rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuerrecht: Progressionsvorbehalt bei zeitweise unbeschränkter Steuerpflicht
Leitsatz (amtlich)
1. § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG 1996 ist nicht nur anzuwenden, wenn in einem Kalenderjahr zeitweise unbeschränkte und zeitweise beschränkte Steuerpflicht bestehen, sondern auch dann, wenn nur zeitweise unbeschränkte Steuerpflicht und im Übrigen keine Steuerpflicht besteht.
2. § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG 1996 ist mit DBA-Recht vereinbar.
3. § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG 1996 verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz, auch wenn man der geänderten Rechtsprechung des BFH zu § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht folgt. Die Regelung ist auch ansonsten verfassungskonform.
4. § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG 1996 ist mit EG-Recht vereinbar.
Normenkette
EStG § 32b Abs. 1 Nr. 2; OECD-MA Art. 23A Abs. 3; GG Art. 3 Abs. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anwendbarkeit eines besonderen Steuersatzes nach § 32 b Absatz 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1996 vom 11.10.1995, BStBl I 1995,438 (EStG 1996).
Die Kläger waren im Streitjahr 1996 vom 01.01. bis 14.04. unbeschränkt steuerpflichtig in Deutschland und zogen zum 15.04.1996 nach Japan. In Deutschland behielten sie weder einen Wohnsitz, noch erzielten sie hier weiterhin Einkünfte. Die Kläger erzielten in der Zeit ab 15.04.1996 ausländische Einkünfte von ... Tsd. DM.
Die Kläger wurden für 1996 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Dabei bezog der Beklagte im Bescheid vom 23.12.1997 (Einkommensteuerakte Bl. 53) die ausländischen Einkünfte in Höhe von ... DM nach § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG 1996 zur Bestimmung des Steuersatzes heran und setzte die Einkommensteuer auf ... DM und den Solidaritätszuschlag auf ... DM fest. Den am 19.01.1998 eingegangenen Einspruch der Kläger (Einkommensteuerakte Bl. 56) wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 23.07.1998 (Einkommensteuerakte Bl. 60 ff) als unbegründet zurück.
Die Kläger haben am 24.08.1998 Klage erhoben.
Mit Bescheid des Beklagten vom 26.02.1999 wurde die Einkommensteuerfestsetzung im Hinblick auf einen Verlustrücktrag herabgesetzt (Einkommensteuerakte Bl. 75). Die Kläger haben am 23.03.1999 die Einbeziehung dieses Bescheides in das Verfahren beantragt. Eine weitere Änderung der Einkommensteuerfestsetzung erfolgt mit Bescheid vom 29.03.1999, der dem Gericht aber nicht vorliegt. Die Kläger haben die Einbeziehung dieses Bescheides am 12.04.1999 beantragt (FG Akte Bl. 31).
Die Kläger sind der Auffassung, der in § 32 b Absatz 1 Nr. 2 EStG 1996 vorgesehene Progressionsvorbehalt sei nicht anzuwenden. Die Regelung sei mit dem DBA-Japan nicht vereinbar. Nach dessen Artikel 15 sei die Besteuerung von Einkünften aus unselbstständiger Arbeit dem Ansässigkeitsstaat zugewiesen, so dass die in Japan im Zeitraum ab 15.04.1996 erzielten Einkünfte allein dort besteuert werden könnten. Dies schließe auch eine Berücksichtigung dieser Einkünfte im Rahmen eines Progressionsvorbehaltes aus. Darüber hinaus sei der Progressionsvorbehalt nicht mit Artikel 23 Abs. 1 a DBA-Japan, der Artikel 23 A Abs. 3 OECD-MA entspreche, vereinbar, wonach bei in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Personen nach dem DBA in Japan zu besteuernde und in der Bundesrepublik Deutschland freizustellende Einkünfte für die Ermittlung des Steuersatzes für die übrigen Einkünfte berücksichtigt werden. Ein Progressionsvorbehalt sei daher ausschließlich im Ansässigkeitsstaat zulässig. Hiervon weiche § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG 1996 ab. Dabei fehle eine ausdrückliche Regelung bezüglich einer Abweichung vom Zustimmungsgesetz zum DBA-Japan, die für eine wirksame Aussetzung der DBA-Regelung (sog. treaty overriding) erforderlich sei. Es bleibe daher nach § 2 AO bei der Anwendung des DBA-Japan mit der Folge, dass hier kein Progressionsvorbehalt anzuwenden sei.
Darüber hinaus verstoße der in § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG 1996 angeordnete Progressionsvorbehalt gegen den aus Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz herzuleitenden Grundsatz, dass die Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden müssen, und sei daher verfassungswidrig. Die Vorschrift führe in den Fällen zeitweise unbeschränkter Steuerpflicht zur Einbeziehung ausländischer Einkünfte in den Progressionsvorbehalt unabhängig davon, ob dies im DBA vorgesehen sei. Demgegenüber komme für ganzjährig unbeschränkt Steuerpflichtige ein Progressionsvorbehalt nach § 32 b Abs. 1 Nr. 3 EStG 1996 nur in Betracht, wenn dies im DBA vorbehalten sei und damit nur bei Ansässigkeit im Sinne des einschlägigen DBA in Deutschland. Dies stelle eine unzulässige Benachteiligung der nur zeitweise unbeschränkt Steuerpflichtigen dar, insbesondere im Vergleich zu Personen, die in Deutschland aufgrund eines Zweitwohnsitzes ganzjährig unbeschränkt steuerpflichtig, aber nicht im Sinne des DBA ansässig sind. Die Kläger halten daher einen Progressionsvorbehalt nur für zulässig, wenn der Steuerpflichtige bei Erzielung der Einkünfte nach dem DBA in Deutschland ansässig wa...