vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld: Verrechnung mit Asylbewerberleistungen – Rückforderung wegen Unterbrechung der Erwerbstätigkeit
Leitsatz (redaktionell)
- Bezieht ein Asylbewerber aufgrund der Nichtanzeige einer Unterbrechung seiner Erwerbstätigkeit unberechtigt Kindergeld, das mit Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz verrechnet wird, ist die Familienkasse ungeachtet der daraus resultierenden „Ersparnis” des Sozialleistungsträgers nicht zum Erlass des Rückforderungsanspruchs aus sachlichen Billigkeitsgründen verpflichtet.
- Eine solche Verpflichtung kommt nur in Betracht, wenn der Kindergeldberechtigte seine Mitwirkungspflichten erfüllt hat, die Familienkasse hingegen nicht alles ihr Mögliche und Zumutbare getan hat, um die ungerechtfertigte Kindergeldgewährung zu vermeiden.
- Ein Fehlverhalten des das Kindergeld anrechnenden Sozialleistungsträgers kann der Familienkasse nicht entgegengehalten werden.
Normenkette
AO § 227 Abs. 1; FGO § 102; EStG § 62
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 16.07.2012; Aktenzeichen V R 40/11) |
Tatbestand
Der Kläger stammt aus dem Kosovo (ehemaliges Jugoslawien) und gehört der albanischen Volksgruppe an. Der Kläger war zunächst im Besitz einer Duldung (Aussetzung der Abschiebung) und ist seit Oktober 2007 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 erste Alternative des Aufenthaltsgesetzes – AufenthG. Er erhielt seit September 2001 antragsgemäß Kindergeld für seine Kinder, die Zwillinge „A” und „B” (geboren im Juli 1997). Nachdem die zuständige Familienkasse erfahren hatte, dass der Kläger von Mai bis Dezember 2006 nicht erwerbstätig gewesen war, sondern nur Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz – AsylBLG bezogen hatte, forderte sie das für diesen Zeitraum gezahlte Kindergeld in Höhe von 2.464 Euro vom Kläger zurück. Zur Begründung verwies die Familienkasse darauf, bei Bezug des Kindergelds nach überstaatlichen Rechtsvorschriften [gemeint war das weitergeltende deutschjugoslawische Abkommen für Arbeitnehmer über Soziale Sicherheit] sei ein Kindergeldanspruch nur gegeben, wenn der Betroffene eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausübe, Krankengeld, Arbeitslosengeld I oder Elterngeld beziehe. Da der Kläger im Streitzeitraum diese Voraussetzungen nicht erfüllt habe, sei die Kindergeldfestsetzung rückwirkend aufzuheben und das zu Unrecht gewährte Kindergeld zurückzufordern (Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 11.10.2007). Der hiergegen erhobene Einspruch des Klägers (Einspruchsentscheidung vom 18.03.2008) blieb ohne Erfolg; die anschließend beim Finanzgericht Münster erhobene Klage (Aktenzeichen) wurde mit Urteil vom 17.09.2008 rechtskräftig abgewiesen.
Mit Schreiben vom 21.05.2008 beantragte der Kläger, fachkundig vertreten, den Rückforderungsanspruch aus Billigkeitsgründen zu erlassen. Er verwies auf das Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH vom 15.03.2007 - III R 54/05, BFH/NV 2007, 1298 und führte weiter aus, hätte man im Mai 2006 sogleich festgestellt, dass ihm kein Kindergeld mehr zustehe, hätte er ungekürzte Leistungen nach dem AsylBLG erhalten, ohne später mit einer Rückforderung belastet zu sein. Durch die unglückliche Konstellation, dass die Leistungen nach dem AsylBLG gekürzt worden seien, sei nunmehr für ihn (den Kläger) eine Finanzierungslücke entstanden, die bei anfänglicher korrekter Prüfung durch die Behörden nicht entstanden wäre. Dies rechtfertige einen Erlass aus Billigkeitsgründen.
Die für (Billigkeits-)Maßnahmen im Zusammenhang mit der Erhebung von Kindergeld zuständige Beklagte erbat nähere Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers. Dieser erklärte, dass er aus einer Tätigkeit in einem Schnellrestaurant monatliche Einkünfte von 982,12 Euro erhalte, angesichts einer monatlichen Mietzahlung von 572 Euro (zzgl. 77 Euro Strom) und bei einer Unterhaltsverpflichtung gegenüber Ehefrau und 2 Töchtern, die sämtlich keine Einkünfte erzielten.
Daraufhin lehnte die Beklagte einen Forderungserlass aus Billigkeitsgründen ab (Bescheid vom 12.09.2008). Zur Linderung der wirtschaftlichen Notsituation bot sie eine Stundung gegen monatliche Raten von 30 Euro an und wies auf Aufrechnungsmöglichkeiten nach § 75 EStG hin. Ein Billigkeitserlass der Forderung aus persönlichen Gründen sei allerdings nicht geboten.
Hiergegen erhob der Kläger Einspruch. Er trug vor, er sei weder jetzt noch auf absehbare Zeit in der Lage, die Rückforderung zu erfüllen. Ihm diese zinspflichtig zu stunden, führe nicht weiter. In die missliche Lage sei er überhaupt nur geraten, weil die Familienkasse ihm Kindergeld gezahlt habe, ohne dass er einen Anspruch darauf gehabt habe. Diesen Fehler müsse die Familienkasse nunmehr korrigieren. Wäre damals kein Kindergeld gewährt worden, hätte der Kläger in gleicher Höhe zu Recht andere Sozialleistungen erhalten. Es sei ungerecht und deshalb unbillig, nunmehr auf der Rückforderung des Kindergelds zu bestehen. Die für Einsprüche in Erhebungssachen der...