Entscheidungsstichwort (Thema)
Missbrauch des externen Versandverfahrens bei einem Zigarettenhersteller. Tabaksteuer; Versandverfahren; Erlass; Zollamtliche Überwachung; Zollschuld; Einziehung
Leitsatz (redaktionell)
- Ein Zigarettenhersteller, der ein externes Versandverfahren eröffnet, ist bei Entziehung der Zigaretten aus der zollamtlichen Überwachung ungeachtet seiner fehlenden Beteiligung an dem Tatgeschehen Schuldner der Tabaksteuer.
Keine den Erlass der Tabaksteuer rechtfertigende Umstände sind:
a.) die Unkenntnis von der betrügerischen Absicht des Frachtführers
b.) die Veranlassung der Lieferung durch einen verdeckten Ermittler, wenn dieser den Hersteller hinsichtlich der Annahme bestimmter Aufträge nicht vorwarnen kann bzw. ein Zusammenhang zwischen dessen Tätigkeit und der steuerschuldbegründenden Handlung nicht besteht
c.) die Missbrauchsanfälligkeit des Versandverfahrens
d.) die fehlende Möglichkeit zur Abwälzung der Tabaksteuer auf die Abnehmer.
- Der fehlende Verweis des § 10 Abs. 1 TabStG 1980 auf die Erlöschensvorschriften des Zollrechts, aufgrund dessen die Tabaksteuerschuld auch bei Einziehung der Zigaretten nicht entfällt, entspricht dem Willen des Gesetzgebers und verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz.
Normenkette
TabStG 1980 § 10 Abs. 1, § 10 Abs. 2; EWGV 2144/87 Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, Art. 8 Abs. 1 Buchst. b; EWGV 222/77 Art. 19 Abs. 1, Art. 23-25; EWGV 1430/79 Art. 2 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1; BGB § 278; GG Art. 3 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin (Klin) begehrt den Erlass von Tabaksteuer aus Billigkeitsgründen.
Einem von Dezember 1991 an eingesetzten verdeckten Ermittler, einem Beamten der Zollfahndung, wurde im Laufe des Juni 1992 über einen Mittelsmann der namentlich unbekannten osteuropäischen Verkäufer ein Vierzig-Fuß-Container Zigaretten der Marke "Golden American", der zur Ausfuhr nach Polen bestimmt sein sollte und dessen Zollpapiere eine ordnungsgemäße Ausfuhr nach Polen beinhalten sollten, angeboten. Die Zigarettenpackungen sollten keine Steuerbanderole tragen. Bei den näheren Kontakten mit den dem verdeckten Ermittler unbekannten oder nur mit Vornamen bekannten Verkäufern am 14.07.1992 wurden die Zahlungs- und Übergabemodalitäten am 16.07.1992 vereinbart. Danach sollten die Zigaretten auf dem Gelände der Spedition S in N übergeben werden. Anschließend wurde dem verdeckten Ermittler auf dessen Verlangen aus einiger Entfernung die Rückseite eines polnischen Aufliegers mit dem Kennzeichen . . ., dessen Ladefläche abgeplant war und dessen Zollverschlussleinen in einem Kästchen endeten, so dass man die Zollverschlüsse selbst nicht sehen konnte, auf einem Autobahnparkplatz in der Nähe von Berlin gezeigt. Die Zollplomben öffneten die Anbieter aber nicht, da dies bei etwaigen Polizeikontrollen auffallen könnte. Gleichfalls ließen die Anbieter den verdeckten Ermittler nicht näher an das Fahrzeug heran.
Die Klin stellt Zigaretten her und ist konzernintern für den Vertrieb u.a. nach Osteuropa zuständig. Auf Weisung einer schweizerischen Gesellschaft des Konzerns, dem die Klin angehört, ließ sie am Donnerstag, dem 09.07.1992, beim niederländischen Zollamt Z eine Sendung mit 11.000.000 Zigaretten der Marke "Golden American" mit Versandschein T1 Nr. 9903211 zum externen gemeinschaftlichen Versandverfahren abfertigen, wobei die Frist zur Wiedergestellung bis zum Donnerstag, dem 16.07.1992, bestimmt war. Der Versandschein enthielt keine Angaben zur Nationalität und Identität des Beförderungsmittels. Als Empfänger war im Versandschein wie auch im Frachtbrief "J", . . ., St. Petersburg" eingetragen, während der Lieferschein der Klin für die Zigaretten und die Rechnung der schweizerischen Konzerngesellschaft an eine "I, . . ., St. Petersburg" gerichtet war. Die Zigaretten sollten angeblich mit einem polnischen LKW nach St. Petersburg verbracht werden.
Während des Transports der Zigaretten auf dem LKW in der Bundesrepublik Deutschland außerhalb des Bezirks des Hauptzollamtes G (HZA), dessen Amtsgeschäfte im Laufe des Klageverfahrens vom Beklagten (Bekl) übernommen wurden, sind die Zoll- und Transportpapiere nach Angaben des Fahrers ihm in drei Fällen von den Osteuropäern abgenommen und wieder nach einiger Zeit zurückgegeben worden. Einen Austausch oder eine Veränderung an diesen Papieren konnte der Fahrer weder bestätigen noch verneinen.
Verabredungsgemäß wurde der LKW am 16.07.1992 mit dem Auflieger, der das polnische Kennzeichen trug, nach N verbracht, wo er auf dem Hof der Spedition S geöffnet und teilweise entladen wurde. Diesen Vorgang beschrieben die dies beobachtenden Beamten des Zollfahndungsamtes D (ZFA), die zunächst noch unerkannt blieben, in der Weise, dass der polnische LKW mit dem Auflieger, der das Kennzeichen . . . trug, auf dem Gelände der Spedition S erschien. Nachdem der Beifahrer des LKW zu einem der Beamten Kontakt wegen der Übergabe der Zigaretten aufgenommen hatte, sei der LKW rückwärts an die Lagerhalle der Spedition ge...