Entscheidungsstichwort (Thema)

Nicht formgebundene Vollmachtserteilung (und -nachweis)

 

Leitsatz (amtlich)

Weder die Vollmachtserteilung noch der Vollmachtsnachweis der Vollmacht im Sinne des Art. 5 Abs. 5 Zollkodex ist formgebunden.

 

Normenkette

ZK Art. 5

 

Tatbestand

I. Die Antragstellerin (Astin) betreibt ein Speditionsunternehmen. Sie besorgt insbesondere den internationalen Transport von Pferden, wobei sie ihren Kunden auch die Abwicklung der Einfuhrformalitäten anbietet. Die Aufträge für derartige Speditionsaufträge nimmt in der Regel die Ehefrau des Inhabers der Astin (Frau A) telefonisch entgegen.

Am 13.11.1995 meldete die Astin beim Hauptzollamt Hamburg-... ein Pferd "P" zur Überführung in den freien Verkehr an. Sie erklärte dabei (in Feld 14 der Anmeldung), als Bevollmächtigte des Empfängers E zu handeln. Der zunächst gegen E erteilte Abgabenbescheid wurde später wieder aufgehoben. Mit Schreiben vom 15.2.2002 forderte der Ag die Astin auf, den Nachweis ihrer Vertretungsmacht zu übersenden. Die Ast teilte dem Ag daraufhin mit Schreiben vom 27.2.2002 mit, dass die Bevollmächtigung telefonisch von Herrn E gegenüber Frau A erteilt worden sei. Da der Ag den Nachweis der Bevollmächtigung als nicht erbracht ansah, nahm er mit Bescheid vom 11.9.2002 die Astin auf Zahlung der Eingangsabgaben (Zoll-Euro und Einfuhrumsatzsteuer) in Höhe von insgesamt € 638,86 in Anspruch. Gegen diesen Bescheid legte die Astin fristgerecht am 24.09.2002 Einspruch ein und beantragte zugleich die Aussetzung der Vollziehung. Über den Einspruch ist bisher nicht entschieden. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte der Ag mit Bescheid vom 14.10.2002 ab. Die Astin begehrt deshalb vom Gericht die Vollziehungsaussetzung. Zur Begründung ihres Begehrens trägt sie u. a. Folgendes vor:

Der Bescheid vom 11.09.2002 leide unter einem materiellen Mangel; sie sei nicht die Schuldnerin der Eingangsabgaben für die Einfuhr des Pferdes "P". Sie habe für den tatsächlichen Abgabenschuldner (den Empfänger E) lediglich als Vertreter gehandelt. Die ihr mündlich erteilte Vollmacht sei rechtsgültig. Im Übrigen sei die Abgabenschuld verjährt.

Die Astin beantragt, die Vollziehung des Bescheides des Ag vom 11.09.2002, Az.: ... (notfalls gegen Sicherheitsleistung) auszusetzen.

Der Ag beantragt, den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung nimmt er auf den Ablehnungsbescheid vom 14.10.2002 Bezug und weist u.a. auf Folgendes hin: Die Astin habe keine Vertretungsmacht besessen. Der Pferdekäufer E habe die Astin nicht mit der Abwicklung der Zollformalitäten beauftragt. Auch wenn der Pferdekäufer E dem Handeln der Astin nicht widersprochen habe und damit einverstanden gewesen sei, könne hieraus nicht auf eine ausdrückliche oder stillschweigende Vollmachtserteilung geschlossen werden. Vielmehr liege hier eine Anscheinsvollmacht vor, die als rechtswirksame Vollmacht bei einer Antragstellung auf Abfertigung zum zollrechtlich freien Verkehr nicht anerkannt werde.

Der mit dem streitbefangenen Einfuhrabgabenbescheid nachgeforderte Abgabenanspruch sei auch nicht verjährt.

Ein Sachvorgang des Antragstellers hat vorgelegen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der zulässige Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist in der Sache erfolgreich.

1. Im Geltungsbereich des Zollkodex sind auch im finanzgerichtlichen Aussetzungsverfahren nach § 69 Abs. 3 FGO die Vorschriften des Art. 244 Unterabs. 2 und 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex - ZK -) des Rates vom 12. Oktober 1992 (Abl. EG Nr. L 302/1) über die Aussetzung der Vollziehung im Verwaltungsverfahren anzuwenden (BFH, Beschluss vom 11.7.2000, VII B 41/00, juris doc. Nr. STRE200050929 und Beschluss vom 22.11.1994, VII B 140/94, ZfZ 1995, 110 hinsichtlich Art. 244 Unterabs. 2 ZK; Senatsbeschluss vom 24.3.1999, IV 14/99, juris doc. Nr. STRE997140570 hinsichtlich Art. 244 Unterabs. 3 ZK). In Art. 244 Unterabs. 2 ZK ist bestimmt, dass die Zollbehörden die Vollziehung der Entscheidung ganz oder teilweise aussetzen, wenn sie begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung haben oder wenn dem Beteiligten ein unersetzbarer Schaden entstehen könnte. Begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit im Sinne des Art. 244 Unterabs. 2 ZK bestehen, wenn die summarische Prüfung anhand präsenter Beweismittel ergibt, dass neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Rechtsfragen auslösen (BFH, aaO).

2. a) In Art. 201 Abs. 2 ZK ist bestimmt, dass die Zollschuld in dem Zeitpunkt entsteht, in dem die betreffende Zollanmeldung angenommen wird; Zollschuldner ist nach Art. 201 Abs. 3 Satz 1 ZK der Anmelder. Nach der Begriffsdefinition des Art. 4 Nr. 18 ZK ist der "Anmelder" die Person, die in eigenem Namen eine Zollanmeldung abgibt, oder aber die Person, in deren Namen eine Zollanmeldung abgegeben wird. Besitzt die Person, die erklärt, im Namen oder für Rechnung eines a...

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