Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung eines anderen materiellen Rechtsfehlers bei der Berichtigung wegen einer offenbaren Unrichtigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Bei der Prüfung, ob und in welchem Umfang die Finanzbehörde einen Steuerbescheid wegen einer offenbaren Unrichtigkeit berichtigt, darf im Rahmen des Entscheidungsermessens berücksichtigt werden, dass ein anderer materieller Rechtsfehler vorliegt.
Normenkette
AO §§ 129, 177
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob im Rahmen einer Berichtigung wegen einer offenbaren Unrichtigkeit materielle Rechtsfehler mitkorrigiert werden dürfen.
Die verheiratete Klägerin, die im Streitjahr die getrennte Veranlagung wählte, erklärte in ihrer Einkommensteuererklärung für 1996 neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Ihre Einkünfte aus der Vermietung des Hausgrundstückes X-Straße in Hamburg erklärte die Klägerin mit ... DM. Demgegenüber erklärte sie aus der Vermietung des Hausgrundstückes Y-Straße Verluste in Höhe von ./. ... DM. Die Klägerin hatte für einen im Jahre 1988 auf diesem Grundstück errichtete Neubau Absetzungen für Abnutzung in Höhe von 5 % gemäß § 7 Abs. 5 Nr. 2 EStG bis einschließlich 1995 in Höhe von zuletzt 12.553 DM geltend gemacht. Auch in ihrer Einkommensteuererklärung 1996 setzte sie die AfA für den Neubau mit 12.553 DM an. Nachdem die Klägerin mit Schreiben ihres Steuerberaters vom 08.06.1998 die Einkünfteermittlung für das Grundstück X-Straße noch einmal geändert und den Gewinn mit ... DM erklärt hatte, wurde sie mit Einkommensteuerbescheid für 1996 vom 10.07.1998 erklärungsgemäß veranlagt.
Mit Schreiben ihres Steuerberaters vom 05.01.2000 bat die Klägerin um Berichtigung der aus der Vermietung des Objektes A-Straße erzielten Einkünfte. Da die auch in der ursprünglichen Erklärung an sich mit aufgeführte Grundsteuer in Höhe von 6.498,12 DM bei den Werbungskosten versehentlich nicht mit aufaddiert worden sei, ergebe sich aus der Vermietung dieses Objektes ein Überschuss lediglich in Höhe von ... DM. Der Beklagte berichtigte daraufhin den Einkommensteuerbescheid 1996 mit neuem Bescheid vom 26.01.2000. Zugleich berücksichtigte er die AfA gemäß § 7 Abs. 5 Nr. 2 EStG für das Grundstück Y-Straße nur noch mit 6.277 DM, statt wie in dem ursprünglichen Bescheid mit 12.553 DM. Zur Begründung führte er aus, dass die AfA für dieses Objekt ab 1996 nur noch 2,5 % betrage und hierzu eine Berichtigung nach § 177 AO erfolge.
Die Klägerin legte gegen den berichtigten Einkommensteuerbescheid für 1996 vom 26.01.2000 am 23.02.2000 Einspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, dass § 177 AO im Streitfall nicht anwendbar sei, da diese Vorschrift nur von "Änderung und Aufhebung", nicht aber von "Berichtigung" (§ 129 AO) spreche. Zwar sehe der neugefasste AO-Anwendungserlass in Nr. 2 zu § 129 AO eine sinngemäße Anwendung der Regelung des § 177 AO vor, doch finde diese Anweisung weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung einen Rückhalt.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 09.06.2000 zurück. Zur Begründung führte er aus, dass in der Literatur zwar teilweise vertreten werde, dass § 177 AO im Rahmen von § 129 AO nicht anwendbar sei, doch habe die höchstrichterliche Rechtsprechung anders entschieden. Der BFH habe in seiner Entscheidung vom 08.03.1989 (X R 116/87, BStBl II 1989, 531) § 177 Abs. 2 AO im Rahmen von § 129 AO nicht angewandt, da die Kompensationsregelung des § 177 AO im Falle einer Berichtigung überflüssig sei, denn eine Saldierungsmöglichkeit ergebe sich im Rahmen des § 129 AO auch im Wege pflichtgemäßer Ermessensausübung. Auch mit der Entscheidung vom 30.04.1998 (III B 110/97, nicht veröffentlicht) habe der BFH noch einmal unterstrichen, dass bei einer Berichtigung gemäß § 129 AO eine Saldierungsmöglichkeit nach § 177 AO bestehe.
Mit ihrer am 03.07.2000 erhobenen Klage wendet sich die Klägerin weiterhin gegen die von dem Beklagten im Rahmen der Berichtigung vorgenommene Kompensation mit einem Rechtsfehler. Zur Begründung führt sie aus, § 177 AO komme bei einer Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129 AO nicht zur Anwendung, da diese Vorschrift eine Punktberichtigung sei, im Übrigen aber die materielle Bestandskraft unberührt lasse. Diese Auffassung werde auch von allen Kommentaren und der Rechtsprechung vertreten, so dass der Beklagte mit seiner Rechtsansicht allein stehe.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den berichtigten Einkommensteuerbescheid 1996 vom 26.01.2000 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 09.06.2000 dahingehend zu ändern, dass Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit ./. 12.407 DM angesetzt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich auf seine Einspruchsentscheidung vom 09.06.2000 und weist im Übrigen darauf hin, dass es höchstrichterliche Rechtsprechung sowie der herrschenden Meinung in der Literatur entspreche, dass im Rahmen einer Berichtigung nach § 129 AO auch materielle Fehler mitberichtigt werd...