Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer: Aussetzung der Vollziehung bei Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit des § 8c Satz 1 KStG
Leitsatz (amtlich)
Bei der Prüfung eines berechtigten Aussetzungsinteresses des Steuerpflichtigen kommt es maßgeblich einerseits auf die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen und andererseits auf die Auswirkungen einer Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich des Gesetzesvollzuges und des öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung an.
Normenkette
FGO § 69; KStG § 8c S. 1
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten in der Hauptsache darüber, ob der Antragsgegner befugt war, bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer, des Solidaritätszuschlags, des Gewerbesteuermessbetrags und der Gewerbesteuer 2009 abzugsfähige Verluste gemäß § 8c Satz 1 KStG in der im Streitjahr geltenden Fassung zu kürzen.
Die Antragstellerin wurde mit notariell beurkundetem Gesellschaftsvertrag vom ... 2006 mit Sitz in Hamburg gegründet und am ... 2006 in das Handelsregister bei dem Amtsgericht Hamburg ... (HRB ...) eingetragen. Gegenstand des Unternehmens ist die Projektierung und Projektsteuerung von Bauvorhaben mit Ausnahme von Leistungen des Bauhaupt- und/oder des Baunebengewerbes sowie die Erbringung immobilienbezogener Dienstleistungen mit Ausnahme erlaubnispflichtiger Geschäfte nach § 34c der Gewerbeordnung. Das Stammkapital der Gesellschaft von ... € wurde von Herrn ... L (L) übernommen, der auch zum Geschäftsführer bestellt wurde. Der Gesellschafter-Geschäftsführer-Vertrag wurde am ... 2006 zwischen der Antragstellerin und L geschlossen.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom ... 2007 übertrug L unter gleichzeitiger Teilung seines bisherigen Geschäftsanteils von ... € einen Geschäftsanteil von ... € mit Wirkung vom ... 2007 auf Herrn ... H (H).
Am ... 2009 übertrug H in einer öffentlichen Sitzung vor dem Landgericht Hamburg - Kammer für Handelssachen - seinen Geschäftsanteil im Nennwert von ... € auf den Mitgesellschafter L zurück.
Mit Bescheiden vom ... 2011 setzte der Antragsgegner die Körperschaftsteuer 2009 auf ... €, Zinsen zur Körperschaftsteuer 2009 auf ... € und den Solidaritätszuschlag 2009 auf ... € (insgesamt ... €) fest. Dabei legte er erklärungsgemäß einen Jahresüberschuss von ... € zu Grunde und ermittelte einen Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von ... €. Von diesem nahm er einen Verlustabzug in Höhe von ... € vor. Mit Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2008 vom ... 2010 hatte der Antragsgegner den verbleibenden Verlustabzug auf ... € festgestellt. Die bei der Veranlagung zur Körperschaftsteuer 2009 vorgenommene hälftige Kürzung der negativen Einkünfte, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte des Vorjahres nicht ausgeglichen waren, hatte er in seinem Schreiben vom ... 2011 damit begründet, das ein Fall des § 8c Satz 1 KStG vorliege, da mehr als 25 % des gezeichneten Kapitals an einen Erwerber übertragen worden seien und die bis zum Erwerb nicht genutzten Verluste entsprechend der Übertragungsquote nicht mehr abziehbar seien.
Dementsprechend berücksichtigte der Antragsgegner bei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages mit Bescheid für 2009 vom ... 2011 einen Verlustabzug gemäß § 10a letzter Satz GewStG i. V. m. § 8c KStG in Höhe von ... € und setzte den Gewerbesteuermessbetrag für 2009 auf ... € fest; ebenfalls mit Bescheid vom ... 2011 setzte er die Gewerbesteuer auf ... € und Zinsen zur Gewerbesteuer auf ... € (insgesamt ... €) fest.
Gegen die Bescheide für 2009 über Körperschaftsteuer, über den Gewerbesteuermessbetrag und über die Gewerbesteuer, jeweils vom ... 2011, legte die Antragstellerin am ... 2011 Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Mit Bescheid vom ... 2011 lehnte der Antragsgegner den Aussetzungsantrag ab. Mit Schreiben vom ... 2011 hat sich die Antragstellerin zum Zwecke der Aussetzung der Vollziehung an das Gericht gewandt.
Die Antragstellerin trägt vor:
Im Streitfall seien Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitigen Verwaltungsakte mit Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer den Bescheiden zu Grunde liegende Norm begründet. Ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 8c KStG seien zu bejahen, wenn der Bundesfinanzhof oder ein Finanzgericht ein Normenkontrollverfahren nach Art. 100 des Grundgesetzes (GG) eingeleitet habe. Im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des Finanzgerichts Hamburg vom 04.04.2011 (Az. 2 K 33/10) zur Verfassungsmäßigkeit der Verlustabzugsbeschränkung bei Körperschaften nach § 8c S. 1 KStG bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der von dem Antragsgegner vorgenommenen Kürzung sowohl des körperschaftsteuerlichen als auch des gewerbesteuerlichen Verlustvortrags um 50 %.
§ 8c S. 1 KStG werde den verfassungsrechtlichen Vorgaben an eine folgerichtige Umsetzung der steuerlichen Belastungsentscheidungen nicht gerecht ...