vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldberechtigung für verheiratete Kinder nach Wegfall des Grenzbetrags i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F.
Leitsatz (redaktionell)
- Ab dem Wegfall des Grenzbetrags der Einkünfte und Bezüge i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. zum 1. Januar 2012 kommt es für den Kindergeldanspruch auf die Höhe der Einkünfte des Ehepartners des Kindes nicht mehr an.
- Jedenfalls bei einem Kind in Erstausbildung ist das Bestehen einer typischen Unterhaltssituation im Verhältnis zu dem Berechtigten ab dem 1. Januar 2012 kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Kindergeldanspruchs.
Normenkette
EStG a.F. § 32 Abs. 4 S. 2, § 70 Abs. 4; EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG § 32 Abs. 4 S. 2, § 52 Abs. 62a
Tatbestand
Strittig ist, ob die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes für die am . August 1989 geborene Tochter B des Klägers ab dem 1. Januar 2012 aufheben und das für 2012 gezahlte Kindergeld zurückfordern durfte.
B nahm nach dem Besuch des Berufskollegs Kaufmannsschule der Stadt Z-Stadt und einem Praktikum im Krankenhaus Z-Stadt am 1. April 2010 eine dreijährige Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin beim … auf (Kindergeldakte – KG-Akte – Bl. 89). Am 2. Dezember 2011 heiratete sie Herrn C (KG-Akte Bl. 120 f.). Bs Ausbildung dauerte über das Streitjahr hinaus an (KG-Akte Bl. 118 f.).
Die Beklagte hob die Festsetzung des Kindergeldes für B – nach vorheriger Anhörung des Klägers (KG-Akte Bl. 111) – durch Bescheid vom 11. Juni 2013 gemäß § 70 Abs.4 i. V. m. § 52 Abs.62a des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab Januar 2011 bis Dezember 2012 auf, weil Bs Einkommen in diesen Jahren den maßgeblichen Grenzbetrag überschritten habe, und forderte das für diese Jahre gezahlte Kindergeld in Höhe von 4.560 Euro gemäß § 37 Abs.2 der Abgabenordnung (AO) zurück. Zur Begründung bezog sie sich bezüglich des Streitzeitraums (Januar 2012 bis Dezember 2012) ferner darauf, dass B seit Dezember 2011 verheiratet sei, weshalb ihr Einkommen auch für das Kalenderjahr 2012 zu prüfen sei.
Mit dem am 12. Juli 2013 gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruch verwies der Kläger darauf, dass die Aufhebung der Festsetzung des Kindergeldes und dessen Rückforderung zwar für das Jahr 2011 zu Recht erfolgt sei, nicht dagegen für den Streitzeitraum. Er habe für den Streitzeitraum unabhängig von Bs Einkommen einen Anspruch auf Kindergeld für sie, weil § 32 Abs.4 Satz 2 EStG in der bis Ende 2011 geltenden Fassung aufgrund der Regelung in Art. 1 Nr.17a und Art. 18 Abs.1 des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 vom 1. November 2011 ab dem 1. Januar 2012 entfallen sei. Die Einkünfte seines Schwiegersohnes seien ebenfalls nicht von Bedeutung. Ob ein sog. „Mangelfall” vorliege oder nicht, sei unerheblich, weil der Umstand, dass B verheiratet sei, dem Kindergeldanspruch nicht entgegenstehe. Das Gesetz sehe für verheiratete Kinder keinerlei Einschränkungen vor. Der Kläger verwies insoweit auf das Urteil des Finanzgerichts (FG) Münster vom 30.November2012 4K1569/12 Kg (Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2013, 298). Die Beklagte wies den Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 22. August 2013, auf die Bezug genommen wird (KG-Akte Bl. 147 ff.), als unbegründet zurück.
Mit der am 30. August 2013 erhobenen Klage hält der Kläger an seiner im Einspruchsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest.
Er beantragt,
den Bescheid vom 11. Juni 2013 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. August 2013 insoweit aufzuheben, als dadurch die Festsetzung des Kindergeldes für den Zeitraum von Januar 2012 bis Dezember 2012 aufgehoben und das für diesen Zeitraum gezahlte Kindergeld zurückgefordert worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen ihres Vorbringens im Klageverfahren wird auf den Schriftsatz vom 30. September 2013 verwiesen.
Das Gericht hat die den Streitfall betreffende Kindergeldakte beigezogen.
Die Beteiligten haben überstimmend gemäß § 90 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der angefochtene Bescheid war aufzuheben, soweit dadurch die Festsetzung des Kindergeldes für B (auch) für den Zeitraum von Januar 2012 bis Dezember 2012 aufgehoben und das für diesen Zeitraum gezahlte Kindergeld zurückgefordert worden ist, weil er insoweit rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
1. Die Aufhebung der Festsetzung des Kindergeldes für den Streitzeitraum durfte schon nicht auf § 70 Abs.4 EStG gestützt werden. Nach dieser Vorschrift war eine Kindergeldfestsetzung aufzuheben oder zu ändern, wenn nachträglich bekannt wurde, dass die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 EStG über- oder unterschreiten. § 70 Abs. 4 EStG in der am 31. Dezember 2011 geltenden Fassung ist allerdings nach § 52 Abs.62a EStG nur noch auf Kindergeldfestsetzungen anwendbar, die Zeiträume betreffen, die vor dem 1. Januar 2012 enden.
2. ...