Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewinn aus privater Grundstücksveräußerung – Verlängerung der Spekulationsfrist durch das StEntlG 1999 – Abgrenzung des steuerfreien Anteils des Wertzuwachses bis zum 31.3.1999
Leitsatz (redaktionell)
- Bei der Ermittlung des nach dem Beschluss des BVerfG vom 07.07.2010 2 BvL 14/02 u.a. (BStBl II 2011, 76) steuerfrei zu stellende Anteils des Gewinns aus privater Grundstücksveräußerung in der Zeit von der Anschaffung bis zur Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 am 31.03.1999 sind die die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mindernden Sonderabschreibungen nach dem FöGbG direkt den Besitzzeiten zuzuordnen, in denen sie tatsächlich gewährt wurden und sich steuerlich im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ausgewirkt haben.
- Die Höhe des bis zum 31.03.1999 infolge der gewährten Sonderabschreibungen entstandenen Wertzuwachses steht fest und ist einer Schätzung gemäß § 162 AO nicht zugänglich.
- Sofern die Finanzbehörde davon abweichend eine andere Wertermittlung zugrunde legen will, trifft sie die Feststellungslast für die Höhe eines nach dem 31.03.1999 entstandenen Veräußerungsgewinns.
Normenkette
EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 § 52 Abs. 39 S. 1; EStG § 10d Abs. 4, § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 4
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der Gewinn aus der Veräußerung eines Grundstücks zu den sonstigen Einkünften im Sinne der §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) gehört.
Die Kläger sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden.
Der Kläger erwarb mit notariell beurkundetem Vertrag vom 28.06.1996 das Grundstück A in B einschließlich eines noch zu errichtenden Einfamilienhauses zu einem Preis von 285.000 DM (umgerechnet 145.718 Euro). Hinsichtlich der Gebäudeherstellungskosten i.H.v.138.120 Euro machte er eine Sonderabschreibung nach dem Fördergebietsgesetz (FöGbG) i.H.v. insgesamt 68.530 Euro (67.999 Euro für 1996, 210 Euro für 1997 und 321 Euro für 1998) geltend. Im Übrigen erfolgten Absetzungen für Abnutzung (AfA) gemäß § 7 Abs. 4 EStG i.H.v. 2% der Gesamtkosten, bis Ende 2006 betrug die AfA insgesamt 26.220 Euro (227 Euro für 1996, 2.737 Euro für 1997, 2.763 für 1998 bis 2005 und 1.152 Euro für 2006).
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 09.08.2005 übertrug der Kläger das Grundstück im Wege einer ehebedingten Zuwendung unentgeltlich an die Klägerin. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 30.03.2006 veräußerte die Klägerin das Grundstück zu einem Kaufpreis i.H.v. 91.000 Euro an fremde Dritte.
In der Einkommensteuererklärung für 2006 erklärten die Kläger einen steuerlichen Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf des Grundstücks A gemäß § 23 EStG i.H.v. 31.829 Euro. Wegen der Gewinnberechnung wird auf die entsprechende Anlage zur Steuererklärung Bezug genommen.
Der Beklagte folgte zwar der Berechnung der Kläger; unter Berücksichtigung der zum 31.12.2005 festgestellten verbleibenden Verlustvorträge ergaben sich jedoch im Einkommensteuerbescheid 2006 vom 20.06.2007 Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften von 0 Euro. Außerdem stellte er mit Bescheid vom 20.06.2007 den verbleibenden Verlustvortrag zum 31.12.2006 des Klägers auf 27.892 Euro und der Klägerin auf 27.432 Euro fest.
Mit Einspruchsschreiben vom 25.06.2007 wandten sich die Kläger u. a. gegen die Erfassung des Veräußerungsgewinns unter Hinweis auf die damals beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) unter den Aktenzeichen 2 BvL 14/02 und 2 BvL 2/04 anhängigen Normenkontrollverfahren zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Verlängerung der sog. Spekulationsfrist bei der Veräußerung von Grundstücken von zwei auf zehn Jahre durch § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24.03.1999. Nachdem das BVerfG mit Beschluss vom 07.07.2010 (Bundessteuerblatt II 2011, 76) entschieden hatte, dass die Neuregelung insoweit verfassungswidrig ist, als Wertzuwächse besteuert werden, die bis zum Zeitpunkt der Verkündung der Gesetzesänderung am 31.03.1999 eingetreten sind und die nach Maßgabe der zuvor geltenden Rechtslage hätten steuerfrei realisiert werden können, beantragten die Kläger, die Erfassung des Veräußerungsgewinns rückgängig zu machen.
Der Beklagte vertrat hingegen im Hinblick auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 20.12.2010, wonach zur Vereinfachung regelmäßig der Umfang des steuerbaren Wertzuwachses entsprechend dem Verhältnis der Besitzzeit nach dem 31.03.1999 im Vergleich zur Gesamtbesitzzeit linear zu ermitteln ist, und im Hinblick auf die Verfügung der Oberfinanzdirektion (OFD) Rheinland vom 18.01.2011 die Auffassung, dass Sonderabschreibungen nach dem FöGbG „pro rata temporis” anzusetzen seien und keine Zuordnung zu den einzelnen Besitzzeiträumen erfolge. Unter Berücksichti...