Entscheidungsstichwort (Thema)
FGO: Befangenheit eines Sachverständigen - Verpflichtung zum Abbruch eines Ortstermins
Leitsatz (amtlich)
Ein Sachverständiger ist gehalten, den Ortstermin abzubrechen, wenn einer Partei nicht gestattet wird, an den Ermittlungen teilzunehmen. Daraus ergibt sich kein Befangenheitsgrund.
Normenkette
FGO § 82; ZPO § 406
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten in der Hauptsache darum, ob es im Jahr 2015 zu einer verdeckten Gewinnausschüttung gekommen ist.
Die Klägerin, eine GmbH, war Alleineigentümerin einer Immobilie in der X-Straße in Hamburg. Am ... 2015 veräußerte die Klägerin die Fläche im 2. OG in der X-Straße an ihre Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin Frau A und deren Ehemann zu einem Kaufpreis von ... Euro.
Nachdem die Klägerin zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagt wurde, erging am 24. Januar 2020 ein geänderter Körperschaftsteuerbescheid für 2015, ein geänderter Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer und ein geänderter Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 KStG und§ 28 Abs. 1 Satz 3 KStG , in denen eine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe von ... Euro berücksichtigt wurde. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass keine Rohbaufläche, sondern eine Wohnung veräußert worden sei.
Die Klägerin legte am 14. Februar 2020 Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 8. Oktober 2021 zurückwies.
Dagegen hat die Klägerin am 28. Oktober 2021 Klage erhoben, mit der sie im Kern geltend macht, dass die Wohnung damals zu einem angemessenen Preis veräußert worden sei und daher keine verdeckte Gewinnausschüttung vorliege.
Das Gericht hat am 17. Oktober 2022 einen Beweisbeschluss mit folgendem Inhalt gefasst:
"Es soll Beweis erhoben werden über die Frage:
Welchen Verkehrswert die Wohnung im 2. OG in der X-Straße in Hamburg am ... 2015 (Kaufvertrag) hatte durch Einholung eines mündlichen Gutachtens.
Zum Sachverständigen wird bestellt: Herr B [...]
Dem Sachverständigen wird zur Vorbereitung nach Bedarf die Besichtigung des Objekts und die Einholung ergänzender Auskünfte und Unterlagen von den Beteiligten und Dritten gestattet."
Mit Schreiben vom 12. Dezember 2022 teilte der Sachverständige den Beteiligten mit, dass eine Ortsbesichtigung erforderlich sei und schlug als Termin für eine Besichtigung den 19. Januar 2023 vor.
Mit Schreiben vom 23. Januar 2023 beantragte die Klägerin, den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Am 12. Januar 2023 habe sie, die Klägerin, den Sachverständigen telefonisch kontaktiert, um die vorgesehene Besichtigung des Objekts abzustimmen. In diesem Gespräch habe sie darauf hingewiesen, dass sie einer Besichtigung der Wohnung nicht zustimme und habe angeboten, das Objekt an sich und die Räumlichkeiten in einer anderen Etage zu besichtigen.
Am Besichtigungstermin sei der Sachverständige nicht allein, sondern in Begleitung von Frau C (FA D) und Frau E (FA F) erschienen. Der Sachverständige habe Zutritt zur Wohnung verlangt, was ihm verweigert worden sei. Sie, die Klägerin, habe erklärt, dass sie anwaltlich nicht vertreten sei, weil sie nicht gewusst habe, dass auch der Beklagte erscheinen würde, und um einen neuen Termin gebeten. Dem Sachverständigen sei angeboten worden, die Privatwohnung ohne den Beklagten zu besichtigen, was er aber ausgeschlagen habe. Der Sachverständige habe versucht, sich Zutritt zu einer Wohnung eines Dritten zu verschaffen, indem er auf vermeintlich negative Konsequenzen für sein Gutachten hingewiesen habe, die sich aus einem verweigerten Zutritt ergeben würden.
Daraus ergebe sich die Vermutung, dass der Sachverständige wenig an der Erhebung der Daten und Informationen interessiert gewesen sei, die er wirklich gebraucht habe. Der Zustand des Kaufgegenstandes im Bewertungszeitpunkt sei umfassend und vollständig dokumentiert. Unklar sei, welches Interesse mehr als sieben Jahre nach dem Umbau bestehen könne, die Privaträume der Käufer zu besichtigen. Die Aussicht könne auch vom Büro im 1. OG beurteilt werden.
Der Sachverständige hat wie folgt Stellung genommen:
"Ich habe am 19.01.2023 das Bewertungsobjekt aufgesucht, um eine Besichtigung vorzunehmen.
Es handelt sich hier um einen (auswärtigen) und nichtöffentlichen Gerichtstermin, ich muss hier alle Beteiligten vorab von diesem Termin informieren. Hierdurch haben in einem gerichtlichen Verfahren die Anwesenheitsberechtigten Gelegenheit zur Teilnahme. [...]
Nur wenn die Anwesenheitsberechtigten nicht erscheinen oder auf ihr Recht zur Teilnahme verzichten, kann ich eine Ortsbesichtigung allein vornehmen.
Dies sind allgemein übliche Grundsätze bei der Tatsachenerhebung in einem gerichtlichen Verfahren. Soll hiervon abgewichen werden, so bedarf es eines entsprechenden Gerichtsbeschlusses, dass die Ortsbesichtigung in anderer Form durchgeführt werden soll. Einen solchen gibt es hier nicht.
Ich bin am 19.01.2023 allein zum Termin gekommen und nicht in "Begl...