Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschäftsveräußerung im Ganzen: Erwerb des Gaststätteninventars in angemieteten Räumen – Weiterführung mit neuem Konzept – Umfang der Instandsetzungsmaßnahmen – Übergang der „Pächterstellung” vom Veräußerer auf den Erwerber
Leitsatz (redaktionell)
- Der Erwerb des Gaststätteninventars durch den neuen Mieter der Räume stellt keine Geschäftsveräußerung im Ganzen dar, wenn angesichts des Umfangs der erforderlichen Instandsetzungsmaßnahmen sowie des unterschiedlichen Warensortiments, Kundenstamms und gastronomischen Konzepts mangels identischer wesentlicher Betriebsgrundlage von einer Betriebs- oder Unternehmensfortführung nicht mehr gesprochen werden kann.
- Der Annahme einer Geschäftsveräußerung im Ganzen steht weiterhin entgegen, dass der Erwerber nicht im Rahmen eines umfassenden Vertrages mit dem Veräußerer des Inventars oder auf dessen Initiative in den bestehenden Mietvertrag über die Geschäftsräume eingetreten, sondern das Mietverhältnis nach Kündigung gegenüber dem Vormieter neu begründet worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 04.02.2015 XI R 42/13, BStBl II 2015, 616).
Normenkette
UStG § 1 Abs. 1 a, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; RL 77/388/EWG Art. 5 Abs. 8, Art. 6 Abs. 5
Streitjahr(e)
2009
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte der Klägerin wegen Vorliegens einer Geschäftsveräußerung im Ganzen zu Recht den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Gaststätteninventars versagt hat.
Die Klägerin betreibt seit dem 01.09.2009 in A-Stadt, B-Straße, unter dem Namen C eine Gaststätte in angemieteten Räumen.
Die Gaststätte war vorher von der D-GbR als Pächter unter dem Namen E betrieben worden. Deren Pachtvertrag wurde mit Aufhebungsvereinbarung vom 31.05.2009 zum 31.05.2009 beendet, nachdem es zuvor Rechtsstreitigkeiten wegen Zahlungsrückständen des Pächters gegeben hatte. In der Aufhebungsvereinbarung wird darauf hingewiesen, dass die Klägerin beabsichtige, das Groß- und Kleininventar käuflich zu übernehmen.
Mit Vertrag vom 03.06.2009 verkaufte die D-GbR der Klägerin das gesamte Inventar laut dem Vertrag beigefügter Inventarliste zum Kaufpreis von xx € zzgl. 19 % Mehrwertsteuer. In der Inventarliste sind die einzelnen Gegenstände unterteilt in 1. Gastraum, 2. Theke, 3. Küche und 4. Keller aufgeführt.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Inventarliste verwiesen. Im Kaufvertrag wird u. a. auf Folgendes hingewiesen:
„Der Käufer wird den Verkäufer als Mieter dieser Räume ablösen.”
„Bedingung für das Zustandekommen des Kaufvertrages ist der Mietaufhebungsvertrag zwischen der D-GbR (Verkäufer, Pächter) und der Erbengemeinschaft F (Gaststätteneigentümer) zum 31.05.2009.”
„Der Käufer kann von dem Vertrag zurücktreten, wenn ein Mietvertrag über die Betriebsräume nicht zustande kommt.”
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt des Vertrages Bezug genommen.
Die D-GbR erteilte der Klägerin unter dem 31.05.2009 eine entsprechende Rechnung „gem. Kaufvertrag vom 31.05.2009”, in der die Mehrwertsteuer in Höhe von xx € ausgewiesen ist.
Bereits am 19.05.2009 hatte die Klägerin mit der Erbengemeinschaft F einen Mietvertrag über die Gaststättenräumlichkeiten für die Zeit ab dem 01.09.2009 abgeschlossen.
Die Klägerin hatte zuvor ein anderes Restaurant … in A-Stadt betrieben. Nachdem ihr das dortige bis zum 30.09.2009 befristete Mietverhältnis nicht verlängert worden war, suchte sie einen neuen Standort. Ein Mitarbeiter einer Brauerei … teilte ihr daraufhin mit, dass das Objekt B-Straße vakant sei. Die Brauerei … stellte dann auch den Kontakt zum dortigen Vermieter her.
Im Mietvertrag hat sich der Vermieter zu folgenden Instandsetzungs- bzw. Modernisierungsarbeiten bis zum Beginn der Mietzeit verpflichtet:
neuer Küchenboden mit Abfluss,
Sanierung der WC-Anlage,
Fettabscheider für den gesamten Küchenbereich einschließlich Küchenboden,
Einbau von drei neuen Fenstern zur G-Straße hin.
Darüber hinaus versichert der Vermieter im Mietvertrag, dass sich die betriebstechnischen Einrichtungen wie zum Beispiel Be- und Entlüftungsanlage, Elektroinstallation, Verrohrung der Sanitäranlagen in einem betriebsfähigen Zustand befinden beziehungsweise dieser bis zum Mietbeginn hergestellt wird.
Der Mietvertrag enthält des Weiteren folgende Regelung:
„Mieter erwirbt im Rahmen der Anmietung des Objektes aus dem Eigentum des bisherigen Pächters, Firma D-GbR, A-Stadt, in freier Entscheidung die Einrichtung (Groß- und Kleininventar). Er ist damit Eigentümer dieser Gegenstände.”
Mit ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung für 05/2009 machte die Klägerin u. a. Vorsteuern in Höhe von xx € aus der Rechnung der D-GbR vom 31.05.2009 geltend.
Im Anschluss an eine vom Finanzamt A-Stadt bei der D-GbR durchgeführte Umsatzsteuer-Sonderprüfung (Bericht vom …), die zu der Feststellung gelangte, dass beim Verkauf des Restaurants E eine Geschäftsveräußerung im Ganzen vorgelegen habe und in der Rechnung vom 31.05.2009 damit zu Unrecht Umsatzsteuer ausgewiesen worden sei, versagte das seinerzeit für die Klägerin zuständige Finanzamt H-Stadt mit Umsatzsteuer-V...