vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [I R 2/07)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer und Zuständigkeit der Kirchenbehörde
Leitsatz (redaktionell)
- Einwendungen gegen die Berechnung der Kirchensteuer-Bemessungsgrundlage unter Einbeziehung der steuerfreien Halbeinkünfte (§ 51a Abs. 2 EStG) sind nicht durch Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid zu verfolgen, sondern gegen den Kirchensteuerbescheid geltend zu machen.
- Die Bestimmung der Bemessungsgrundlage nach § 51a EStG ist keine selbständig anfechtbare gesonderte Feststellung, sondern eine unselbständige Berechnung ohne bindende Außenwirkung, die zum Aufgabenbereich der Kirche gehört und nicht den Begriff der „Maßstabsteuer” i.S. von § 14 Abs. 6 Satz 1 KiStG erfüllt. Die Finanzbehörde wird insoweit im Auftrag der Kirchenverwaltung tätig.
- Ein von der Finanzbehörde auf einen als Rechtsbehelf gegen den Kirchensteuerbescheid auszulegenden Einspruch durchgeführtes Vorverfahren reicht als Sachentscheidungsvoraussetzung nicht aus, weil der adäquate, vollständige außergerichtliche Rechtsschutz des Steuerpflichtigen nicht sichergestellt ist.
- Beruhen die Verfahrenskosten auf einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung und der Durchführung des falschen Vorverfahrens durch die beklagte Behörde, sind dieser die Kosten des durch Prozessurteil abgeschlossenen Verfahrens aufzuerlegen.
Normenkette
EStG § 51a; KiStGNW §§ 4, 9, 14; KiStO § 25 Abs. 2 S. 1; AO § 110 Abs. 2, §§ 157, 199 Abs. 1, § 351 Abs. 2, § 356; FGO § 44 Abs. 1, § 137 S. 2
Streitjahr(e)
2004
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger gehört der evangelischen Kirche an; er wird einzeln zur Einkommensteuer veranlagt.
Im Einkommensteuerbescheid 2004 vom 01. August 2006 erfasste der Beklagte Kapitaleinnahmen des Klägers, die dem Halbeinkünfteverfahren (vgl. § 3 Nr. 40 des Einkommensteuergesetzes – EStG –) unterliegen, nur zur Hälfte; ein Betrag von 2.090 EUR blieb steuerfrei. Die Kirchensteuer berechnete der Beklagte unter Anwendung des § 51a Abs. 2 EStG wie folgt:
zu versteuerndes Einkommen |
48.792 |
|
zzgl. steuerfreie Halbkünfte |
2.090 |
|
maßgebendes zu versteuerndes Einkommen |
50.882 |
|
darauf entfallende ESt unter Berücksichtigung der Steuerermäßigungen |
|
13.024 EUR |
Bemessungsgrundlage |
|
13.024 EUR |
9 v.H. ev. KiSt |
|
1.172,16 EUR |
Die dem Bescheid beigefügte programmgesteuerte Rechtsbehelfsbelehrung lautet (auszugsweise) wie folgt: „Gegen die Festsetzung der Kirchensteuer ist ebenfalls der Einspruch gegeben. Der Einspruch ist bei dem vorbezeichneten Finanzamt einzureichen, wenn er sich gegen die Höhe der der Festsetzung zugrunde gelegten Bemessungsgrundlage richtet. Ein Einspruch gegen die Festsetzung der Kirchensteuer, der sich auf Gründe stützt, die nicht mit der Berechnung der zugrunde gelegten Bemessungsgrundlage zusammenhängen, ist insoweit bei der Gemeinsamen Kirchensteuerstelle beim Landeskirchenamt einzureichen.”
Der Kläger legte beim Beklagten Einspruch gegen den „Bescheid für 2004 über Einkommensteuer usw. betr. Kirchensteuer” ein „wegen der Höhe der Festsetzung der Bemessungsgrundlage für die Kirchensteuer durch die mehrfach verfassungswidrige Hinzurechnung der Halbeinkünfte”. Der Beklagte erließ am 14. September – aus hier nicht streitgegenständlichen Gründen – einen Änderungsbescheid, mit dem die Kirchensteuer auf 1.144,53 EUR festgesetzt wurde. Den Einspruch wies er mit Entscheidung vom 15. September 2005 als unbegründet zurück. Die Kirchensteuer sei auf der Grundlage des § 51a Abs. 2 EStG zutreffend berechnet. Die Steuereinziehung durch den Staat verstoße nicht gegen Art. 137 Abs. 3 WRV; die Festsetzung und Erhebung der Kirchensteuer durch die Finanzverwaltung beruhe auf einem entsprechenden Antrag der Kirchen i.S. von § 9 KiStG. Gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid vom 14. September 2005 sowie die dort ausgewiesene Abrechnung hat der Kläger erneut Einspruch eingelegt, über den der Beklagte noch nicht entschieden hat.
Mit der Klage macht der Kläger geltend, sein gegen die Kirchensteuer gerichetes Vorbringen werde verdreht und unterdrückt. Es gehe ihm nicht um die Steuererhebung, sondern um die Festsetzung. Das Kirchensteuergesetz des Landes Nordrhein-Westfalen – KiStG – „privilegiere die Kirchen bei Nichtberücksichtigung des Halbeinkünfteverfahrens in der Kirchensteuer”. Das Gesetz sei zwar nicht wegen seines Zustandekommens, aber im Hinblick auf seinen Inhalt verfassungswidrig; der Senat müsse die Sache daher dem Bundesverfassungsgericht vorlegen. Auch die Vereinbarkeit mit EU-Recht sei fraglich.
Der Kläger beantragt,
den angefochtenen Kirchensteuerbescheid 2004 in der Weise zu ändern, dass die bei der Einkommensteuer steuerfrei gebliebenen Halbeinkünfte für Zwecke der Kirchensteuer ebenfalls steuerfrei bleiben,
hilfsweise die Frage dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweis...