Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (BFH VII B 169/16)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerschuldner nach § 23 Abs. 1 S. 2 TabakStG als Haftungsschuldner gemäß § 71 AO
Leitsatz (amtlich)
1. Steuerschuldner nach § 23 Abs. 1 S. 2 TabakStG ist auch derjenige, der Zigaretten vom Verbringer oder Versender übernimmt (Anschluss an BFH VII R 44/11).
2. Haftungsschuldner gemäß § 71 AO kann auch der Steuerschuldner sein.
Normenkette
TabakStG § 23 Abs. 1 S. 2; AO § 71
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 09.02.2017; Aktenzeichen VII B 169/16) |
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin begehrt die Aussetzung der Vollziehung eines Haftungsbescheids über Tabaksteuer sowie eines Haftungsbescheids über Hinterziehungszinsen.
Im Zuge von steuerstrafrechtlichen Ermittlungen gegen den gesondert verfolgten A kam der Verdacht auf, die Antragstellerin habe von diesem unversteuerte Zigaretten angekauft, um sie gewinnbringend weiterzuverkaufen. Bei der Durchsuchung ihrer Wohnung, die sie mit ihrem Lebenspartner allein bewohnt, wurden am 16.12.2015 in einem Abstellraum drei Stangen (600 Stück) Zigaretten der Marke "B", eine Stange Zigaretten der Marke "C", jeweils ohne Steuerbanderole, sowie vier Stangen (800 Stück) Zigaretten der Marke "D" mit ukrainischer Banderole sichergestellt. Weitere 16 Stangen und drei Schachteln (3.260 Stück) Zigaretten der Marke "E" mit Duty-Free-Kennzeichnung und englischem Warnhinweis wurden im Wohnzimmerschrank aufgefunden.
Mit Haftungsbescheid über Tabaksteuer (Registrierkennzeichen: XXX-1) vom 06.04.2016 setzte der Antragsgegner Tabaksteuer in Höhe von ... € im Hinblick auf die bei der Durchsuchung am 16.12.2015 sichergestellten 4.860 unversteuerten Zigaretten fest. Da an den sichergestellten Zigaretten keine deutschen Steuerzeichen angebracht gewesen seien, sei die Tabaksteuer entweder durch Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr oder durch den erstmals zu gewerblichen Zwecken gehaltenen Besitz entstanden. Diese Zigaretten habe die Antragstellerin mit Bereicherungsabsicht bei dem gesondert verfolgten F angekauft. Hierdurch habe sie die Steuerstraftat der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei begangen. Daher hafte sie für die von dem unbekannten Steuerschuldner hinterzogene Tabaksteuer. Da der Tabaksteuerschuldner nicht zu ermitteln sei, werde sie als Haftungsschuldnerin in voller Höhe in Anspruch genommen. Eine Verschonung als Haftende komme wegen des hohen Verschuldensgrades nicht in Betracht. Hinsichtlich des Entschließungsvermessens liege eine Ermessensreduzierung auf null vor. Das Auswahlermessen werde gegen weitere Haftungsschuldner ausgeübt werden, sofern diese bekannt werden würden. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage sei der 16.12.2015 als der Tag, an dem die Steuerschuld festgestellt worden sei. Davon ausgehend werde für die Zigaretten der Mindeststeuersatz in Höhe von ... Cent pro Stück bzw. ... Cent pro Stück berechnet.
Mit Haftungsbescheid über Hinterziehungszinsen (Registrierkennzeichen: XXX-2) vom 06.04.2016 setzte der Antragsgegner für die mit dem Haftungsbescheid über Tabaksteuer vom selben Tag festgesetzten Betrag Hinterziehungszinsen in Höhe von ... € fest.
Mit Telefax vom 24.04.2016 legte die Antragstellerin Einspruch gegen die beiden Bescheide ein und beantragte "Vollstreckungsaussetzung". Es sei nicht nachgewiesen, dass die Zigaretten unter Umgehung der Zollvorschriften nach Deutschland verbracht worden seien. Die Zigaretten seien legal erworben worden.
Mit Bescheid vom 11.05.2016 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheides über Tabaksteuer ab. Es bestünden bei summarischer Prüfung keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 361 Abs. 2 AO an der Haftung der Antragstellerin. Sie hafte nach § 71 AO für die verkürzte Tabaksteuer in festgesetzter Höhe, weil sie eine Steuerhehlerei nach § 374 AO begangen habe, indem sie sich die im Einzelnen bezeichneten Zigaretten verschafft habe, hinsichtlich derer Steuern hinterzogen worden seien. Die Tabaksteuer sei zuvor durch das Verbringen der unversteuerten Zigaretten bzw. durch deren Einfuhr entstanden. Es stehe fest, dass sich die Antragstellerin die bei ihr aufgefundenen Zigaretten verschafft habe. Sie habe auch spontan eingeräumt, die Zigaretten von Herrn F erworben zu haben. Nach den Ergebnissen der Telefonüberwachung sei die Antragstellerin auch als Kundin des illegalen Zigarettenhändlers A identifiziert worden. Einwände, die ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides weckten, habe die Antragstellerin nicht vorgebracht.
Mit gleichlautendem Bescheid vom 11.05.2016 lehnte der Antragsgegner auch die Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids zu den Hinterziehungszinsen ab.
Mit Telefax vom 07.06.2016 hat die Antragstellerin die gerichtliche Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids über Tabaksteuer sowie des Haftungsbescheids über Hinterziehungszinsen beantragt. Ihr werde rechtswidrig unterstellt, dass sie eingeräumt habe, die Zigaretten bei Herrn F gekauft zu haben. ...