Entscheidungsstichwort (Thema)
Verzögerungsgeld: Ermessensausübung bei der Festsetzung des Verzögerungsgeldes
Leitsatz (amtlich)
1. Die Erfüllung der Mitwirkungspflichten nach Ablauf der hierfür gesetzten Frist hindert nicht an der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes.
2. Das Entschließungsermessen ist nicht dergestalt vorgeprägt, dass eine Verletzung der Mitwirkungspflicht im Rahmen der Außenprüfung zur Festsetzung eines Verzögerungsgeldes regelmäßig ausreicht und insbesondere Verschuldensaspekte beim Entschließungsermessen nicht zu berücksichtigen sind. In das Entschließungsermessen sind vielmehr alle entscheidungserheblichen Umstände einzubeziehen.
3. Gerade wegen der Anfangshöhe des Verzögerungsgeldes von 2.500 € entspricht es dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht mehr, wenn das Finanzamt nicht in seine Ermessensentscheidung einbezieht, dass der Steuerpflichtige die angeforderten Unterlagen bereits vor der Festsetzung des Zwangsgeldes eingereicht hat. Aus der Tatsache, dass die Voraussetzungen für eine Festsetzung vorliegen, folgt gerade nicht die Verpflichtung des Finanzamts, ein solches auch festzusetzen.
Normenkette
AO § 146 Abs. 2b
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes.
Der 19... geborene Kläger betreibt einen Kiosk.
Am 19.09.2012 kündigte der Beklagte telefonisch die Durchführung einer Umsatzsteuersonderprüfung an. Die entsprechende Prüfungsanordnung für die Voranmeldungszeiträume 1. und 2. Quartal 2010 erging am 29.10.2012. Als voraussichtlicher Beginn der Prüfung wurde der 22.11.2012 mitgeteilt. Vorgesehener Ort der Prüfung war das Finanzamt Hamburg-1.
Durch Schreiben vom 17.12.2012 teilte die Prüferin des Beklagten dem steuerlichen Berater des Klägers, dem jetzigen Prozessbevollmächtigten, mit, dass keine Unterlagen vorgelegt worden seien und bat um Übersendung der Unterlagen bis spätestens 07.01.2012. Außerdem wies sie auf die Möglichkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes hin.
Der Prozessbevollmächtigte erklärte durch sein Schreiben vom 21.12.2012, dass ihm die Unterlagen nicht vorlägen und er an die Übersendung der Unterlagen erinnert habe.
Der Beklagte teilte durch sein Schreiben vom 10.01.2013 mit, dass keine Unterlagen eingereicht worden seien, und setzte eine letztmalige Frist, bis zum 21.01.2013 konkret bezeichnete Unterlagen einzureichen. Außerdem kündigte die Betriebsprüferin für den Fall, dass die Unterlagen nicht vollständig bis zum genannten Termin vorlägen, die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes in Höhe von 2.500 € gem. § 146 Abs. 2b Abgabenordnung (AO) ohne weitere Androhung an.
Am 24.01.2013 setzte der Beklagte ein Verzögerungsgeld in Höhe von 2.500 € fest. Zur Begründung führte er aus, dass durch die Nichtvorlage der Unterlagen der Fortgang der Außenprüfung verzögert werde und keine rechtfertigenden Umstände zu Gunsten des Klägers ersichtlich seien. Der Bescheid wurde mit einfachem Brief zur Post aufgegeben.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers gab am 04.02.2013 die angeforderten Unterlagen persönlich beim Beklagten ab.
Mit Schreiben vom 08.02.2013, welches am 11.02.2013 beim Beklagten einging, legte der Kläger Einspruch gegen die Abrechnung zur Festsetzung des Verzögerungsgeldes vom 31.03.2013 ein und wies daraufhin, dass ihm keine diesbezügliche Festsetzung vorliege und er um Aufklärung des Sachverhalts bitte.
Am 12.02.2013 übersandte der Beklagte dem Kläger eine Zweitausfertigung der Bescheide über die Festsetzung von Verzögerungsgeld per Postzustellungsurkunde.
Hiergegen legte der Kläger am 21.02.2013 Einspruch ein und wies zur Begründung auf die zwischenzeitlich eingereichten Unterlagen hin.
Mit Schreiben vom 25.02.2013 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass es sich bei dem Verzögerungsgeld nicht um ein Zwangsmittel gem. §§ 328 AO, sondern um ein Druckmittel eigener Art handele. Das Verzögerungsgeld bleibe daher auch bestehen, wenn dem Mitwirkungsverlangen nachträglich nachgekommen werde.
Der Beklagte wies durch seine Einspruchsentscheidung vom 04.07.2013 den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, es sei ermessensgerecht, das Verzögerungsgeld festzusetzen, denn der Kläger habe seine Mitwirkungspflicht verletzt, weil er mehrfach erfolglos aufgefordert worden sei, die Buchführungsunterlagen vorzulegen. Der Kläger habe insgesamt vier Monate Zeit gehabt, die nicht umfangreichen Unterlagen vorzulegen. Durch die Nichtvorlage sei die Prüfung unmöglich gewesen. Die Erfüllung der Pflicht nach Ablauf der Frist hindere nicht an einer Festsetzung des Verzögerungsgeldes. § 335 AO sei nicht anwendbar. Zweck des Verzögerungsgeldes sei, die Verletzung der Mitwirkungspflichten zu sanktionieren, sodass sein Zweck nicht entfalle, wenn die Mitwirkung nach Fristablauf erfolge oder nachgeholt werde. Auf das Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG vom 05.12.2012 2 K 9/12, EFG 2013, 264 werde verwiesen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung sei nicht die Festsetzung des Verzögerungsgeldes, sondern die ...