Entscheidungsstichwort (Thema)

EuGH-Vorlage: Antidumpingzoll - formale Fehler bei Verpflichtungsrechnungen

 

Leitsatz (amtlich)

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden folgende Fragen zur Auslegung der Handlungen der Organe der Union im Wege der Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Steht es unter den Bedingungen des Ausgangsrechtsstreits der Befreiung von dem in Art. 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2015/82 eingeführten Antidumpingzoll gemäß Art. 2 Abs. 1 dieser Verordnung entgegen, dass eine Verpflichtungsrechnung gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. b) dieser Verordnung nicht den in Ziffer 9 des Anhangs dieser Verordnung genannten Durchführungsbeschluss (EU) 2015/87, sondern den Beschluss 2008/899/EG nennt?

2. Falls die Frage 1 bejaht wird: Darf eine Verpflichtungsrechnung, die die Voraussetzungen des Anhangs der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2015/82 erfüllt, im Rahmen eines Verfahrens zur Erstattung von Antidumpingzöllen vorgelegt werden, um die Befreiung von dem in Art. 1 dieser Verordnung eingeführten Antidumpingzoll gemäß Art. 2 Abs. 1 dieser Verordnung zu erlangen?

 

Normenkette

EUDVO-2015/82 Art. 2 Abs. 1b; EU-Durchführungsbeschluss 2008/899/EG; EU-Durchführungsbeschluss 2015/87/EU

 

Nachgehend

EuGH (Urteil vom 15.10.2020; Aktenzeichen C-543/19)

 

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt die Befreiung von Antidumpingzoll auf die Einfuhr von Zitronensäure aus der Volksrepublik (VR) China.

Auf die Einfuhren von Zitronensäure mit Ursprung in der VR China wurde ursprünglich ein Antidumpingzoll auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1193/2008 erhoben. Um hiervon befreit zu werden, unterbreitete die A Co. Ltd. (A) der Kommission ein Verpflichtungsangebot, das diese mit dem Beschluss 2008/899/EG vom 2. Dezember 2008 annahm (im Folgenden: ursprüngliches Verpflichtungsangebot).

Im November 2013 leitete die Kommission eine Überprüfung des Antidumpingzolls ein. Im Rahmen dieser Untersuchung unterbreitete A ein neues Verpflichtungsangebot.

Die Klägerin und A einigten sich mit drei Verträgen vom 9., 13. bzw. 15./16. Januar 2015 über die Lieferung von insgesamt 360 Tonnen Zitronensäure zum Preis vom ... Euro pro Tonne (CIF Hamburg).

Mit E-Mail vom 22. Januar 2015 informierte die Kommission die Anwälte von A darüber, dass am selben Tag die Durchführungsverordnung (EU) 2015/82, mit der neue Antidumpingzölle auf Zitronensäure eingeführt wurden, und der Durchführungsbeschluss (EU) 2015/87, mit dem A neues Verpflichtungsangebot angenommen worden war, im Amtsblatt veröffentlicht worden war. Beide Rechtsakte traten am 23. Januar 2015 in Kraft; der Beschluss 2008/899/EG wurde zeitgleich aufgehoben.

Die 360 Tonnen Zitronensäure wurden am 30. Januar 2015 aus der VR China verschifft.

Der von der Kommission auf der Grundlage der Verpflichtungsangebote von A festgesetzte Mindesteinfuhrpreis betrug während des ersten Quartals 2015 (Januar bis März) durchgängig ... Euro pro Tonne.

Mit zwölf Zollanmeldungen, die mit Mitteln der Datenverarbeitung abgegeben wurden, vom 10. bzw. 11. März 2015 meldete die Klägerin die 360 Tonnen Zitronensäure der Tarifposition 2918 1400 00 0 mit dem TARIC-Zusatzcode A882 zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an. Unter der Codierung XXX (Handelsrechnungen im Rahmen einer Verpflichtung) nannte sie die Rechnungen vom 29. Januar 2015 XXX-1, XXX-2 bzw. XXX-3.

Nach Annahme der Zollanmeldung und vor Überlassung der Ware nahm der Beklagte eine Überprüfung der Zollanmeldungen vor und bat um Vorlage der in den elektronischen Zollanmeldungen erwähnten Verpflichtungsrechnungen. Daraufhin legte die Klägerin die in Bezug genommenen Verpflichtungsrechnungen ("Commercial Invoice accompanying goods subject to an undertaking") von A vom 29. Januar 2015 XXX-1, XXX-2 und XXX-3 (im Folgenden: ursprüngliche Verpflichtungsrechnungen) vor. Sie enthielten den TARIC-Zusatzcode A882/X882 und hatten den folgenden Wortlaut (Hervorhebung durch das Gericht):

I, the undersigned, certify that the sale for direct export to the European Community of the goods covered by this commercial invoice is being made within the scope and under the terms of the undertaking offered by A Co. Ltd, and accepted by the European Commission through Regulation (EC) No 1193/2008 Decision 2008/899/EC. I declare that the information provided in this invoice is complete and correct.

Außerdem legte die Klägerin drei "Undertaking Certificate[s] for Export of Citric Acid of China" vom 30. Januar 2015 Nr. a-1, a-2 und a-3 (Ausfuhrverpflichtungsbescheinigung) der China Chamber of Commerce of Metals, Minerals & Chemical Importers & Exporters (CCCMC) vor, die jeweils die folgende Erklärung enthielten:

I, the undersigned, certify that this certificate is given for direct exports to the European Community of the goods covered by the commercial Invoice accompanying sales made subject to the undertaking and that the certificate is issued within the scope and under the terms of the undertaking offered by A Co. Ltd and accepted by the European Commission through Decision 2008/899/EC. ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?