vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung - Überschreitung der Beteiligungsgrenze des StEntlG von 10% im 5-Jahreszeitraum
Leitsatz (redaktionell)
- Die Veräußerung einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft ist auch dann steuerbar, wenn der Steuerpflichtige bei Inkrafttreten des StEntlG 1999/2000/2002 mit weniger als 10 %, in den letzten fünf Jahren vor der Veräußerung aber mit 10 % oder mehr beteiligt war.
- Ob eine wesentliche Beteiligung gegeben war, bestimmt sich nach der im Veräußerungszeitpunkt geltenden Gesetzesfassung.
- Ein solcher Veräußerungsvorgang ist verfassungsgemäß zu besteuern, indem der bis zum 31.3.1999 eingetretene Wertzuwachs steuerfrei belassen wird.
Normenkette
EStG § 17 Abs. 1 S. 4, § 52 Abs. 1 S. 1
Streitjahr(e)
2000
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob der Gewinn aus der Veräußerung einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft im Jahr 2000 gem. § 17 Einkommensteuergesetz (EStG) in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes (StEntlG) 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (Bundesgesetzblatt - BGBl. - I 1999, 402) steuerbar ist.
Der Kläger war seit dem 15.12.1995 mit Geschäftsanteilen von 14,5 % an der „L-GmbH” (später umfirmiert in „F- GmbH”, im Folgenden nur noch GmbH) beteiligt. Die Beteiligung wurde durch mehrere Verkäufe, zuletzt am 5.12.1997, auf 9,9 % Anteilsbesitz an der GmbH vermindert. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 19.6.2000, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (UR- Nr. „0001” für 2000 des Notars „C” in „E-Stadt”), veräußerte der Kläger seine verbliebenen Geschäftsanteile „mit wirtschaftlicher Wirkung vom Beginn des 1. Januar 2000” für 3.579.345 DM.
Der Kläger teilte diesen Sachverhalt dem Beklagten im Rahmen der Einkommensteuererklärung des Jahres 2000 mit und errechnete einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 2.984.590 DM. Er vertrat dazu die Auffassung, dass die Veräußerung einer Beteiligung von weniger als 10 % am Stammkapital einer Kapitalgesellschaft nicht gem. § 17 EStG steuerbar sei und eine Besteuerung gem. § 23 EStG ausscheide, weil die Anteile außerhalb der maßgeblichen steuerlichen Fristen veräußert worden seien. Der Beklagte erfasste in dem Einkommensteuerbescheid vom 26.4.2002, mit dem die Kläger gem.
§§ 26, 26 b EStG zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden, den Gewinn aus der Anteilsveräußerung als gem. § 17 EStG steuerbare Einkünfte in Höhe von 2.984.590 DM.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 18.12.2002) und Klageerhebung am 14.1.2003 wurde der angefochtene Bescheid durch einen weiteren Bescheid vom 28.1.2005 aus hier nicht streitigen Gründen geändert. Die Klage wurde auf den übereinstimmenden Antrag der Beteiligten mit Beschluss vom 11.7.2005 bis zum Ergehen einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in den Verfahren 2 BvR 748/05 und 2 BvR 753/05 ruhend gestellt. Nach dem Beschluss des Senats vom 3.9.2010 über die Fortsetzung des Verfahrens tragen die Kläger zur Begründung ihrer Klage vor:
Nach dem Beschluss des BVerfG vom 07. Juli 2010 (2 BvR 748/05 u.a., Bundessteuerblatt - BStBl- II 2011, 86) verstoße § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG i. V. m. § 52 Abs. 1 Satz 4 in der Fassung des StEntlG 1999/2000/2002 gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes und sei daher nichtig, soweit Wertsteigerungen steuerlich erfasst würden, die bis zur Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 am 31.03.1999 entstanden seien und die bei einer Veräußerung nach Verkündung des Gesetzes sowohl zum Zeitpunkt der Verkündung als auch zum Zeitpunkt der Veräußerung nach der zuvor geltenden Rechtslage steuerfrei hätten realisiert werden können. Dem vorgenannten Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes (BStBl II 2011, 86 Rz. 55) sei ausdrücklich zu entnehmen, dass, anders als es der BFH in der vom Bundesverfassungsgericht aufgehobenen Entscheidung (VIII R 25/02, BStBl II 2005, 436) vertreten habe, das Tatbestandsmerkmal der wesentlichen Beteiligung innerhalb der letzten fünf Jahre immer bezogen auf den jeweiligen Veranlagungszeitraum zu interpretieren sei. Dies bedeute, dass eine im Streitjahr 2000 maßgebende Beteiligungsgrenze von 10 v. H. nicht auf Veranlagungszeiträume vor 1999 ausgedehnt werden könne, in denen noch eine Beteiligungsgrenze von mehr als 25 % im Rahmen des § 17 EStG Gültigkeit gehabt habe. Im vorgenannten Beschluss heiße es ausdrücklich, dass die rückwirkende Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze die Entwertung konkret vorhandener Vermögensbestände zur Folge habe. Diese vertrauensrechtlich geschützte Rechtsposition, die das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich hervorgehoben habe, werde ausgehöhlt werden, wenn nun, wie der Beklagte meine, die Beteiligungsgrenze von 10%, die erst ab 1999 gegolten habe, ausgedehnt werde. Der gesamte Veräußerungsgewinn bleibe daher steuerfrei (vgl. Weber-Grel...