuergesetzes (ErbStG) dem zuständigen Finanzamt mitgeteilt.
Mit nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geändertem Einkommensteuerbescheid 2012 vom 19.12.2017 erfasste der Beklagte erstmals das Sterbegeld als Einkünfte nach § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG und rechnete es - nach Abzug des Werbungskostenpauschbetrags von 102 EUR - allein dem Kläger zu. Die Kläger legten hiergegen Einspruch ein und vertraten die Auffassung, die Leistung der Pensionskasse falle in den Nachlass und sei daher nicht einkommensteuerpflichtig.
Nach Zurückweisung des Einspruchs mit Einspruchsentscheidung vom 15.08.2018 brachten die Kläger im Klageverfahren ergänzend vor, die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO seien nicht erfüllt.
Der hiesige Senat wies die Klage mit Urteil vom 06.12.2018 ab. Zur Begründung führte es aus, § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG erfasse sämtliche Leistungen aus „Altersvorsorgeverträgen”. Die Vorschrift sei autonom auszulegen. Gemäß § 24 Nr. 2 EStG seien auch solche Einkünfte steuerpflichtig, die den Klägern als Rechtsnachfolger zugeflossen seien. Dies werde durch § 35b EStG bestätigt.
Auf die Revision der Kläger hob der Bundesfinanzhof -BFH- diese Entscheidung mit Urteil vom 05.11.2019 (X R 38/18, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2020, 673) auf und wies die Sache an den Senat zurück. Das Finanzgericht -FG- habe keine Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 173 AO getroffen. Sollten die - ebenfalls noch nachzuholenden - Feststellungen zur Rechtsgrundlage der Zahlung keine neuen entscheidungserheblichen Gesichtspunkte ergeben, bejahe der BFH (wie das FG) eine Steuerpflicht des Sterbegeldes nach § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG; indes sei der Betrag ggf. auf beide Kläger zu verteilen. Die Festsetzungsfrist sei gewahrt. Das FG möge noch die Frage der Tarifermäßigung nach § 34 EStG prüfen. Die Kläger hätten zugleich Gelegenheit, die behauptete Doppelbelastung (ESt und ErbSt) näher darzulegen.
Auf die gerichtliche Aufklärungsverfügung vom 17.04.2020 hin haben die Kläger ergänzend vorgetragen:
In verfahrensrechtlicher Hinsicht rügen sie erneut, die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO seien nicht erfüllt, weil die maßgebenden Umstände dem Beklagten bereits vor der ursprünglichen Veranlagung für 2012, nämlich im Oktober 2012, bekannt gewesen seien. Die Pensionskasse habe in ihrem Schreiben vom 12.10.2012 ausgeführt, dass sie nach § 33 ErbStG zur Mitteilung der Auszahlung an das Finanzamt -FA- verpflichtet sei. Diese Mitteilung müsse gemäß § 33 Abs. 3 ErbStG vor der Auszahlung erfolgen. Da die Zahlung im Zeitpunkt des Schreibens schon veranlasst gewesen sei, habe der Beklagte also damals schon alle Umstände gekannt. Dann sei bei Erlass des Bescheides auch bereits Verjährung eingetreten gewesen.
Die Auszahlung sei an sie - ...