Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfristung der Erhebung einer Anfechtungsklage – Voraussetzung der Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Leitsatz (redaktionell)
- Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Lauf der Klagefrist wegen der bislang ungewissen Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des stattgebenden Beschlusses zu stellen.
- Einer zusätzlichen Überlegungsfrist bedarf es auch im Fall der nur teilweisen Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht, weil der Umfang der Anfechtung bei der Einlegung des Rechtsmittels noch nicht bestimmt werden muss, sondern diese Frage auch erst anlässlich seiner späteren Begründung geklärt werden kann.
- Wird der Prozesskostenhilfeantrag „namens und in Vollmacht” des Klägers gestellt. berechtigte diese Vollmacht den Prozessbevollmächtigten, ohne weitere Auftragserteilung nach Zustellung des Prozesskostenhilfebeschlusses Klage zu erheben.
Normenkette
FGO § 47 Abs. 1 S. 1, § 56 Abs. 1, 2 S. 1, § 65; ZPO § 234 Abs. 2, § 518
Streitjahr(e)
2007, 2008
Tatbestand
Der Kläger hat am 4. Juli 2008 beantragt,
ihm Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen die Familienkasse zu gewähren und einen Rechtsanwalt beizuordnen.
Dem Antrag beigefügt waren u. a. ein Klageentwurf, ein Änderungsbescheid über die Gewährung von Kindergeld für bestimmte Zeiträume für seine zwei Kinder vom 16. April 2008, die seinen weitergehenden Einspruch zurückweisende Einspruchsentscheidung vom 6. Mai 2008 sowie eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse.
Das Gericht hat dem Kläger durch Beschluss vom 15. September 2008 begrenzt auf einen Streitwert in Höhe von 924 Euro Prozesskostenhilfe für das beabsichtigte Klageverfahren wegen Kindergeld für April 2004 bis Juni 2004 gewährt. Im Übrigen, d. h. hinsichtlich des Monats März 2004, des Zeitraums von Juli 2004 bis August 2005 und der Monate November 2005 und Dezember 2005, hat es die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Hinweis auf mangelnde Erfolgsaussichten der Klage mit der Begründung abgelehnt, dass ein vorrangiger Anspruch auf polnisches Kindergeld bestehe, weil der Kläger während dieser Zeiträume in der polnischen Sozialversicherung für Landwirte versichert gewesen sei. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wurde ferner insoweit abgelehnt, als der Kläger mit der beabsichtigten Klage die Festsetzung von Kindergeld in Höhe von 154 Euro je Kind statt 143,66 Euro (September 2005) bzw. 143,51 Euro (Oktober 2005) begehrte. Der Beschluss wurde dem beigeordneten Rechtsanwalt des Klägers am 18. September 2008 zugestellt (Akte Prozesskostenhilfe Bl. 66).
Der Kläger hat am 6. Oktober 2008 Klage erhoben, mit der er unter Aufhebung des Bescheides vom 30. März 2007 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 16. April 2008 sowie der Einspruchsentscheidung vom 6. Mai 2008 die Verpflichtung der Beklagten begehrt, Kindergeld für seine zwei Kinder in Höhe von 3.513,01 Euro festzusetzen. Wegen der Begründung wird auf die Klageschrift Bezug genommen. Bezüglich des Ablaufs der Klagefrist hat der Kläger beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er sei nicht in der Lage gewesen, das Klageverfahren aus eigenen Mitteln zu bestreiten, und habe deshalb innerhalb der Rechtsmittelfrist Prozesskostenhilfe beantragt. Nach deren nur teilweiser Bewilligung habe er den ihm beigeordneten Rechtsanwalt bevollmächtigt, Klage zu erheben. Da die Prozesskostenhilfe weitgehend abgelehnt worden sei und er seinen Rechtsanwalt erst nach Zustellung des Beschlusses vom 15. September 2008 beauftragt habe, sei die Wiedereinsetzungsfrist noch nicht abgelaufen. Der Kläger verweist dazu u. a. auf die Beschlüsse des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 28. November 1984 IVb ZB 119/84 (Neue Juristische Wochenschrift NJW 1986, 257) und vom 22. Oktober 1986 VIII ZB 40/86 (NJW 1987, 440).
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, ihm unter Aufhebung des Bescheides vom 30. März 2007 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 16. April 2008 und der Einspruchsentscheidung vom 6. Mai 2008 Kindergeld für seine zwei Kinder in Höhe von 3.513,01 Euro zu gewähren.
Die Beklagte hat sich nicht zur Sache geäußert und auch keinen Antrag angekündigt.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unzulässig, weil sie nicht innerhalb der Klagefrist erhoben wurde. Dem Kläger kann auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.
1. Die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage beträgt nach § 47 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) einen Monat; sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf.
Die Einspruchsentscheidung vom 6. Mai 2008 gilt nach § 122 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 365 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) einen Monat nach der Aufgabe zur Post, mithin als am 6. Juni 2008 bekannt gegeben. Die von der Beklagten gemäß § 122 Abs. 5 AO i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 des Verwaltungszust...