Entscheidungsstichwort (Thema)
Entstehungszeitpunkt der Umsatzsteuer bei Werkverträgen in Fällen der Insolvenz
Leitsatz (redaktionell)
- Umsatzsteuerforderungen auf das von dem Insolvenzverwalter vereinnahmte Entgelt für die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens von der Gemeinschuldnerin vertraglich vereinbarten und begonnenen und erst danach fertig gestellten Bauvorhaben stellen unabhängig vom Zeitpunkt der Leistungsausführung Masseverbindlichkeiten dar, wenn die Bauwerke erst nach Insolvenzeröffnung sowie positiver Ausübung des Wahlrechts i.S.d. § 103 Abs. 1 InsO endabgerechnet und abgenommen werden und Teilleistungen weder vereinbart waren noch erfolgt sind.
- Die in § 105 InsO geregelte Aufteilung teilbarer Leistungen enthält keine Aussage betreffend der Leistungen, welche die Gemeinschuldnerin selbst im laufenden Insolvenzverfahren nach positiver Ausübung des durch § 103 Abs. 1 InsO dem Insolvenzverwalter eingeräumten Wahlrechts an ihre Vertragspartner erbringt.
- Für die Frage des Entstehungszeitpunktes der auf die Erbringung einer „teilbaren” Leistung i.S.d. § 105 InsO entfallenden Umsatzsteuer – und der damit zusammenhängenden Einordnung als Insolvenz- oder Masseforderung – hat § 105 InsO keine Bedeutung, weil dieser Zeitpunkt in § 13 UStG abschließend und in Übereinstimmung mit den zivilrechtlichen Vorschriften des Werkvertragsrechts geregelt ist.
- Eine analoge Anwendung des § 105 InsO auf die Frage des Entstehungszeitpunktes der Umsatzsteuer bei Werkverträgen ist abzulehnen, weil es insoweit an einer planwidrigen Gesetzeslücke fehlt.
Normenkette
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 17; InsO § 103 Abs. 1, § 105; BGB § 641 Abs. 1, § 651
Streitjahr(e)
2001, 2002
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger ist aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts – AG – „F-Stadt” – Az.: „000 AA 1/01” - seit dem 1.5.2001 Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. „C” GmbH & Co. KG – im Folgenden: Gemeinschuldnerin -, die mit der Errichtung und Abwicklung von Bauvorhaben unternehmerisch tätig war.
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob es sich bei Umsatzsteuerforderungen, die im Zusammenhang mit der - erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und nach positiver Ausübung des Wahlrechts i.S.v. § 103 Abs.1 der Insolvenzordnung - InsO - durch den Kläger erfolgten – Fertigstellung von Bauwerken durch die Gemeinschuldnerin entstanden sind, um Masseverbindlichkeiten (§§ 53 – 55 der Insolvenzordnung), die gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter festzusetzen sind, oder um Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) handelt.
Während des Insolvenzverfahrens wurden in den Streitjahren 2001 und 2002 diverse, vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begonnene Bauvorhaben von der Gemeinschuldnerin fertig gestellt und nach Beendigung der Arbeiten und nach Abnahme mit den Auftragebern endabgerechnet. Der Kläger hatte bezüglich dieser Bauvorhaben in allen Fällen sein ihm durch § 103 Abs.1 InsO eingeräumtes Wahlrecht dahingehend ausgeübt, dass er die Erfüllung der beidseitigen Verträge verlangt hatte. Hinsichtlich sämtlicher Bauvorhaben waren zwischen den Auftraggebern und der Gemeinschuldnerin keine Teilleistungen vereinbart worden und es wurden von der Gemeinschuldnerin bzw. dem Kläger auch keine Rechnungen über bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbrachte Teilleistungen erstellt. Weder fanden bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens Abnahmen der bis dahin fertig gestellten Rohbauten durch die Auftraggeber statt, noch erhielten diese Zwischenabrechnungen entsprechend dem Stand der Bauleistungen. Allerdings hatte die Gemeinschuldnerin während der Bauphase Abschlagsrechnungen erteilt.
In den in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter für die Gemeinschuldnerin eingereichten Umsatzsteuererklärungen 2001 und 2002 erklärte der Kläger die Umsätze aus der Errichtung der Bauvorhaben lediglich in der Höhe, wie diese nach seiner Berechnung auf Arbeiten nach der Eröffnung des Insolvenzverfahren am 1.5.2001 entfielen. Als Berechnungsgrundlage dienten dem Kläger hierbei die von den Bauleitern eingereichten Unterlagen, mit denen die monatlichen Bauleistungen und Baufortschritte dokumentiert wurden. Ein Abgleich der hieraus gewonnenen Ergebnisse mit den Auftraggebern der Bauobjekte fand in keinem Fall statt. Soweit das Entgelt für die fertig gestellten Bauvorhaben nach dieser Berechnung auf vor dem 1.5.2001 erbrachte, aber erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgerechnete Arbeiten entfiel, ist der Kläger unter Berufung auf ein neueres Urteil des BGH vom 25.4.2002 (IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353, WM 2002, 1199) der Ansicht, dass die hierauf entfallende Umsatzsteuer den Insolvenzforderungen i.S. von § 38 der InsO zuzuordnen sei mit der Folge, dass die vom Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter für die fertig gestellten Bauvorhaben vereinnahmten Entgelte um 3.063.250,32 € für das Jahr 2001 und um 2.962.379,- € für das Jahr 2002 zu mindern seien.
Im Rahmen ein...