Entscheidungsstichwort (Thema)

Zolltarifrecht: Vorabentscheidungsersuchen: Einreihung eines polymethinhaltigen Diagnosemittels

 

Leitsatz (amtlich)

Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: War eine Ware im Jahr 2005 als Färbemittel oder Farbstoff in die Position 3212 der Kombinierten Nomenklatur einzureihen, die aus Lösungsmitteln und einer Polymethin-Substanz besteht, die zwar eine gewisse - jedenfalls auf textile Stoffe nicht beständige - färbende Wirkung haben kann, bei der einzureihenden Ware jedoch dazu dient, Informationen über in einer Untersuchungslösung (vorbehandeltes Blut) enthaltene Partikel (weiße Blutkörperchen) dadurch zu erhalten, dass die Substanz im Wege der ionischen Anlagerung an definierte Bestandteile der Partikel (Nukleinsäuren) molekulare Strukturen bildet, die bei Bestrahlung mit einem Laserlicht bestimmter Wellenlänge für eine begrenzte Zeit fluorochrom werden und dieser Zustand und sein Ausmaß mit einer speziellen Photozelle gemessen wird?

 

Normenkette

ZK Allgemein; KN Pos. 3212; KN Pos. 3822

 

Nachgehend

EuGH (Urteil vom 17.07.2014; Aktenzeichen C-480/13)

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Ware mit der Handelsbezeichnung "A" im Jahr 2005 vorrangig als "Färbemittel für den Laborgebrauch" in die Pos. 3212 9090 der Kombinierten Nomenklatur (KN) mit einem Zollsatz von 6,5 % einzureihen war.

1. Die Ware ist eine für den Einzelverkauf aufgemachte bläulich-transparente Flüssigkeit (im Folgenden: die zu tarifierende Flüssigkeit), die zu 96,9 % bzw. 3 % aus den Lösungsmitteln Ethylenglykol bzw. Methanol besteht und zu 0,002 % aus einer synthetischen, organischen Substanz, die chemisch den Polymethinen angehört und innerhalb der Polymethine zu den Cyaninen zählt (im Folgenden Polymethin). Die Ware ist chemisch ein organisches Erzeugnis.

Die zu tarifierende Flüssigkeit wird bestimmungsgemäß zur Untersuchung von weißen Blutkörperchen (Leukozyten) eingesetzt. Vor dem Einsatz der zu tarifierenden Flüssigkeit ist das zu untersuchende Blut unter Einsatz eines anderen Mittels so aufzubereiten, dass die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) aufgelöst und die Zellmembranen der Leukozyten perforiert werden. Wird die zu tarifierende Flüssigkeit zugegeben, so kommt es zu einer ionischen Anlagerung des Polymethins an die in den perforierten Leukozyten enthaltenen Nukleinsäuren. Bei Bestrahlung der aus dem Polymethin der Ware und den Nukleinsäuren entstehenden Moleküle mit Laserlicht einer bestimmten Wellenlänge (633 nm) wird die Lichtenergie absorbiert und sogleich als Licht mit einer etwas längeren Wellenlänge abgestrahlt (ca. 660 nm). Diese als Fluoreszenz bezeichnete spontane Emission von Licht beim Übergang eines angeregten Systems in einen Zustand niedrigerer Energie ist - neben der Phosphoreszenz - eine Form der Lumineszenz ("kaltes Leuchten"), die nach dem Ende der Bestrahlung in kürzester Zeit abklingt.

In der Anwendungspraxis wird das im Wege der Fluoreszenz abgestrahlte Licht in einem Analysegerät durch optische Detektoren gemessen und ausgewertet und elektronisch auf einem Monitor dargestellt. Durch entsprechende Einstellung des dabei verwendeten EDV-Programms kann der Nutzer den Messwerten für die Darstellung auf dem Monitor Farben zuweisen, die unabhängig von Eigenfarben der Substanzen sind.

In einer Publikation der Klägerin heißt es zur Funktionsweise u. a. wie folgt:

"...A ist ein Polymethin-Fluoreszenzfarbstoff, der Nukleinsäuren im Kern und Zytoplasma der Leukozyten anfärbt, wodurch Rückschlüsse auf die Zellaktivität und den Reifegrad möglich sind. ..."

Zu einer Anhaftung von Farbpartikeln oder zu einer sichtbaren Verfärbung der Prüflösung kommt es bei der beschriebenen Anwendung nicht.

2. Die streitgegenständliche Ware wurde von der Klägerin am 01.07.2005 und am 04.07.2005 jeweils unter Angabe der Codenummer 3822 0000 00 0 - Zollsatz 0 % - angemeldet und sodann in den freien Verkehr überführt.

Der Beklagte erließ am 18.06.2007 einen Nacherhebungsbescheid in Bezug auf verschiedene Waren; im Hinblick auf die streitgegenständliche Ware "A", weil sie nach Auffassung des Beklagten in die Codenummer 3926 9099 90 0 - Zollsatz 6,5 % - einzureihen sei.

Die Klägerin legte Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 13.01.2009 als unbegründet zurückwies.

Die Klägerin hat am 10.02.2009 Klage erhoben.

Auf Antrag vom 27.05.2009 erhielt die Klägerin von den niederländischen Zollbehörden eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA), in der die streitgegenständliche Ware antragsgemäß in die Pos. 3822 KN eingereiht wurde.

Am 12.08.2009 wurde die "Durchführungsverordnung (EU) Nr. 827/2011 der Kommission vom 12.08.2011 zur Einreihung von bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur" (im Folgenden: Einreihungsverordnung, ABl EU Nr. L 211/9, Gerichtsakte Bl. 90 f.) erlassen. Die Einreihungsverordnung bestimmt, dass die Ware mit der Bezeichnung

"Blauer Polymethin-Farbstoff (Fluoreszenzfarbstoff) verdünnt in einem Lösungsmittelgemis...

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