vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld: Mehraktige einheitliche Erstausbildung zur Verwaltungsfachwirtin – Zwischenzeitliche Vollzeiterwerbstätigkeit nach Abschluss der Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten – Enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang, von vorneherein bestehende Absicht der Weiterbildung – Erfordernis einer schriftlichen Erklärung gegenüber der Familienkasse
Leitsatz (redaktionell)
- Bei der von vorneherein angestrebten Weiterbildung einer Verwaltungsfachangestellten zur Verwaltungsfachwirtin im Rahmen einer im direkten Anschluss begonnenen berufsbegleitenden Ausbildung handelt es sich noch um einen Teil einer einheitlichen mehraktigen Erstausbildung, während der der Kindergeldanspruch nicht durch die nach dem ersten berufsqualifizierenden Abschluss ausgeübte Vollzeiterwerbstätigkeit ausgeschlossen wird.
- Für die Feststellung der von vorneherein bestehenden Absicht der Weiterbildung zur Verwaltungsfachwirtin kommt es nicht entscheidend darauf an, ob und zu welchem Zeitpunkt der Familienkasse eine entsprechende schriftliche Erklärung übermittelt worden ist (entgegen DA-KG 2017 V 6.1 Abs. 1 Satz 8).
Normenkette
EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG § 32 Abs. 4 Sätze 2-3
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger begehrt Kindergeld für die Tochter A, geb. 1993, ab August 2016.
Nach Beendigung der Schulausbildung im Juli 2013 absolvierte A eine Ausbildung bei der Stadt () zur Verwaltungsfachangestellten vom 1. 8. 2013 bis 31. 7. 2016. Mit seinem Kindergeldantrag vom 22. 7. 2013 teilte der Kläger mit, A werde ihre Ausbildung im Juli 2016 beenden. Seit November 2016 bis Juli 2019 absolviert A eine Ausbildung zur Verwaltungsfachwirtin. Hierzu hatte sie sich im April 2016 angemeldet. Sie war bei der Stadtverwaltung () mit 39 Stunden wöchentlich vollzeitbeschäftigt.
Am 13. 7. 2016 hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für A auf. Der Kläger beantragte am 11. 12. 2017 Kindergeld für A. In dem Antrag teilte er mit, A habe bereits eine Berufsausbildung zur Verwaltungsfachangestellten im Juni 2016 abgeschlossen. Ihr Berufsziel sei Verwaltungsfachwirtin für qualifizierte Sachbearbeitung.
Mit Bescheid vom 22. 12. 2017 lehnte die Beklagte den Kindergeldantrag ab. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies sie am 1. 3. 2018 zurück.
Hiergegen richtet sich die Klage.
Der Kläger trägt vor,
es handle sich um den zweiten Ausbildungsabschnitt einer mehraktigen Berufsausbildung.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides vom 22. 12. 2017 und der Einspruchsentscheidung vom 1. 3. 2018 die Beklagte zu verpflichten, Kindergeld für die Tochter A für die Zeit von August 2016 bis März 2018 festzusetzen.
Die Beklagte beantragt Klageabweisung,
hilfsweise Revisionszulassung.
Die Beklagte trägt vor,
erst im Dezember 2017 habe der Kläger mitgeteilt, dass A ein anderes oder weiteres Berufsziel anstrebe.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin A. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 26. 9. 2018 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Dem Kläger steht für den streitigen Zeitraum ein Anspruch auf Kindergeld für die Tochter A zu.
Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG besteht Anspruch auf Kindergeld u.a. für Kinder, die das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden. Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG). Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis i.S. der §§ 8 und 8a des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch sind unschädlich (§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG).
Die Tochter des Klägers befand sich bis zum Abschluss des Angestelltenlehrgangs II in der Erstausbildung zur Verwaltungsfachwirtin. Mit der Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten lag noch keine abgeschlossene Erstausbildung vor.
Für die Frage, ob bereits der erste (objektiv) berufsqualifizierende Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang zum Verbrauch der Erstausbildung führt oder ob bei einer mehraktigen Ausbildung auch ein nachfolgender Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang Teil der Erstausbildung sein kann, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs darauf abzustellen, ob sich der erste Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs darstellt (BFH-Urteile vom 3. Juli 2014 III R 52/13, BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152; vom 16. Juni 2015 XI R 1/14, BFH/NV 2015, 1378; vom 3. September 2015 VI R 9/15, BFHE 251, 10). Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zus...